Stadt voller Geheimnisse

Text: Doris Thallinger

Fotos: www.kaindl-hoenig.com, SLT Plangwallner, Luigi Caputo, ©Glaser - stock.adobe.com, SLT

Salzburg ist eine Stadt voller Sehenswürdigkeiten, voller Orte mit geschichtsträchtiger Bedeutung, außerordentlicher Architektur und Heimat großer Kunst und Kultur. Was die Mozart- und Festspielstadt jedoch auch abseits der weltweit bekannten Sehenswürdigkeiten zu bieten hat, zeigt unsere Stadttour der besonderen Art.

Die Sonne lacht vom Himmel, zeichnet die Stadt in einem fast goldenen Licht. Der Sommer ist angekommen in Salzburg und mit ihm das rege Treiben. Einheimische wie Gäste aus aller Welt, die ersten Festspielbesucher tummeln sich in den Straßen und Gässchen, alle genießen das Flair des Besonderen. Besonderes steht auch auf unserem Tagesprogramm – als eingefleischte Salzburger wollen wir den Geheimnissen unserer Stadt auf den Grund gehen, neue Plätze erkunden und uns wieder einmal überraschen lassen von den Schönheiten dieser Stadt, den noch unentdeckten Sehenswürdigkeiten und geheimen Kleinoden.

Vor dem Festspielhaus erwartet uns bereits Astrid Zehentmayer, die es sich mit „Salzburg for you“ zur Aufgabe gemacht hat, Gäste, aber ebenso Einheimische immer wieder mit neuen Entdeckungen zu überraschen. Unser erster Weg führt uns in die Getreidegasse, zu Mozarts Geburtshaus. Zugegeben, wer das nicht kennt, hat wohl noch nie von Salzburg gehört. Jedoch begeben wir uns heute nicht auf die Spuren des Musikgenies, sondern beschäftigen uns mit der Historie und vor allem der Architektur des wohl bekanntesten Hauses der Stadt.

Weltweit berühmt liefert vor allem die Architektur des ehemaligen „Hagenauerhauses“ Einblicke in die bewegte Geschichte der Getreidegasse.

Ungelöste Rätsel der Architektur
Das Hagenauerhaus hat unter wechselnden Besitzern etliche Um- und Anbauten erlebt, die Kunde geben über das frühere Leben in der Getreidegasse. Schon die Fassade birgt viele Details, wie die Klingelzüge, die Türgriffe in Form von Löwe und Äskulapnatter, die auf einen Apotheker als früheren Besitzer schließen lassen. Über dem Portal prangt das Bildnis einer Dame – bis heute weiß man nicht, um wen es sich dabei handelt, bei den Salzburgern ist sie bekannt als „Schleiher Weiberl“. „Was das Haus so interessant macht, sind die vielen Geheimnisse, die Details, die auch nach langer Recherche noch nicht entschlüsselt sind“, schwärmt Maria Erker von den Mozart-Museen: „Vieles fällt erst auf, wenn man bewusst Ausschau hält.“

Wer genau schaut, entdeckt immer wieder neue Details.

Die Architekturführung beginnt im Erdgeschoß, das früher Geschäfte und Kontoren beherbergte. Schon hier wird ersichtlich, dass das Haus schon lange vor Mozarts Zeit erbaut wurde und Anfang des 18. Jahrhunderts barockisiert, sozusagen „aufgepeppt“ wurde. Zu dieser Zeit hat die Kaufmannsfamilie Hagenauer – gekannt als Vermieter der Familie Mozart – das Haus erworben. Historisch belegt ist in dieser Zeit ein „Verkaufsstübchen“, eine kleine, feine Spezerei. Beachtlich hier auch der Boden: Um die Geräuschkulisse gering zu halten, wurden im Erdgeschoß Holzblöcke in den Boden gerammt, die im Laufe der Zeit durch den ständigen Druck hart wie Stein wurden. Immerhin war der heutige Eingangsbereich zu früheren Zeiten die Durchfahrt für Kutschen in den Innenhof.

In den weiteren Stockwerken wird gut ersichtlich, wie sich das Bauwerk im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Vorder- und Hinterhaus wurden verbunden – mit Arkaden und Rundbögen, die italienisches Flair vermitteln. Auffällig beim Blick in den Innenhof: der historische Lastenaufzug, der davon zeugt, dass die Getreidegasse von jeher ein Ort des Produzierens und des Handels war. Detail am Rande: dieser Lastenaufzug wird auch heute noch genutzt!

Auch Künstler und Lehrer haben sich gerne in der Getreidegasse wohnlich niedergelassen. Von besonderem gesellschaftlichem Status zeugten die Wohnungen im 2. bzw. 3. Stock. Auffällig in den Gängen die schwarzen Ofenklappen: Jedes der Zimmer verfügte über einen eigenen Kamin, der von den Gängen aus beheizt wurde, um Schmutz in den Wohnungen zu vermeiden.
Wohinter auch die Kunsthistoriker noch nicht gekommen sind: In den Gängen sind immer wieder massive Eisenringe in den Decken zu finden. „Darum ranken sich viele Geschichten – eventuell dienten diese Ringe zur Lagerung von Lebensmitteln, zur Befestigung von Fackeln oder aber, und das wäre plausibel, dass hier Kübel und Säcke mit Sand angebracht waren, um im Falle eines Brandes rasch löschen zu können“, erläutert Maria Erker.

Das 4. und 5. Obergeschoß der bürgerlichen Häuser beheimateten, da oft dunkel und niedrig, die Dienstboten der Bewohner. Im Hagenauerhaus ist auch hier eine Besonderheit zu finden: Ursprünglich war der 4. Stock Lagerfläche, erst im 19. Jahrhundert wurde eine Zwischendecke eingezogen und damit ein fünftes Stockwerk geschaffen. Den Abschluss der Architekturführung bildet die kleine, feine Dachterrasse, die gute Einblicke in die verwinkelten Gänge, Arkadenbauten und Innenhöfe der Getreidegasse bietet. „Uns ist es auch wichtig, Bewusstsein zu erwecken für die spannende Geschichte der Getreidegasse!“, schließt Maria Erker.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Geschichtsträchtige Getreidegasse
Charakteristisch für die Getreidegasse sind ihre Durchhäuser, sprich die Häuser mit öffentlichem Durchgang. 17 sind es an der Zahl, eines der bekanntesten durchqueren wir am Weg zu unserer nächsten Station, das Schatz-Durchhaus. „In den zahlreichen Durchhäusern empfiehlt es sich, einmal innezuhalten, die historischen Innenhöfe bewusst wahrzunehmen und den Blick auch einmal nach oben, in die alten Gewölbe zu richten“, empfiehlt Astrid Zehentmayer. So entdecken wir unter anderem – neben dem bekannten Hai und der Walfischrippe – ein Schild, das auf August Bebel hinweist. Der Mitbegründer der deutschen Sozialdemokratie machte auf seiner Gesellenwanderung von 1859 bis 1860 in Salzburg Halt.

Am Weg zur Erzbischöflichen Residenz biegen wir nun links ab und streifen das Geburtshaus der Salome Alt, der langjährigen Lebensgefährtin Wolf Dietrich von Raitenaus und Mutter seiner 15 Kinder. So gelangen wir in die Sigmund-Haffner-Gasse, von der aus wir den Toskanatrakt der Alten Residenz betreten.

Salzburgs Galerie der Landkarten
Heute ist hier die Juridische Fakultät der Universität Salzburg untergebracht. Bei Umbauarbeiten für diese stieß man auf tatsächliche kunsthistorische Schätze, insbesondere auf die „Landkartengalerie“, die Wolf Dietrich von Raitenau als kleine Kopie der Galerie der Landkarten in den Vatikanischen Museen anfertigen ließ. Auf rund 90 m² Wandmalerei sind 22 kartographische Darstellungen von Germanien, den britischen Inseln, Sizilien, dem türkischen Großreich, Teile der Großreiche der Antike u.v.m. zu bestaunen. Über den Landkarten zeigen Auszugsarbeiten einzelne Landschaften oder aber die Menschen in ihrer landesüblichen Bekleidung. Die Landkartengalerie ziert den Lesesaal der Fakultätsbibliothek für Rechtswissenschaften und kann nur nach Voranmeldung bei der Leitung der Fakultätsbibliothek besucht werden. (www.uni-salzburg.at/fbr)

Das Deckenfresko der Sala Terrena im manieristischen Stil.

Nach dem Vorbild in den Vatikanischen Museen: die Landkartengalerie im Toskanatrakt.

Nach einem kurzen Blick aus dem Fenster auf den Tomaselli-Kiosk, wo früher übrigens ein Rindermarkt war, gelangen wir durch die beeindruckende Sala Terrena (ein Blick nach oben lohnt sich) in den Innenhof zwischen Toskanatrakt und Franziskanerkirche. Hier findet sich ein letzter Rest der ehemaligen Dietrichsruh, eines Lustgartens und Wohnstätte der Salome Alt (mit eigenem Zugang zur Franziskanerkirche). Noch heute finden sich Dokumente mit Beschreibungen dieses einmaligen Gartens als „Oase“ mitten in Salzburg. Ende des 18. Jahrhunderts bereitete der letzte Fürsterzbischof, Hieronymus Graf Colloredo, dem Lustwandeln ein Ende. Sein Plan war es, ein Mausoleum zu errichten – selbst die Franziskanerkirche sollte zugunsten seiner Pläne weichen. Dass es dazu nicht mehr gekommen ist, ist dem Umstand zu „verdanken“, dass um 1800 bereits die ersten französischen Truppen im Anmarsch waren. Als letzter Rest zeugt die „Steinerne Verlegenheit“ von Colloredos Umbau-Wut.

Symbol der Weltoffenheit
Zwischen den altehrwürdigen Mauern der Residenz und der Franziskanerkirche hat auch die moderne Kunst ihren Platz gefunden. Im Rahmen des Kunstprojekts „Walk of Modern Art“ der Salzburg Foundation schuf der katalanische Künstler Jaume Plensa die „Awilda“. Der fünf Meter hohe Kopf eines Mädchens aus Santa Domingo besteht aus 20 einzelnen marmornen Plattenelementen und steht als Zeichen der Humanität, der Integration und Weltoffenheit. Besondere Wirkung entfaltet die Awilda durch die Beleuchtung in den Nachtstunden.

Moderne Kunst zwischen altehrwürdigen Mauern.


Bewegte Kirchengeschichte
Noch bevor wir die Franziskanerkirche betreten, weist uns Astrid Zehentmayer auf die Schwurhand rechts des Eingangs hin – als Symbol für Kirchenasyl, dem Schutz vor weltlichen Gerichten. Auch über die Geschichte einer der ältesten Kirchen Salzburgs gibt es viel zu erzählen: Als große Besonderheit gilt das 1606 von Wolf Dietrich von Raitenau erbaute seitliche Oratorium, das wie ein Renaissance Palazzo deutlich hervorsticht. Im obersten Stockwerk befand sich die Gebetskapelle Wolf Dietrichs, darunter wohnten Salome Alt und ihre Kinder den Gottesdiensten bei.

Insgesamt fasziniert die Franziskanerkirche mit einem wilden „Stilmix“ aus romanischem Langhaus, gotischem Hallenchor und barockem Hochaltar. Die neun Chorkapellen vermitteln einen anschaulichen Eindruck der Architektur im Laufe der Zeit – von der Renaissance bis zum Hochbarock ist hier jeder Altar einem anderen Heiligen gewidmet.

Wolf Dietrich von Raitenaus Oratorium in der Franziskanerkirche

Nicht nur für Einsiedler
Auch unser weiterer Pfad führt uns auf geheiligten Boden in die Erzabtei St. Peter, dem ältesten Benediktiner-Kloster im deutschsprachigen Raum. „In vielen Klöstern ist es möglich, deren Besonderheiten zu besichtigen, wenn man höflich anfragt und einer der Padres Zeit hat“, empfiehlt Astrid Zehentmayer, „man muss nur wissen, an wen man sich wenden muss.“ Wir jedoch begeben uns schnurstracks über den idyllisch angelegten St. Peter Friedhof zu den Katakomben. Richtigerweise hieß die in den Mönchsberg gehauene Anlage ursprünglich „Eremitorium“, da hier zu keiner Zeit Grabstätten waren, sondern vielmehr Rückzugskapellen als Einsiedeleien. Zu den beiden Kapellen, der Gertraudenkapelle und der Maximuskapelle führt eine steile Treppe, die Reste alter Fresken, die in den Fels geschlagenen Rundbogennischen und Tonaltäre belohnen den Aufstieg definitiv! Auf halber Höhe zwischen den beiden Kapellen sei geraten, kurz auf der Aussichtsplattform innezuhalten und den Blick über den Friedhof mit der Margarethenkapelle und auf den Salzburger Dom zu genießen.

Der Ton-Altar in der Maximus-Kapelle
Der hölzerne Glockenturm erinnert an die frühere Nutzung als Einsiedelei.

Salzburgs Stadtberge und Stadtgärten

Salzburg ist Stadt der Kultur, der Musik, der Kunst, der Kirchen und auch Stadt der Wissenschaft. Darüber hinaus aber ist Salzburg eine Stadt der Natur – mit einem beachtlich hohen Waldanteil von 11 Prozent und einem sehr vielfältigen Naturraum. Vor allem die Stadtberge und Stadtgärten prägen ihr Erscheinungsbild. Der Salzburger Botaniker und Zoologe Richard Medicus stellt in seinem heuer erschienenen Buch „Salzburgs Stadtberge und Stadtgärten“ vor allem die weniger bekannten Parks und Gärten ins Zentrum sowie die entdeckenswerten Fleckchen auf den Stadtbergen – völlig abseits der touristischen Hot Spots! Mit zahlreichen Fotos, Übersichtsplänen und Grafiken nimmt er die Leser mit auf eine kultur- und naturhistorische Entdeckungsreise, beginnend vom Nonn- und Festungsberg über die Salzburger Stadtberge Mönchsberg, Kapuzinerberg, Bürglstein, Morzger Hügel und Hellbrunner Berg zu den historischen Stadtgärten Hellbrunn, Altenau-Mirabell, Kurgarten, Leopoldskron, Furtwänglergarten und den Aigner Park.