Tanz auf dem Eis

Text: Natalie Zettl

Fotos: simonkr - istockphoto.com; Theresa Marka

Sie fliegen über das Eis, springen hoch in die Luft und drehen schwindelerregende Pirouetten: Eiskunstläufer begeistern ihre Zuschauer durch Koordination, Kraft – und einen Hauch von Magie.

Wenn man in den Genuss kommt, Eiskunstläufer in Aktion zu sehen, kann man gar nicht anders, als sich mitreißen zu lassen. Kaum ein Sport verbindet Kraft und Koordination besser mit der Möglichkeit, dem Zuschauer eine Geschichte zu erzählen.

Wie alles begann
Eiskunstlauf ist ein Sport mit langer Tradition: Bereits im Jahr 1814 fand der erste Wettkampf in Großbritannien statt – aus heutiger Sicht würde man den dort dargebotenen Sport jedoch eher als reines Eislaufen sehen, da noch keine Musik und auch kaum Tanzelemente darin vorkamen. Schnell breitete sich die Disziplin in ganz Europa und den USA aus und entwickelte sich zur heutigen Form weiter: kombiniert mit Musik und verschiedenen Ballettelementen. Frauen war das Eiskunstlaufen übrigens für lange Zeit verboten: Erst im Jahre 1902 erkämpfte sich Florence Madeline Syers als erste weibliche Teilnehmerin das Startrecht bei der Weltmeisterschaft in London. Sie belegte auf Anhieb den zweiten Platz und eroberte die Herzen der Zuschauer und Konkurrenten gleichermaßen: Der frischgebackene Weltmeister Ulrich Salchow war so empört darüber, dass „Madge“ Syers nicht gewonnen hatte, dass er ihr demonstrativ seinen Pokal überreichte.

Liaison von Kunst und Sport
Mehr als 200 Jahre nach seiner Geburtsstunde zeichnet sich Eiskunstlauf durch die kunstvolle Ausführung von Sprüngen, Pirouetten und Schritten aus. Zu den Sprüngen zählen unter anderem der Dreiersprung, Salchow, Toeloop, Rittberger und Axel. Sie können mit einfacher, doppelter, dreifacher und teilweise sogar vierfacher Drehung gesprungen werden. Dazu gibt es sogenannte Verbindungssprünge namens Spreizsprung, Euler, Oppacher, Walley und Jet Button.
Es existieren vier Arten von Eiskunstlauf: Damen-Einzellauf, Herren-Einzellauf, Paarlauf und Eistanzen. Teils werden auch Teamwettbewerbe sowie Synchroneiskunstlauf angeboten.
Eines ist allen gemeinsam: Sie bestechen durch die perfekte Liaison von Kunst und Sport. Wenn die Eiskunstläufer leichtfüßig übers Eis tanzen, neigt man als „fachunkundiger“ Zuschauer dazu, hauptsächlich den Kunstaspekt zu sehen – einfach aufgrund der beeindruckenden Optik. Doch weit gefehlt: Um Eiskunstlauf ausüben zu können, benötigt man viel Kraft, Balance und Körperbeherrschung. Profis verbringen neben ihren Einheiten auf dem Eis mehrere Stunden pro Tag im Fitnessstudio.

Europameisterschaft in Graz
2020 kam ein besonderes Highlight des internationalen Eiskunstlaufs nach Österreich: Ende Jänner fand die Europameisterschaft im Eiskunstlauf in Graz statt. Mehr als 150 hochkarätige Sportler kämpften an sechs spannenden Wettkampftagen um Stockerlplätze. Schlussendlich konnten die russischen Sportler mehr Medaillen vorweisen als alle anderen Nationalitäten. Doch auch Österreich kann sich über ein gutes Ergebnis im Paarlauf freuen: Der Salzburger Severin Kiefer und die Burgenländerin Miriam Ziegler wurden sechste. Als Lokalmatadore fuhren sie ihr damit bislang bestes EM-Ergebnis ein.


Miriam Ziegler und Severin Kiefer im Interview
Ihr habt in Graz eine herausragende Leistung abgeliefert. Seid ihr zufrieden?
Severin Kiefer: Nicht ganz. Unser Kurzprogramm ist sehr gut gelaufen, aber in der Kür haben wir einige Fehler gemacht, die nicht hätten sein müssen. Normalerweise sind wir in der Kür stärker, da hätte durchaus ein vierter Platz drin sein können.

Für euch war die EM ja quasi ein „Heimspiel“. Wie hat sich das angefühlt?
Miriam Ziegler: Das war so toll, dass wir erst einmal lernen mussten, damit umzugehen. Eine Gruppe von Unterstützern sind wir ja gewöhnt, aber dass uns die ganze Halle anfeuert – das war überwältigend.

Als ihr nach dem Kurzprogramm vom Eis gegangen seid, hat man euch die Erleichterung deutlich angesehen. Ist das immer so, wenn man dann fertig ist?
Severin Kiefer: Klar. Aber diesmal kam noch ein Faktor dazu: Wir haben sehr kurzfristig im Dezember noch unser Programm geändert und unsere Choreografie aus 2018 adaptiert. Das war natürlich eine Risikoentscheidung. Und in dem Moment, als wir vom Eis gingen, haben wir dann einfach gespürt, dass es die richtige war!

Ihr seid tatsächlich hauptberuflich Eiskunstläufer. Wann habt ihr mit diesem Sport angefangen?
Severin Kiefer: Ich habe angefangen, als ich vier Jahre alt war.
Miriam Ziegler: Ich auch. Zu Beginn hat mich meine Oma noch ins Training gefahren.

Und wie lang gibt es euch schon als Kombination?
Severin Kiefer: Seit mittlerweile sieben Jahren.

Trainiert ihr noch in Salzburg?
Miriam Ziegler: Nur manchmal, wenn wir hier sind – in der Eisarena und im ULSZ Rif. Eigentlich sind wir nach Berlin ausgewandert, weil dort die Infrastruktur für unseren Spitzensport einfach besser ist. Unter anderem dadurch, dass wir vom Österreichischen Bundesheer großartig gefördert werden, ist und bleibt unsere Homebase aber Österreich.

Apropos, an wie vielen Tagen pro Woche steht ihr auf dem Eis?
Miriam Ziegler: Wir trainieren an sechs Tagen die Woche – aber nicht nur auf dem Eis: Auch Kraft und Ausdauer müssen geschult werden.

Wie geht es jetzt, nach der EM, für euch weiter?
Severin Kiefer: Der nächste sportliche Meilenstein ist die Weltmeisterschaft in Montreal im März 2020. Wir trainieren auf eine Platzierung in den Top Ten hin. Ebenfalls schon im Blick haben wir die Olympischen Spiele 2022 in Peking. Daran wollen wir auf jeden Fall teilnehmen – und danach werden wir eine Entscheidung treffen: Geht es noch weiter oder hängen wir die Schlittschuhe an den Nagel und geben dem Leben eine neue Richtung?