„Ich habe mich sofort in diese Stadt verliebt“

Mit Anfang 20 verschlägt es Stelios Issaris von Athen nach Salzburg. Der Liebe wegen. Heute – mehr als 30 Jahre später – sind er als Person wie auch sein Lokal,
das legendäre „Saitensprung“ in der Steingasse nicht mehr aus Salzburg wegzudenken.
Text: Doris Thallinger
Fotos: www.kaindl-hoenig.com
Zum Video

Stelios Issaris (re.) mit seinem Mitarbeiter Ibi Elhalwany

Stelios, wer ab und zu nächtens in Salzburg unterwegs ist, kennt dich und das Saitensprung. Seit wann bist du schon in Salzburg?

Seit 1990, ich bin direkt aus Athen nach Salzburg gekommen. Die ersten viereinhalb Jahre war ich als Barchef angestellt, danach habe ich 1995 das Unternehmen übernommen. Und jetzt bin ich immer noch da!

Was hat dich damals nach Salzburg verschlagen?

Meine Ex-Frau ist aus Salzburg, wir haben uns in Griechenland kennengelernt, waren beide sehr jung und sehr verliebt. Sie ist dann nach Griechenland gekommen, wo wir ein paar Jahre gelebt haben, aber ich war damals schon jedes Jahr mindestens zwei, drei Mal in Salzburg. Ich habe mich sofort in diese Stadt verliebt. Und in den Way of Living in Salzburg. Diese Ruhe und Diskretion – das war genau meins.

In Athen hast du Sport studiert…

Ja, genau, ich habe Profi-Handball gespielt. Mit 18, 19 Jahren sogar in der griechischen Nationalmannschaft. Aber dann ist leider der finanzielle Druck zu groß geworden, wir haben damals als Sportler nicht viel Geld verdient und es war schwer, Sponsoren zu finden. Dass ich in der Gastronomie angefangen habe, war reiner Zufall. Anfangs wollte ich nur aushelfen. Und nun ist diese „Aushilfe“ schon seit über 30 Jahren hier.

Wie ist es dazu gekommen, dass du geblieben bist und das Saitensprung übernommen hast?

Das hat mich selbst überrascht. 1990, als ich hier angefangen habe, war ein junger Grieche hier noch etwas Exotisches. Aber diese Art von Gastronomie hat mir sehr imponiert, speziell dieses Lokal hier. Ich war sofort in diesen Beruf verliebt. Nicht in den Stress, aber in den Kontakt mit den Leuten. Ich bin eine sehr kommunikative Person. Ich habe gesagt, okay, probieren wir es – und ich hab es nie bereut.

Nachtgastronomie ist ja manchmal auch ein bisschen wie Leistungssport…

Ja, sie fordert ebenfalls sehr viel mentale Stärke. Das Leben in der Nachtgastronomie war und ist nicht immer einfach. Dieser Job verändert sehr viel, auch deinen Charakter und deine Einstellung. Mir war die Familie immer eine große Hilfe, um durchzuhalten.

Was ist das Schrägste, das Erinnerungswürdigste, das du in dieser Zeit erlebt hast?

Es gibt so viele Sachen! Das Lustigste – das war allerdings peinlich für mich: Ich habe als Kellner angefangen zu arbeiten und habe damals die Prominenz in Salzburg selbstverständlich nicht gekannt. Gleich zu Anfang habe ich jemanden bedient, der ein wenig – nicht böse, aber vielleicht ein bisschen arrogant zu mir war. Vielleicht aufgrund meiner fehlenden Deutschkenntnisse, vielleicht aufgrund meiner fehlenden Erfahrung in der Gastronomie. Ich hab dann zu meinem Chef gesagt: Da sitzt so ein lästiger, unfreundlicher Gast. Er hat ein Kapperl auf und es fehlt ihm ein Ohr! Mein Chef ist ganz bleich geworden: „Das ist der Niki Lauda!“ Das ist zwar mehr als 30 Jahre her und der Niki Lauda ist noch oft zu uns gekommen, er war ein super Mensch. Aber diese Geschichte ist mir hängen geblieben.

Was waren die großen Herausforderungen für dich?

Die fehlende Zeit für Freundschaften. Es ist sehr schwierig für einen Gastronomen, Freundschaften zu pflegen, speziell für uns Nachtgastronomen: Uns fehlen die Feiertage. Tage, an denen normalerweise alle Menschen feiern. Ich weiß nicht, was Silvester ist, ich arbeite seit 34 Jahren an Silvester. Ich weiß nicht, was Weihnachten ist. In den letzten 34 Jahren war ich vielleicht drei oder vier Mal am Heiligen Abend zuhause.

Und natürlich ist jeden Freitag, Samstag, wenn alle anderen frei haben, bei uns das Hauptgeschäft. Deswegen kannst du nicht so viele Freundschaften aufbauen. Du musst dir wieder Gastronomen suchen. Und der Kreis ist dann eher klein.

Wie hast du deine Arbeit mit dem Familienleben unter einen Hut gebracht?

Am Anfang war das sehr schwierig, ohne Frage. Aber nach so vielen Jahren – man gewöhnt sich daran. Ich habe viel Freizeit am Tag, was gut ist, denn ich habe dadurch sehr viel Zeit mit meinen Kindern verbringen können. Wenn ich aufgestanden bin, sind die Kinder gerade von der Schule zurückgekommen – und wenn ich zur Arbeit musste, sind sie ins Bett gegangen.

Wie alt sind deine Kinder heute?

Meine Tochter ist 40 und mein Sohn wird 32. Und ich bin stolzer Opa einer wunderhübschen 14-jährigen Enkeltochter, Emilia. Sie ist meine große Liebe, ich verwöhne sie sehr. Wir sehen uns mindestens ein, zwei Mal in der Woche.
Was waren bislang die größten Erfolge in deinem Leben?

Der größte Erfolg für mich ist die Akzeptanz der Menschen und der Respekt, den mir die Leute seit Jahrzehnten entgegenbringen, als Gastronom, aber auch als Privatperson, als Stelios. Das ist etwas, das du in Salzburg nicht leicht bekommst, das muss man ehrlich sagen. Salzburg ist ein schwieriges Pflaster, aber wenn du es schaffst, hast du es dir wirklich verdient. Diese Liebe, dieser Respekt – nicht nur von meinen Gästen, von den Menschen generell, das ist etwas, das mich immer sehr freut!

Für die Salzburger ist das Saitensprung untrennbar mit dir verbunden – denkst du dennoch bereits manchmal daran, etwas kürzer zu treten?

„Erschreckenderweise“ sind mein Geist und mein Kopf „fast“ jung geblieben. Mein Körper nicht (lacht). Ich bin 58 Jahre alt und spüre die Wehwehchen. Aber ich werde sicher für die nächsten fünf, sechs Jahre bleiben, vielleicht nicht so aktiv in der Arbeit drinnen, aber auf alle Fälle immer präsent. Ich bin der erste und der letzte in der Arbeit, das ist meine Regel seit über 30 Jahren.

Was möchtest du, wenn es einmal so weit ist, mit der gewonnenen Zeit anstellen?

Ich möchte, solange der Körper es schafft und selbstverständlich der Geist, weiter in der Gastronomie bleiben, vielleicht nicht in der Nachtgastronomie, sondern in der Tagesgastronomie, in einem Restaurant oder einer Bar. Zumindest möchte ich gern zwei, drei Tage die Woche noch in der Gastronomie arbeiten. So bleibe ich in Kontakt mit den Leuten.

Aber einmal abgesehen von Arbeiten – was machst du denn in deiner Freizeit?

Ich brauche sehr viel Zeit fürs Lokal, mit all den Vorbereitungen und vielem mehr. Ich bin jeden Tag von der Früh bis Nachmittag beschäftigt, denn ich mache alles selbst, vom Einkaufen bis zur Buchhaltung. Die Zeit, die bleibt, versuche ich, mit Freunden, meinem Freundeskreis zu verbringen. Sehr viel Zeit widme ich natürlich auch der Familie, speziell meiner Enkelin und meiner Lebenspartnerin.

Und langsam, ganz langsam möchte ich wieder meine Hobbys aufnehmen, mich dem Sport widmen. Ich liebe es, mit kleinen Kindern zu arbeiten, vom Kindergartenalter an, bis sie sieben, acht Jahre alt sind, um mit ihnen die ersten Schritte im Sport zu gehen, sie positiv zu beeinflussen, Sport zu machen. Ein sehr guter Freund von mir ist Basketball Trainer – der könnte mir helfen, hier etwas aufzubauen.

Hast du noch andere Hobbys?

Ja, Musik und gutes Essen!

Als gebürtiger Grieche, der schon so lange in Österreich lebt: Was ist für dich typisch griechisch, was typisch österreichisch?

Typisch griechische Mentalität ist es, sich leicht aufzuregen, aber auch leicht wieder runterzukommen. Typisch österreichisch oder besser typisch salzburgerisch ist es, in gewissen Situationen sehr cool zu sein, sich eben nicht aufzuregen. Und die Ordnung. Diese Ordnung, die in Österreich herrscht, speziell in Salzburg, hat mich von Anfang an fasziniert. Es sind oft nur Kleinigkeiten, wie die sauberen Straßen, niemand wirft etwas einfach so weg. Die Stadt zu respektieren, den Müll nicht einfach wegzuschmeißen, das ist ganz anders als im Süden.

Was empfindest du mehr als deine Heimat?

Absolut Salzburg! Ich fühle mich viel mehr als Salzburger als als Grieche. Wenn ich in Griechenland auf Urlaub bin, fühle ich mich wie ein Tourist. Ich fliege immer mit der Austrian Airlines – sobald ich in den Flieger steige und den Donauwalzer höre, freue ich mich: Ich fliege nach Hause.

Meine Mutter ist nicht ganz einverstanden damit, aber ich habe gesagt, „Mama, ich bin mit 23 Jahren hierhergekommen, ich habe hier das Bundesheer gemacht, meine Freunde hier. Griechenland ist wunderschön, traumhaft, aber für mich nur als Urlaubsland.“

Wenn du in Salzburg an der Macht wärst, was würdest du verändern oder verbessern wollen?
Was mich sehr, sehr stört, aber das ist eine Problematik, die nicht nur Salzburg, sondern ganz Österreich betrifft: Die Versorgung der alten Menschen. Ich finde es sehr unwürdig, dass es in Österreich, in einem sicheren und relativ reichen Land, nicht genügend Pflegeplätze und Pflegekräfte für alte Leute gibt.

Es darf nicht sein, dass jemand, der 40 oder 50 Jahre lang gearbeitet hat, der viel mehr durchgemacht hat als wir – vielleicht einen Krieg oder das Leben in einem zerstörten Land – jemand, der nach dem Krieg das Land wiederaufgebaut hat, heute wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt wird. Diesen Menschen mit Respekt zu begegnen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit! Dieselbe Problematik gibt es in Griechenland – aber dort gibt es etwas anderes: Familie! Es ist ganz normal, dass jemand von der Familie „sich opfert“ und zuhause bleibt, um alte Verwandte zu versorgen. Bei uns geht das nicht – darum muss der Staat dafür sorgen.

Wofür bist du dankbar im Leben?

Heute muss ich sagen, dafür, dass ich noch gesund bin. Ich habe leider meinen Vater verloren, als er erst 50 Jahre alt war und ich bin dankbar, dass ich und die Menschen, die ich liebe, gesund sind. Alles andere ist machbar. Man muss jeden Tag genießen, du weißt nicht, was morgen kommt. Danke, lieber Gott, liebes Universum, dass ich immer noch da sein darf.

Was fehlt dir noch zum Glück? Was wünschst du dir für die Zukunft?

Für die Zukunft wünsche ich mir, dass dieser Imperialismus, dieser Fanatismus für Macht aufhört oder zumindest weniger wird. Ich wünsche mir weniger Kriege, weniger Leiden und weniger Unsicherheit. Und ich wünsche mir selbstverständlich, dass unsere Kinder eine bessere Zukunft haben werden, als es derzeit ausschaut. Die Umwelt ist ein ganz wichtiges Thema. Unsere Generation wird den Umweltschaden, den wir verursachen, nicht mehr spüren. Aber die nächsten Generationen werden es so richtig zu spüren bekommen. Darum wünsche ich mir mehr Bewusstsein für die Umwelt. Und, dass die Menschen wieder ein bisschen menschlicher werden!

Und was wünschst du dir für dich persönlich?

Dass ich, solange ich lebe – und ich wünsche mir schon noch ein paar Jahre zu leben – ein psychisch ruhiges Leben habe. Körperliche Wehwehchen und Stress… das ist ganz normal, aber die Psyche ist besonders wichtig. Wenn die Psyche krank ist, kannst du nichts mehr genießen. Darum wünsche ich mir, dass ich die Zeit mit den Menschen, die ich liebe, genießen kann.

2024-03-20T13:37:04+01:00

Teile diesen Beitrag

Nach oben