Tanz doch mal!

„Täglich, draußen und gratis“ lautete das Motto der ersten Public Moves in Salzburg. Zeitgenössischer Tanz, Feldenkrais, House, Hip-Hop und vieles mehr konnte kostenlos und niederschwellig ausprobiert werden. And there is more to come…

Auf der Skulpturenterrasse des Museums der Moderne ist gelber Tanzboden ausgelegt, unter einem Sonnenschirm steht ein portables DJ-Pult, und die ersten Beats schallen aus den Lautsprechern. Langsam finden sich die ersten Teilnehmer ein, und das Team ist mit dem Soundcheck beschäftigt. Eigentlich wirkt das Treiben auf den ersten Blick noch recht unorganisiert und spontan, aber das ist gewollt. Denn das Angebot soll niederschwellig sein und ein diverses Teilnehmerfeld aus Interessierten, Anfängern und Fortgeschrittenen anlocken.

Farah Deen übernimmt mit ihrer Danceclass ‚Cyphering with House Dance‘ die Eröffnung der Public Moves in Salzburg. Was folgt, ist eine einfühlsame Einführung in das Thema House, bei der die in Salzburg aufgewachsene Profitänzerin jeden der Anwesenden mitnimmt. Während die Teilnehmer in unterschiedlichen Übungen immer mehr in den Groove kommen, erklärt Mitorganisatorin Fio Losin, warum ein niederschwelliger Zugang zum Tanz so wichtig ist: „Wir möchten, dass möglichst viele unterschiedliche Menschen hier aufeinander treffen und sich austauschen können. Ganz wichtig ist, dass auch Kinder und ältere Personen kommen, da es so zugänglich gestaltet ist, dass jeder mitmachen kann. Auch Menschen mit Beeinträchtigungen sind herzlich willkommen.“ Dabei geht es aber nicht nur um Musik, denn auch Bodywork-Klassen stehen in dem buntgemischten Programm zwischen anderen zeitgenössischen Tanzstilen. „Denn bei einer Yogaklasse oder beim Feldenkrais wagt man eher die Teilnahme als bei Freestyle-Tanz, oder man glaubt, beim Tanzen Vorerfahrungen haben zu müssen, was aber nicht stimmt“, so die lockere Fio. Der Großteil der Klassen dreht sich um Street- und Clubstyles, da Farah Deen, die die Salzburger Public Moves mitkuratiert, aus genau dieser Ecke kommt.

„Ich wünsche mir, dass mehr Menschen tanzen und das der Tanz in Salzburg mehr Aufmerksamkeit bekommt.“ Farah Deen

Farah Deen

Aber nicht nur aus dieser Ecke, sondern direkt vom Tanzboden kommt sie in diesem Moment, denn die 75 Minuten dauernde Klasse ist auch schon wieder vorbei.

Etwas verschwitzt strahlt Farah nicht minder als die anderen Teilnehmer, die auch langsam von der Bühne spazieren oder noch ein paar frisch gelernte Moves ausprobieren. Gefragt, was ihr an Public Moves besonders gefällt, antwortet sie lächelnd: „Neben den tollen Teilnehmern heute finde ich es extrem cool, weil es die Stadt komplett aufwertet, wenn in der Öffentlichkeit getanzt wird. So riesige Tanzklassen im öffentlichen Raum wie hier machen Salzburg einfach hipper.“

Farah ist gebürtige Salzburgerin. Für sie änderte das ImPulsTanz Festival ihr ganzes Leben, denn hier nahm sie als Teenager ihre erste Tanzklasse, fand zu ihrer ersten Tanzlehrerin und tritt nun quasi in deren Fußstapfen „Es ist eine gute Mischung aus lokalen Tänzerinnen, bei denen man dann hier auch weiter in den Unterricht gehen kann, Leuten aus Wien, die auch dort Public Moves unterrichten, und internationalen Künstlern. Total cool ist es, die Hip-Hoperin Anissa Ghettostyle aus Paris hier in Salzburg zu haben.“

Dann beginnt auch schon die zweite Klasse des Abends. Der Sound verändert sich und auch der Name verspricht ein völlig anderes Tanzprogramm. Karin Chengs ‚Flowing Class‘ überwindet die Grenzen von Tanz und freier Bewegung. Erst tanzt jeder für sich und bewegt sich wie Honig oder Wellen. Der Körper findet automatisch in den richtigen Rhythmus und jeder kommt auf dem Outdoor-Dancefloor an. Farah kann es auch nicht lassen und ist schon wieder am Tanzen, gemeinsam zeigt sie mit Karin Partnerübungen vor. Die beiden kennen sich noch aus dem Musischen Gymnasium in Parsch, denn auch Karin Cheng ist eine gebürtige Salzburgerin, die inzwischen in Wien eine Tanzkarriere macht. Die Klasse ist eine bunte Mischung unterschiedlichster Menschen. Zwei junge Mädchen zeigen mit eleganten Moves, dass sie über viel Bewegungserfahrung verfügen, etwas weiter ein paar Damen im mittleren Alter, die sich offensichtlich das erste Mal an so etwas herantrauen, daneben ein Tänzer in bester Stimmung, Paare, die man auf den ersten Blick beim Walzer vermutet, versuchen sich am ‚Flowing‘.

„‚Flowing‘ ist mehr ein Gefühl. Ich versuche den Menschen Werkzeuge zu geben, wie sie sich durch ihre eigene Körpersprache mit Tanz und Musik verbinden können.“ Karin Cheng

Karin Cheng

Am Ende der Klasse verlassen Karin Cheng und Farah Deen gemeinsam den Dancefloor. Zeit zu erfahren, was ‚Flowing‘ eigentlich genau ist. „Es hat sehr viel mit Offenheit zu tun, mit Texturen wie Wasser oder Honig und Bewegungsmustern von wavy bis geschmeidig. ‚Flowing‘ ist mehr ein Gefühl. Ich versuche den Menschen Werkzeuge zu geben, wie sie sich durch ihre eigene Körpersprache mit Tanz und Musik verbinden können. Es ist nicht so, dass es keine festen Strukturen gibt, aber es geht darum zu entdecken, wie ich mich eigentlich bewegen will, was ich ausdrücken möchte und wie wir trotzdem eine Gemeinschaft bilden können.“

In den nächsten Wochen erwarten die Teilnehmer viele weitere Dance-Klassen direkt vor dem Wasserturm des Mönchsbergmuseums. Maartje Pasam fragt sich in ihrer Dance-Klasse, wie man den eigenen Körper in die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft verwandeln kann, und der Schauspieler und Tänzer Futurelove Sibanda nimmt die Teilnehmer mit auf eine spielerische Reise zu den Tänzen aus dem Süden Afrikas.

Wir alle tanzen inzwischen zu wenig und das Festival lädt auf charmante und sehr persönliche Weise ein, genau das zu ändern, neue Leidenschaften zu entdecken und neue Leute kennenzulernen. Wie zugänglich und inklusiv Public Moves eigentlich ist, zeigt auch der Fakt, dass eine Gebärden-Dolmetscherin an ausgewählten Tagen mit vor Ort ist und so auch Gehörlosen ermöglicht, der Klasse zu folgen und sich mit ihr und anderen Tanzenden zu verbinden. Auch für Karin Cheng eine völlig neue Erfahrung: „Das war das erste Mal für mich, gemeinsam mit einer Gebärdensprachen-Übersetzerin zu unterrichten, umso schöner war es, dass wirklich auch Gehörlose da waren. Ein sehr emotionales und verbindendes Erlebnis.“

Es ist schwer vorzustellen, dass ein anderes Konzept so viele unterschiedliche Menschen an einem Ort zusammenbringt. Daneben im M32 steigt gerade eine Party von Red Bull und die auf schick getrimmte Terrasse des Nobelrestaurants wirkt wie die Antithese zu dem lockeren, lauten Treiben nebenan. Aber wenn man ehrlich ist, möchte man lieber bei den Tänzern sein und draußen in frischer Luft gemeinsam mit Profis abtanzen, als unter Schirmen Champagner zu schlürfen und sich gegenseitig zu den Zahlen des letzten Geschäftsjahres zu beglückwünschen.

Text: Dominic Schafflinger

Fotos: Michael Yohanes,  Damian Holod, Raphael Mittendorfer,  yakoone, Karolina Miernik

Zu Flavourama

Ob ImPulsTanz mit Public Moves auch die nächsten Jahre wieder nach Salzburg kommen wird, ist noch nicht ganz fix, aber Farah Deen ist guter Dinge und wer bis dahin nicht genug von modernem Tanz bekommen kann, dem bleibt immer noch das Flavourama Festival, das übrigens auch von der erfolgreichen Tänzerin mitbegründet wurde.

Zu Flavourama
2024-07-12T14:10:19+02:00

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