Neuer Speiseplan für Planet Erde

Neuer Speiseplan für Planet Erde

Man stelle sich Folgendes vor: Es kommen nur Lebensmittel auf den Markt (und später auf den Teller), die unsere Umwelt und Ressourcen schonen, die fair produziert werden und zudem Abfall vermeiden. Eine Utopie? Das zunehmende Nachhaltigkeits-Bewusstsein führt zu spannenden Innovationen in der Lebensmittel-Branche und wird im aktuellen Food Report mit besonderem Fokus behandelt.

In den vergangenen Jahren haben Ernährungsstile und Diättrends wie Paleo, Keto oder Low Carb Schlagzeilen gemacht. All diese Ernährungsstile sind jedoch nicht mit nachhaltigen Gesichtspunkten vereinbar, weil vor allem exotische Pseudogetreide und viel Fleisch darin vorkommen. Besser geeignet für eine nachhaltige Ernährungsform sind eine flexitarische, vegetarische oder vegane Ernährung. Denn hier gilt: Je weniger Fleisch, desto nachhaltiger für unsere Umwelt. Aber warum ist das so? 

Die Grundsätze einer nachhaltigen Ernährung sind komplex und umfassen neben der Lebensmittelauswahl auch die Berücksichtigung von Produktionsbedingungen, Transport und Lagerung von Lebensmitteln sowie die Zubereitung von Speisen und die Restentsorgung. Denn Lebensmittel werden äußerst rohstoff-, personal- und energie-
intensiv produziert, in weiterer Folge über lange Strecken transportiert, gekühlt und verarbeitet. In westlichen Industrieländern geht man davon aus, dass sogar ein Viertel aller jährlich anfallenden Treibhausgas-Emissionen aus der Lebensmittelindustrie stammen. 

Ökologisch nachhaltig zu essen bedeutet somit, sich mit Mahlzeiten aus regionalen, saisonalen und fair produzierten Lebensmitteln mit geringem Verarbeitungsgrad zu ernähren. Diesen Kriterien entsprechen vor allem pflanzliche Lebensmittel mit geringer Auswirkung auf die Umwelt. Für die Haltung von Tieren werden hingegen Fläche, Futter, Wasser und Pflege benötigt – und diese Ressourcen beeinflussen die Treibhausgas-Emissionen massiv. Um anschaulich zu machen, von welchen Wassermengen man bei der Produktion von Fleisch ausgeht: Für ein Kilo Rindfleisch werden rund 16.000 Liter Wasser verbraucht, für ein Kilo Tomaten nur rund 180 Liter. Dies führt so weit, dass ein Großteil des indirekt genutzten Wassers von der Lebensmittelproduktion für die Tränkung von Tieren, Bewässerung von Pflanzen und Verarbeitung von Lebensmitteln verbraucht wird.

Mit dem Kochlöffel Gutes tun

11,2 Tonnen CO2-Emissionen verursacht laut Statistik jeder von uns im Jahr, klimaverträglich wäre ein Fußabdruck von einer Tonne. „Setzen Sie sich auf CO2-Diät“, rät Stiftung Warentest im 2022 publizierten Buch „Klimafreundlich essen mit der CO2-Challenge. Ernährung ändern – Klima schützen!“. Denn jedes Lebensmittel hinterlässt einen „Carbon Footprint“, wie man den CO2-Fußabdruck noch nennt. Wer durch sein Verhalten positiv auf diese Bilanz Einfluss nehmen möchte, kauft Lebensmittel mit möglichst kleinem Fußabdruck und verarbeitet diese auch emissionsarm, also energiesparend. 

Zur Veranschaulichung: Butter gilt laut einer Studie des Ifeu-Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (2020) mit einem CO2-Fußabdruck von 11,5 (kg CO2-Äq./kg Lebensmittel) als Klima-Killer Nr. 1, Käse hat im Durchschnitt einen CO2-Fußabdruck von 5,7. Ein Apfel aus der Region im Herbst weist einen CO2-Fußabdruck von 0,3 auf, eine Ananas (per Flugzeug) von 15,1. Rindfleisch schlägt sich mit einem CO2-Fußabdruck von 13,6 zu Buche, Geflügel- (5,5) und Schweinefleisch (4,6) haben eine etwas bessere Ökobilanz. Wenn es bei der Ernährung früher um Nährwerttabellen und Kalorien ging, werden aus Sicht der nachhaltigen Ernährung heute die Ökobilanz und der CO2-Fußabdruck herangezogen. Möchte man den Klimateller günstig füllen, sollte man demzufolge auf Rindfleisch, Ananas aus Costa Rica und Avocados aus Peru verzichten.

Im Zyklus der Natur

Frisch geerntetes Obst und Gemüse haben den höchsten Vitamin- und Nährstoffgehalt, ein besseres Argument gibt es wahrscheinlich nicht, warum regional, am besten frisch vom Feld oder vom Biobauern gekauft werden sollte. Dabei ist es gar nicht nötig, auf offizielle Bio-Siegel zu setzen. Gerade in ländlichen Gegenden lässt sich die lokale Landwirtschaft genug für ihre Kunden einfallen: von Biokisten, Hofläden, Gemeinschaftsgärten bis zu solidarischen Landwirtschaftsprojekten. Dieser Trend der Re-Regionalisierung wird im Food Report 2023 als „New Glocal“ bezeichnet und soll in Zeiten multipler Krisen zu mehr Resilienz und Nachhaltigkeit in der weltweiten Lebensmittelversorgung führen. Regionalisierung bedeutet aber ebenso eine wiedergewonnene Nähe zum Produkt, indem Begegnungsmöglichkeiten zum Produzenten und somit ein neues Vertrauensverhältnis geschaffen werden. Denn immer mehr Konsumenten möchten Nahrungsmittel in ihrer Herkunft, Verarbeitung und Qualität „erleben“ und nicht nur „verbrauchen“.

So essen Sie klima- und umweltfreundlich:

  • kaufe regional und saisonal
  • bevorzuge Bio-Lebensmittel
  • favorisiere Fair Trade
  • kurze Transportwege sparen CO2
  • vermeide Plastikverpackungen
  • koche energiesparend
  • aufessen statt wegwerfen
  • Verzicht auf Fleisch- und Milchprodukte
  • Verzicht auf unnötige Lebensmittel wie Süßigkeiten, Knabbereien

Wettlauf der Fleischalternativen

Wie der aktuelle Food Report 2023 zeigt, verliert Fleisch immer mehr die dominante Rolle in der Küche. Schmackhafte vegetarische und vegane Gerichte sind im Vormarsch und brechen damit die alten Strukturen im etablierten Ernährungssystem auf. Traditionelle Gerichte werden gerne vegan interpretiert, fleischlose Adaptionen unserer Leibspeisen rücken auf die Speisekarte. Dieser Trend wird als „Veganizing Recipes“ bezeichnet, indem bei traditionellen Gerichten auf veganisierte, (hoch-)verarbeitete Ersatzprodukte zurückgegriffen wird.

Neben „Fleisch“ aus Pflanzen, Pilzen, Insekten, Algen und mikrobieller Fermentation ist auch kultiviertes, aus tierischen Zellen gewonnenes Fleisch auf dem Vormarsch. Hühnchen-Alternativen aus Pflanzenprotein sind bereits in jedem Supermarkt anzutreffen, Insektenfleisch von Heuschrecken, Larven und Käfern erscheint uns noch exotisch, wird jedoch in Thailand an jeder Straßenecke verkauft und ist darüber hinaus sehr gesund. Die Krabbeltiere enthalten konzentrierte Proteine und sind eine gute Quelle für Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine und wichtige Mineralstoffe.

Bei Fleisch aus gezüchteten Stammzellen („cell-cultured food“) entnehmen Wissenschaftler Zellen aus dem Muskelgewebe von Tieren und isolieren diese unter Laborbedingungen, bis sie am Ende wieder zu Zellmassen verarbeitet werden. Allein die Vorstellung an Invitro-Fleisch lässt so manchen vor Entsetzen schaudern. Forschende der Universität Oxford schätzen jedoch, dass die Massenproduktion von Laborfleisch – ganz im Sinne von nachhaltiger Ernährung – bis zu 96 % weniger Treibhausgase erzeugen, bis zu 99 Prozent weniger landwirtschaftliche Fläche und bis zu 96 % weniger Wasser verbrauchen würde.

Checkliste für nachhaltige Lebensmittel:

  • Wie weit ist das Lebensmittel gereist?
  • Wie viele Ressourcen (Wasser, Futter, Energie) sind in das Lebensmittel geflossen?
  • Wurden beim Anbau Pestizide eingesetzt?

10. Food Report

Sollten Sie Lust bekommen haben, tiefer in diese identifizierten Trends der Food Branche einzutauchen, besorgen Sie sich den aktuellen Food Report, in dem die Trends und Entwicklungen aus der Lebensmittelbranche für das kommende Jahr beleuchtet werden. Federführend für diesen Report ist Food-Trend-Forscherin Hanni Rützler. Der Fokus dieser 10. Jubiläums-Ausgabe liegt auf Nachhaltigkeit und umfasst umweltbezogene, soziale und wirtschaftliche Trends. Somit liefert der Report verlässlich Denkanstöße, eröffnet Ausblicke und lässt Raum für Visionen.

Text: Susanne Rosenberger  Fotos: adobee.stock.com.stock.com

2023-03-27T09:01:37+02:00

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