Diabetes – rechtzeitig handeln

Diabetes wird nicht ohne Grund als Volkskrankheit bezeichnet, es betrifft mittlerweile die gesamte österreichische Gesellschaft: Jeder zehnte Erwachsene ist von Diabetes Mellitus Typ 2 betroffen.

Primar Martin Clodi, Präsident der ÖDG und Vorstand der Abteilung für Innere Medizin im Konventhospital Barmherzige Brüder Linz betont die hohe Relevanz des regelmäßigen Screenings und die fatale Wirkung von Zucker und Übergewicht auf Nieren und Herz sowie die wichtige Rolle des Gewichtsmanagements. Leider wird Diabetes in Österreich nach wie vor oftmals zu spät entdeckt, durchschnittlich um 6 Jahre zu spät. In dieser Zeit ohne Behandlung führt dies schon zu irreversiblen Schäden und einer deutlich geringeren Lebenserwartung. Durch Früherkennung und konsequente Behandlung ist aber ein längeres und gesünderes Leben möglich. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) empfiehlt daher ein regelmäßiges Screening ab einem Alter von 35 Jahren.

Diabetes trifft alle Altersklassen

Diabetes mellitus, auch Zuckerkrankheit genannt, ist eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen, die zu erhöhten Blutzuckerwerten führen. Das passiert, weil die Betroffenen entweder zu wenig vom Hormon Insulin haben oder ihr Körper nicht gut darauf reagiert. Es gibt zwei Hauptarten von Diabetes: Typ-1 und Typ-2. Typ-1 tritt meist bei Kindern und Jugendlichen auf und erfordert oft lebenslanges Spritzen von Insulin. Typ-2 entsteht durch eine verringerte Empfindlichkeit der Zellen auf Insulin und wird oft mit Übergewicht und Bewegungsmangel in Verbindung gebracht.

Warum ist Screening so wichtig?

Die Diagnose des Diabetes mellitus Typ 2 erfolgt in Österreich weiterhin zu spät, die aktuelle Verzögerung beträgt derzeit etwa 6 Jahre. Doktor Michael Resl, Erster Sekretär der ÖDG und Oberarzt in der Abteilung für Innere Medizin im Konventhospital Barmherzige Brüder Linz, dazu: „Zahlreiche Daten belegen klar, dass Screening, frühe Diagnose und zielgerichtete Therapie zum Erhalt der Lebensqualität und zur Reduktion der Sterblichkeit maßgeblich beitragen.“ Diese Erkenntnisse führen zu einem klaren Auftrag an alle Ärzte, ihre Risiko-Patienten regelmäßig auf Diabetes und Prädiabetes zu screenen, um Folgeschäden zu minimieren.

Der HbA1c-Wert

Der HbA1c-Wert ist ein Bluttest, der zeigt, wie gut der Blutzucker über etwa 2-3 Monate kontrolliert wurde. Er gibt an, wie viel Zucker sich an den roten Blutkörperchen gebunden hat. Ein höherer Wert zeigt an, dass der Blutzucker über einen längeren Zeitraum zu hoch war. Für Menschen mit Diabetes ist es wichtig, diesen Wert im Auge zu behalten, um ihre Blutzuckereinstellung zu überwachen und mögliche Komplikationen zu vermeiden. Ein niedriger HbA1c-Wert ist das Ziel, denn er zeigt an, dass der Blutzucker gut kontrolliert wird.

Wer sollte nun sein Diabetesrisiko bestimmen lassen?

Ab dem 35. Lebensjahr empfiehlt die ÖDG allen Menschen ihr Diabetes-Risiko anhand des HbA1c-Werts oder eines oralen Glukose-Toleranztests bestimmen zu lassen. Bei unauffälligen Resultaten sollte alle drei Jahre ein weiteres Screening erfolgen“, so Clodi. Bei positiver Familienanamnese, ab einem gewissen Alter und/oder bei einem hohen BMI (Body Mass Index) sollte der HbA1c-Wert routinemäßig bestimmt werden. Bei einem HbA1c-Wert von 5,7-6,4 % handelt es sich um (Prä-)Diabetes; hier sollte zusätzlich noch ein oraler Glukose-Toleranztest durchgeführt werden.

Bereits vor dem 35. Lebensjahr sollte bei Vorliegen folgender Risikokonstellationen eine Untersuchung mittels HbA1c erfolgen:

Wenn erstgradig Verwandte (Eltern, Geschwister) an Diabetes erkrankt sind

  • Bei Übergewicht
  • Bei körperlicher Inaktivität
  • Bei kardiovaskulärer Vorerkrankung
  • Bei Vorliegen eines metabolischen Syndroms
  • Bei Bluthochdruck
  • Bei Fettstoffwechselstörungen, vor allem bei einem niedrigen HDL-Wert
  • Wenn eine Fettlebererkrankung diagnostiziert wurde
  • Wenn Frauen bereits einen Schwangerschaftsdiabetes hatten
  • Bei Vorliegen eines polyzystischen Ovarialsyndroms
  • Bei chronischem Tabakkonsum

Eine hohe Anzahl an frühzeitigen Todesfällen könnte in Österreich durch Screening und konsequente Behandlung vermieden werden. Prof. Clodi erklärt: „Laut Statistik Austria sterben jährlich über 3.300 Personen an Diabetes. Diese Statistik ist jedoch leider unvollständig und viel zu niedrig angesetzt. Von zwei Diabetes mellitus Typ 2 Patienten bekommt einer im Lauf seines Lebens eine Herzinsuffizienz und gerade die Herzinsuffizienz ist viel zu oft für einen frühen Tod verantwortlich. Die Statistik Austria weist 31.403 Kardiovaskuläre Erkrankungen als Todesursachen auf. Davon können mehr als 18.000 in die Diabetes-Statistik inkludiert werden.“

Neue Therapieoptionen und besserer Herz- und Nierenschutz

Die Stoffwechselerkrankung Diabetes wirkt sich auf alle Organe des menschlichen Körpers aus. In besonderem Ausmaß betroffen sind das Herz und die Nieren. Denn hoher Blutzucker schädigt Herz und Nieren und schwache Nieren schädigen dann das Herz zusätzlich. Die Therapie hat sich somit über die Zeit stark gewandelt. In den neuen Leitlinien der ÖDG hat daher – zusätzlich zum Blutzucker – die multifaktorielle Therapie mit Beachtung aller Risikofaktoren (Cholesterin, Blutdruck, Blutzucker, …) an Bedeutung gewonnen und auch neuere Medikamente wie RAS Hemmer, Gerinnungshemmer, Statine und zuletzt PCSK9 Hemmer setzen hier an.

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Aktuell stehen Diabetesmedikamente zur Verfügung, die nicht nur den Blutzucker senken, sondern gleichzeitig auch günstige Auswirkungen auf Herz, Gefäßverkalkung oder Herzschwäche, und Nieren haben. „Jetzt stehen wir am Beginn der Therapie mit neuen Antidiabetika mit weiteren Zusatznutzen. Die Substanzklassen der SGLT2-Hemmer und GLP-1-Analoga haben im Management von Typ-2-Diabetes eine bessere Performance in den Outcome-Studien als bisherige Medikamente und sind in den Leitlinien nun ganz vorne positioniert. Neueste Studiendaten, etwa aus der aktuellen FLOW Studie belegen dies eindrucksvoll“, so Präsident Clodi. Resl ergänzt: „Diese Therapeutika führen erwiesenermaßen zu einer höheren Lebenserwartung und besserer Lebensqualität – jedoch nur, wenn eine Diabeteserkrankung rechtzeitig erkannt und konsequent behandelt wird.“

„Dadurch sind auch mehr Lebensjahre möglich, in denen man sich gesund fühlen kann und keine Beschwerden und Folgeerkrankungen hat“, so Clodi anschließend, „und das wäre auch wichtig, da die Zahl der „gesunden Lebensjahre“ in Österreich noch ausbaufähig ist.“ Nach Statistik Austria liegen die gesunden Lebensjahre (2019) bei 64,7 Jahren (weiblich) bzw. 63,1 Jahren (männlich). Das ist zirka im EU-Durchschnitt, liegt aber doch deutlich und einige Jahre hinter Spitzenreitern wie Italien – mit 68,5 gesunden Lebensjahren (weiblich) bzw. 67,7 (männlich) – aber auch deutlich z.B. hinter Schweden, Irland und Deutschland.

Aktiver Lebensstil ist entscheidend

„Bei allen Erkenntnissen, die die Erfolge der Früherkennung und rechtzeitiger Therapie belegen, darf nicht vergessen werden, dass der aktive Beitrag der Patienten zum Therapieerfolg entscheidend ist“, so Doktor Resl. Ein Bestandteil ist daher immer auch die Umstellung des Lebensstils in Richtung mehr Bewegung und gesünderer Ernährung. Denn mehr Muskelmasse und weniger Körperfett verhindern Hyperglykämien und tragen so zu einem gesünderen Leben bei – unabhängig davon, ob es sich um Prädiabetes oder Diabetes handelt. Professor Clodi ergänzt: „Das richtige Gewichtsmanagement ist entscheidend. Denn wenn das Gewicht steigt, steigt auch die Zahl der Fettzellen und diese produzieren toxische Substanzen mit negativen Auswirkungen auf das Herzkreislauf-System.“ Wichtig sind daher auch verstärkte externe Beratung zum Diabetes-Management etwa auch ein Ernährungs- und Bewegungscoaching, psychologische Unterstützung sowie ein korrektes Wundmanagement.

Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG)

Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) ist die ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft der österreichischen Diabetes-Experten. Ordentliche Mitglieder der Gesellschaft sind Ärzte und wissenschaftlich einschlägig orientierte Akademiker. Assoziierte Mitglieder sind Diabetesberater und Diätologen. Die Österreichische Diabetes Gesellschaft sieht es als ihre Aufgabe, die Gesundheit und Lebensqualität von Menschen mit Diabetes mellitus zu verbessern. Sie setzt sich daher für die Anliegen der Betroffenen ein. Sie fordert und fördert die stetige Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Diabetes mellitus. Sie unterstützt die Forschung und verbreitet wissenschaftliche Erkenntnisse aller den Diabetes berührenden Fachgebiete sowohl zur Verbesserung der medizinischen Betreuung als auch zur bestmöglichen Vorbeugung von Neuerkrankungen.

Informationen über die Aktivitäten der ÖDG finden Sie unter www.oedg.at

2024-02-02T09:58:45+01:00

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