Zusammen scheitert man leichter
Ihr erstes gemeinsames Bühnenstück „Das Restaurant“ ist über Monate hinweg restlos ausverkauft, das Publikum liebt es, Manuel Rubey und Simon Schwarz bei ihrem Scheitern zu beobachten.
So auch Anfang März, als die beiden Schauspieler und besten Freunde zwischen zwei (selbstverständlich ausverkauften) Auftritten in der ARGEkultur mit der SALZBURGERIN über Scheitern und Vorankommen, ausverkaufte Shows und risikoreiche Auftritte ohne Netz, über Bühne und Podcast und über ihre Freundschaft sprechen.
Text: Doris Thallinger
Fotos: www.kaindl-hoenig.com, Ernesto Gelles
Ihr kommt gerade von eurem ersten Auftritt nach einem Monat „Restaurant“-Pause. Wie habt ihr den Februar verbracht? Getrennt voneinander?
Simon Schwarz: Ja, teilweise, aber nicht den ganzen Februar.
Manuel Rubey: Es war eine so lange Trennung, wie schon lange nicht mehr.
Simon, du hast in der Zwischenzeit einen Film gedreht?
S: Der Film ist noch nicht fertig gedreht, ich bin gerade dabei. Ein österreichisch-slowakisch-deutscher Kinofilm.
Manuel, du wolltest in der Zwischenzeit zum Schreiben nach Triest?
M: Das hatte ich vor, aber dann aus Antriebslosigkeit nicht gemacht. Ich war in Berlin und habe wirklich seit langer Zeit wieder mal fast drei Wochen frei gehabt. Das war auch mal spannend.
S: Aber wir haben schon besprochen, das wird in Zukunft nicht mehr vorkommen.
Nun geht es intensiv weiter, Termine sind bis April 2025 fixiert, ausverkauft bis in den Herbst hinein, teilweise zwei Auftritte an einem Tag. Wie geht es euch bei diesem Gedanken daran?
S: Gut! Und wir arbeiten daran, dass es so bleibt. Wir sitzen nach jeder Vorstellung da und überlegen, was machen wir beim nächsten Mal besser? Wir lieben die Abwechslung, wir lieben es, nach vorne zu kommen, wir lieben es zu sagen: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
Was hat euch zu „Das Restaurant“ inspiriert? Wie ist die Idee dazu entstanden?
M: Wir hatten noch viele andere Ideen und tatsächlich war es, wie so oft, relativ banal: Du hast einen Premierentermin und dafür musst du einen Titel und einen Pressetext liefern. Wir hatten gerade die Idee: Was würden wir denn machen, wenn’s mit der Schauspielerei nicht mehr klappt? Dann bleibt dir nicht viel übrig. Herzchirurgen werden wir keine mehr. Und dann gibt es die verwerfliche Idee und die Hybris zu sagen: Ein Restaurant könnten wir eröffnen. Könnten wir natürlich NICHT! Aber wir fanden die Idee spannend, dem Gedanken weiter nachzugehen. Und es war klar, dass wir scheitern. Scheitern ist auch interessant, die Menschen sehen gerne, wenn andere scheitern. Ich finde, das Schöne am gemeinsamen Schreiben ist, dass, wenn man sich entschieden hat, sich die Geschichte schon findet. Es hätte auch eine Geschichte über Raumfahrt werden können, so ist es halt eine Geschichte über ein Restaurant geworden.
Was empfindet ihr als euer Scheitern bisher im Leben?
M: Wie viel Zeit haben wir?
S: Scheitern ist tatsächlich ein wichtiger Teil, um vorwärtszukommen. Scheitern ist ein Motor. Ein berühmter Bergsteiger hat einmal gesagt, nicht die Gipfel, die er erklommen hat, haben ihn vorwärtsgebracht, sondern immer die, die er nicht geschafft hat. Das Scheitern ist es, was dich schlussendlich stark macht. Es ist wahnsinnig wichtig, mit Niederlagen umgehen zu können, um reflektiert zu bleiben und wachsen zu können. Dass man reflektieren kann, ist etwas, was uns Menschen von allen anderen Lebewesen unterscheidet. Das heißt, leider nicht alle, aber eigentlich haben wir in der Veranlagung, dass wir reflektieren können, unser Gehirn könnte das. Dass es viele Menschen nicht tun, ist wieder ein anderes Thema.
M: Ich habe das Gefühl, dass ich viel öfter gescheitert bin, als dass mir etwas gelungen ist. Ich kann nicht über andere Berufe sprechen, aber in unserem müssen wir uns damit einrichten. Es wird immer mehr Absagen und Niederlagen geben als Zusagen, das bringt das System mit sich. Bei jedem Casting ist die Wahrscheinlichkeit gering, die Rolle zu bekommen. Das heißt, die Niederlagen werden nicht weniger, sondern mehr. Deswegen ist es der große Trick – und dann ist es vielleicht doch ein Gelingen in all dem Scheitern – wenn man Wege findet, mit einer Heiterkeit und Fröhlichkeit durchzugehen. Und es hilft, finde ich, wenn man dies mit Menschen tut, die man sehr mag.
S: Da scheitert man leichter. Es gab auch heute bei der Vorstellung Stellen, an denen wir gescheitert sind. Das tun wir ständig, das ist Teil von uns und damit muss man lernen, zurechtzukommen.
M: Ich habe Teenager-Kinder zuhause, es passieren keine drei Schritte, ohne dass ich scheitere.
„Das Restaurant“ war in kürzester Zeit ausverkauft, Zusatztermine folgten… die Kritiker loben euch in den Himmel. Wächst dadurch der Druck, bei nächsten Projekten alleine ebenso erfolgreich zu sein?
S: Man muss ja prinzipiell nicht wieder was alleine machen. Es steht nirgends geschrieben und ist gesetzlich nicht vorgegeben, dass man nach einem Doppelprogramm wieder alleine arbeiten muss.
Es wird künftig also mehr von euch gemeinsam geben?
S: Es wird noch einiges von uns zusammen geben! Verschiedenstes: Wir machen ja unseren Podcast, den darf man nicht vergessen! Das Nächste, das sozusagen „on air“ geht, ist unser Live-Podcast: Jeder Auftritt ist ein Einzelstück, ein jeder wird anders sein. Das ist Improvisation pur, fast zwei Stunden durchgehend. Da erlebt man uns zwei Stunden ohne Netz. Das ist wirklich ein Risiko. Daran kann man tatsächlich scheitern.
Und das Publikum kann live zuschauen!
S: Das ist etwas Besonderes, denn, wer macht schon so etwas. Es machen natürlich einige einen Live-Podcast, die sind aber redaktionell wahnsinnig gut vorbereitet. Wir bereiten uns auch vor, aber wir sind keine Journalisten, wir reden über keine aktuellen Themen und wir haben auch keinen Crime-Podcast, für den wir uns einen Fall recherchieren. Wir müssen uns irgendetwas zusammenschustern und das muss unterhaltsam sein. Ich finde, es ist schon ein Risiko. Da können wir wirklich auf die Goschn fallen. Wenn die Leute sagen, für die zwei Trottel hab ich Geld ausgegeben, war das fad! Dann ist es ganz schnell vorbei mit den ausverkauften Terminen.
Wie wirkt sich die derzeit so enge Zusammenarbeit auf eure Freundschaft aus?
M: Ich glaube, es ist ein Glücksfall und auch ein Vorteil des Älterwerdens, dass man stilsicherer wird in der Partner-Wahl. Ich habe immer versucht, mit Menschen, die ich auch mochte, zusammenzuarbeiten. Ich möchte da auch keinen Vergleich ziehen, aber ja, es hat eine Form von Friktionsfreiheit… Ich kann mich wirklich an keinen Konflikt erinnern. Ich kann mir auch fast keinen ausmalen und das ist schon sehr angenehm. Es wird eigentlich immer schöner.
S: Wir können unterschiedlicher Meinung sein und dann hören wir uns gegenseitig unsere Argumente an, man entscheidet sich und es ist gut.
Was habt ihr gemeinsam und was unterscheidet euch?
M: Gewisse Werte haben wir gemeinsam, ganz klassisch, was wichtig ist im Leben: Respekt, Feminismus. Fragen, die gesellschaftspolitisch vielleicht wichtig sind. Da sind wir uns, ohne dass wir groß darüber reden müssen, total einig.
S: Das hört man glaub ich, auch im Podcast immer wieder raus.
M: Es gibt aber auch total viele Unterschiede. Ich bin wahrscheinlich eher derjenige, der zwei Schritte zurückgeht und sich eine Situation erst einmal aus der Ferne anschaut; du Simon, gehst mitten rein.
S: Ich lauf mitten rein und schau drinnen, was ich machen kann. Schauen wir mal, was passiert, wenn wir im Tumult sind. Kann man den von innen sprengen? Auch, wenn wir in einer Fußgängerzone oder Begegnungszone über die Straße gehen und Autos kommen. Ganz klar, der Fußgänger hat Vorrang, so steht es im Gesetz, der Autofahrer oder der Radfahrer ist oft anderer Meinung. Der Manuel geht lieber den Schritt zurück, ich suche die Konfrontation mit drei Tonnen.
Apropos gehen… ihr geht sehr viel miteinander spazieren…
S: Ja, gehen ist gesund. Angeblich sogar gesünder als Laufen.
M: Ich finde, dass die Gedanken besser kreisen können. Das hab ich mir nicht selbst ausgedacht, aber ich kann es aus meiner Erfahrung bestätigen. Wir haben auch Text gelernt im Gehen, ich finde Gehen super. Wenn man etwas klären muss, auch in einer Beziehung, empfehle ich, sich nicht im Kaffeehaus gegenüberzusitzen, sondern spazieren zu gehen! Man kommt da oft besser zu einer Lösung.
M: Mir fällt jetzt noch ein großer Unterschied ein: Ich interessiere mich sehr einschlägig, mich interessiert sehr viel nicht, der Simon interessiert sich für wirklich fast alles, weiß auch viel mehr und er ist handwerklich unglaublich versiert – ich null.
S: Das ist wirklich ein Riesenunterschied, er hat zwei linke Hände, dafür hab ich zwei rechte beim Handwerk.
Simon, warum wolltest du unbedingt einen Podcast machen?
Zwei Dinge: Erstens, wenn das mit dem „Restaurant“ scheitert, ist zumindest dieser Prozess des Entstehens davon übriggeblieben. Und zweitens: Ich finde, es gibt sehr viele gute Podcasts, die verschiedene Produkte begleiten, vor allem gibt es sehr gute Serien, die mit einem Podcast begleitet werden. Die Serie „Succession“ zum Beispiel hat einen Podcast, der wirklich interessant ist. Unser ursprünglicher Gedanke war, zu bearbeiten: Wie geht’s uns, wo stehen wir, bei welchem Schritt sind wir gerade? Es ist ein bisschen was anderes daraus geworden.
M: Es gibt einen dritten – zwar keinen Grund, aber eine schöne Erklärung: Die jüngere Schwester deiner Frau hat gesagt: Simon macht einen Podcast? Das ist super, da kann er die ganze Zeit reden.
Manuel, es macht den Eindruck, dass es dir mittlerweile auch sehr viel Spaß macht?
M: Ja, ich bin eigentlich sehr dankbar, denn ich habe mir selbst ein Ei gelegt, indem ich gesagt habe, ich mach nicht auch noch einen Podcast. Indem der Simon aber nun den Podcast eingefordert hat, hat er mir sozusagen eine Tür aufgestoßen. Ich liebe das Medium!
Simon, auch bei dir hat man das Gefühl, dass es dir sehr viel Spaß macht, auf der Bühne zu stehen.
S: Ja, eh, es macht mir eh Spaß, auf der Bühne zu stehen. Es ist natürlich auch immer ein Spiel damit. Aber es macht mir hauptsächlich Spaß, dass wir etwas zusammen machen und eine gute Zeit haben. Ich glaube, auch das Publikum kann nur dann wirklich etwas empfinden, Spaß haben, wenn wir Spaß haben und wir es für uns gut machen – und nicht frontal nur für das Publikum. Es ist wie beim Podcast: Wenn wir einen schönen Abend haben, dann haben unsere Hörerinnen und Hörer, die zuhause sitzen, auch Spaß.
Ihr bringt die Menschen zum Lachen – was aber amüsiert euch? Worüber lacht ihr am lautesten?
M: Ich bin womöglich einfach gestrickt – es gibt natürlich eine Antwort, die immer stimmt: Ich habe eine große Liebe zu Charlie Chaplin, Buster Keaton usw. Aber am meisten lache ich wirklich über so depperte Instagram- oder YouTube- oder TikTok-Videos, bei denen es Leute auf die Goschn haut. Wo Dinge missglücken. Es soll sich natürlich niemand schwer verletzen, aber wo irgendwas passiert, sich wer verschätzt oder wo dagegenrennt oder runterfällt, das ist das Lustigste, was es gibt.
Welche Themen würdet ihr auf keinen Fall aufnehmen? Gibt es da einen Unterschied, ob Podcast oder Bühne?
S: Ja, das glaube ich schon, dass es ein Unterschied ist.
M: Ich glaube, für die Bühne muss man ein bisschen mehr aufpassen, einfach aus Selbstschutz, weil man den Stoff dann zwei-, dreihundert Mal an jedem Abend neu verhandelt. Beim Podcast kann man auch einmal ein unangenehmes Thema streifen und sagen, okay, da haben wir einmal darüber geredet, das müssen wir aber nicht nächste Woche gleich wieder thematisieren… Beim Podcast würde ich jetzt im Vorhinein fast nichts ausschließen.
S: Wir sprechen ja nicht für einen Konzern, eine Partei oder irgendeine NGO. Wir sprechen auch nicht als Journalisten, sind niemandem verpflichtet, sondern wir sprechen als Privatmenschen und nehmen uns das Recht heraus, Fehler zu machen, auch einmal falsche Dinge zu sagen. Nicht, weil wir bewusst etwas Falsches sagen, sondern weil wir unter Umständen eben manches nicht wissen, auch einmal eines Besseren belehrt werden und dann sagen, okay, das war falsch. Das nehmen wir uns heraus und das ist etwas, das in unserer Kultur in Österreich eine wahnsinnige Schwäche ist. Es gibt in Österreich niemanden, der sich für etwas entschuldigt. Keiner in Österreich gesteht einen Fehler ein. Wir haben eine Kultur, in der niemand sagt: Ja, habe ich falsch gemacht, tut mir wahnsinnig leid, es war ein Fehler, ich bin nämlich nicht perfekt. Doch das sind wir definitiv nicht. Ich kann aber nur für mich sprechen: Ich bin ganz weit davon entfernt, ein perfekter Mensch oder ein guter Mensch zu sein. Ich bin ganz, ganz weit davon entfernt, aber ich versuche es zumindest. Und ich lasse mich auch gerne belehren, wenn etwas falsch ist. Insofern finde ich auch: Im Podcast können wir alles raushauen! Aber ein Programm, das wir weiß Gott wie oft spielen, braucht schon eine gewisse Rechtfertigung für jedes Thema, weil man sich anders damit befasst und für eine längere Strecke.
M: Ich würde zum Beispiel nicht jeden Abend auf der Bühne über Selbstmord sprechen wollen, man kann aber im Podcast mal darüber sprechen, wenn es sich ergibt. Man kann mit allem auch auf die Bühne gehen, aber es ist Selbstschutz, dass ich manches nicht 200-mal hintereinander besprechen möchte.