„Ein innerer Motor treibt mich weiter“
Text: Viktor Hermann
Fotos: www.kaindl-hoenig.com
Waltraud Langer ist seit Anfang des Jahres Landesdirektorin des ORF Salzburg. Hier schließt sich der Kreis eines langen Karriere-Weges, der stets nach oben geführt hat. Im Interview erzählt sie, was ihr wichtig ist und wie sie das Landesstudio führen will.
Corona hat die Gesellschaft gespalten. Einzelne Medien nutzen das schamlos zur Profilierung, indem sie Coronaleugnern breite Publizität verleihen und wissenschaftliche Erkenntnisse anzweifeln. Wie muss sich ein öffentlicher Rundfunk im Diskurs mit Maßnahmengegnern positionieren?
Es ist ein sehr kleiner Teil der Gesellschaft, der versucht, möglichst laut zu sein, möglichst aggressiv zu sein. Davon darf man sich nicht beeindrucken lassen, denn ich weiß, dass das Publikum hinter uns steht. Das sehen wir an den Zuschauerzahlen bei den Nachrichtensendungen, welch hohe Glaubwürdigkeit wir haben. Am Anfang der Corona-Krise haben wir alle nicht gewusst, was heißt das Wort „Lockdown“, heute ist das in die Alltagssprache übergegangen. Wir mussten mit extremen Auswirkungen leben. Gerade in Zeiten der Krise sind die Österreicherinnen und Österreicher beim ORF, ob in der Ukraine-Krise, beim Hochwasser im Pinzgau oder in Hallein. Wir sind einfach Teil der kritischen Infrastruktur und genießen das Vertrauen der Menschen.
Bei der Flüchtlingskrise war das viel mehr gespalten. Auch Corona ist ein Thema geworden, zu dem es sehr unterschiedliche Zugänge und Überzeugungen gibt. Für mich das Wichtigste ist, dass wir alles daransetzen, die besten Experten und Expertinnen zu Rate zu ziehen und so zu berichten.
Frau Langer, Sie sind im Pinzgau aufgewachsen, in der Stadt Salzburg zur Schule gegangen, haben die ersten Schritte in den Journalismus in Zell am See gemacht und einen Sommer lang bei mir in der Innenpolitik der SN gearbeitet …
… das war noch in der Bergstraße. Es tut mir heute noch leid, dass das nicht mehr in der Bergstraße ist.
Sie sind dann nach Wien, nach Brüssel, und jetzt kommen Sie zurück nach Salzburg – in einer der wichtigsten und mächtigsten Positionen, die der Medienmarkt im Bundesland zu bieten hat. Wie fühlt sich das an?
Für mich ist das so, dass ich die Summe meiner Erfahrungen hier perfekt zusammenfassen kann. Ich war selbst so viele Jahre Journalistin, Reporterin, Korrespondentin, Moderatorin, habe die Pressestunde moderiert, eine Börsesendung etc. Ich war schon 20 Jahre Führungskraft, eine Zeit, in der man sehr viel erlebt und sich Gedanken darüber macht, wie kann man mit Menschen umgehen, wie bringt man sie dazu, Ziele zu erreichen. All das kann ich jetzt hier in dieser Position zusammenfassen. Darum ist das für mich sehr spannend. Für mich ist es schön, dass ich hier die Möglichkeit habe, Ideen und eigene Vorstellungen umzusetzen.
Das heißt, es schließt sich der Kreis eines Arbeitslebens. Sie waren immer beim selben Unternehmen, aber immer wieder in anderen Funktionen. Andere Leute wechseln alle fünf Jahre die Firma, Sie sind alle paar Jahre in eine neue Rolle geschlüpft.
Ja genau. Ich habe immer wieder geschaut, dass ich etwas Neues finde. Freilich war ich immerhin elf Jahre Hauptabteilungsleiterin Magazine, das war schon sehr lange und das war auch besonders spannend. Aber auch da war es so, dass ich dachte, es ist genug und ich möchte noch einmal etwas Neues machen. Und das ist auch jetzt sehr spannend für mich.
Sie haben also aktiv von sich aus Neues gesucht, oder sind die Dinge auf Sie zugekommen?
Ich bin immer wieder unruhig geworden, zum Beispiel wollte ich immer Korrespondentin werden – und das ist dann auch aufgegangen. Rückwärts gelesen war mein Leben ganz einfach.
Auf diese Weise bleibt es immer spannend, aber auch ziemlich anstrengend.
Jaja, es wird einem ja nichts geschenkt.
Woher beziehen Sie die Energie dafür?
Ich habe so einen inneren Motor, der mich immer wieder weitertreibt in neue Abenteuer hinein. Ich bin immer noch interessiert und fasziniert. Ich bin noch nicht fertig, habe ich den Eindruck und das musste jetzt einfach noch sein.
Vor fünf Jahren war schon einmal die Rede davon, dass Sie als Landesdirektorin nach Salzburg kommen könnten, damals sagten Sie: „Ich bin noch nicht so weit.“
Damals stand mein Sohn gerade vor der Matura und ich habe mir nicht vorstellen können, wie ich das privat hinbringen soll, ohne mein Familienleben zu stören, ich wollte meinem Sohn nicht einen Schulwechsel antun. Es war mir wichtig, dass ich auch auf die Familie schau.
Sie sind jetzt seit zwei Monaten hier, also recht kurze Zeit. Wie hat man Sie hier empfangen? Hier im Haus, aber auch in der Politik und Gesellschaft.
Ich muss sagen, alle sind sehr nett zu mir. Alle sind interessiert und sehr neugierig. Hier im Haus ist hilfreich, dass ich offenbar einen guten Ruf aus Wien mitgebracht habe. Aber auch extern ist man neugierig und sehr freundlich. Was besonders schön ist: Ich hatte ja bisher viele verschiedene Aufgabengebiete, Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft, Chronik, Konsumenten etc., aber zum ersten Mal darf ich auch für Kultur und Sport zuständig sein.
Salzburg ist ein Hort der Kultur: die „Hochkultur“ der diversen Festspiele, die reiche sogenannte Volkskultur und eine Unzahl von freien Kulturinitiativen. Wie schafft der ORF den Spagat zwischen diesen drei Polen?
Ich mag das, ich mag unterschiedliche Menschen. Der ORF Salzburg ist ja das Kulturlandesstudio, diese Marke möchte ich unbedingt beibehalten und eher noch ausbauen. Ich habe hohe Anerkennung für die Festspiele, aber ich war auch immer in Kontakt mit der Alternativszene. Und die Volkskultur kenne ich schon seit meinen Jugendtagen. Da gibt es keine Berührungsängste, ich tu mir da leicht, mit allen ins Gespräch zu kommen und mich auszutauschen. Freilich hat jeder seinen eigenen Geschmack, das grundsätzliche Interesse ist für alle da, die Qualität bieten.
Stellt sich das Leben hier im Landesstudio so dar, wie Sie es erwartet haben, gibt’s Überraschungen?
Das Schwierige ist die Corona-Zeit, dass alle Maske tragen, viele im Homeoffice arbeiten. Deshalb ist alles etwas reduziert. Ich habe in den nächsten Monaten eine Klausur vor, wir wollen wieder Sitzungen miteinander haben, sobald es möglich ist. Es soll wieder möglich sein, dass man einander wiedersieht, sich austauscht, vielleicht auch Konflikte austrägt. Überrascht hat mich nichts. Aber ich muss sagen, auch ich lerne wieder viel, es sind für mich viele Dinge neu, in die ich mich hineindenken muss, wo ich anfange, mich auszukennen. Das darf man nicht unterschätzen.
Sie haben eine Wunschbox aufgestellt, um Anregungen von Mitarbeitern zu sammeln. Was hat das gebracht?
Ich wollte eine Möglichkeit schaffen, Dinge loszuwerden, auch anonym. Manche haben das aber unter ihrem Namen geschrieben. Ich wollte gleich am Anfang spüren: Wo sind die schwierigen Themen im Haus, was muss ich gleich in Angriff nehmen, wo hole ich mein Team ab?
Der ORF ist immer wieder Ziel von Versuchen der politischen Einflussnahme. Ist Ihnen so etwas je passiert?
Ja, in Wien hat es über die Jahre immer wieder den Versuch gegeben, aber da bin ich sehr schnell einmal grantig. Bei mir hat niemand gern interveniert. Ich habe immer ausgestrahlt, dass man bei mir damit keinen Erfolg hat. Ich glaube, das kann man sich ein bisschen einrichten. Man hört sich gewisse Dinge an, aber geht halt damit um.
Und hier in Salzburg?
Nach meinem Gefühl ist es bisher relativ ruhig.
Im Vergleich mit anderen ist das Landesstudio Salzburg sehr unabhängig…
Ja, und das spricht ja auch für die Politik hier, für alle Parteien, und das ist etwas, woran ich auch nix ändern will.
Wie unterscheidet sich Ihr Führungsstil von dem jener, die Sie bisher als Chefs erlebt haben?
Ich habe immer aus negativen Dingen, die ich selbst erlebt habe, gelernt und versucht, das besser zu machen. Ich habe analysiert, weshalb manche Dinge für mich unangenehm waren, und beschlossen, es besser zu machen. Das heißt nicht, dass ich jeden Tag eine bessere Chefin bin, aber ich bemühe mich um einen guten Ton. Da lege ich großen Wert darauf.
Das Thema „Gleichheit für die Geschlechter“ muss uns erstaunlicherweise immer noch beschäftigen. Man möchte meinen, wir Männer hätten das längst akzeptiert. Fördern Sie gezielt Frauen? Gibt es dafür besondere Programme?
Ich war lange Zeit Mentorin im ORF, habe immer wieder junge Kolleginnen begleitet, ich bin auch in der Gleichstellungskommission, ich habe mich mit dem Thema viel beschäftigt. Ich habe auch das Gefühl, dass sich in der letzten Zeit viel verändert hat. In Salzburg sind ja viele Frauen in der Politik, auffallend viele. Und ich halte es für selbstverständlich, dass Frauen in jeder Funktion, in jeder Position Teil der Gesellschaft sind. Ich wüsste einfach nicht, weshalb es anders sein sollte.
Ich habe mir die Fotogalerie der ORF Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Netz angeschaut und sehe da viele Frauen.
Der Journalismus ist sehr weiblich geworden. Das hat sich krass verändert in den vergangenen Jahrzehnten. In Wien war es dann so, dass ich schon geschaut habe, auch wieder einen Mann ins Team zu bekommen, weil ich viel von Ausgewogenheit halte.
Was halten Sie vom Gendern in Nachrichten und Magazinen?
Ehrlich gesagt, hätten wir nicht gerade Ukraine und Corona als Krisen, dann wäre das Gendern ein Super-Aufreger-Thema, weil Sprache für uns alle sehr wichtig ist und das Thema Gendern halt viele Leute aufregt. Das ist ein wenig altersabhängig, je jünger, desto weniger regt es die Leute auf, je älter, umso mehr möchte man die Sprache so behalten, wie man sie kennt und leidet, wenn sie sich verändert. Allerdings verändert sich Sprache ja immer schon. Ich sehe das Thema sehr entspannt, weiß aber, dass es großes Potenzial für Aufregung birgt. Ich lasse da ein bisschen freie Hand. Die einen gendern gern, die anderen weniger. Es gibt da eine kleine Freiheit.
Kleine Freiheit, das ist sehr österreichisch.
Naja, man braucht einen gewissen Gewöhnungsprozess. Es wird sich über die Zeit einschleifen.
Heuer wird das Landesstudio von Gustav Peichl 50 Jahre alt. Gibt es da Feierlichkeiten?
Wir werden das am 21. Juli feiern, also genau am 50. Jahrestag der Eröffnung des Landesstudios. Es war das erste von mehreren Landesstudios, die Peichl geplant hat. Es wurde noch g‘schwind vor dem Beginn der Festspiele eröffnet. Ich freue mich wirklich, dass ich das feiern darf. Diese Landesstudios sind architektonische Landmarks geworden. Es ist freundlich, es hat Witz, es ist gute Architektur und ich fühle mich hier total wohl.
Und wie wird konkret gefeiert?
Da sind wir noch in der Planungsphase und versuchen alles Mögliche, aber das ist noch zu weit weg. Wir werden eine Doku machen, und wir werden Rückblick halten, wie war das damals. Wir wollen unbedingt einmal die Architektur in den Fokus stellen – denn das ist bisher nie passiert.
Ich bin ein großer Fan der Krimi-Serie „Die Toten von Salzburg“ und wundere mich, dass dort eine Unmöglichkeit vorkommt, nämlich eine Landtagspräsidentin, die sich in die Polizeiarbeit einmischt. Im ORF weiß man aber schon, dass das schon wegen der Gewaltenteilung nicht geht?
Aha, da werde ich meine Kollegin, die für den Salzburg-Krimi zuständig ist, darauf ansprechen.
Haben Sie jemals überlegt, was Sie gemacht hätten, wenn der Journalismus doch nicht ganz das Richtige gewesen wäre?
Schwierig, schwierig (nachdenklich). Ich hatte Angebote aus der Politik, als Pressesprecherin – von verschiedenen Parteien, sag ich gleich dazu –, dann hätte sich das Leben in eine andere Richtung entwickelt. Aber ich habe schon das Gefühl, dass ich das für mich Richtige gemacht habe.