Zukunft Autonome Mobilität

Unser klassisches Verständnis von Mobilität ist so stark im Wandel, wie noch nie in der Geschichte des Massenverkehrs. Fahrzeuge übernehmen immer mehr Fahraufgaben, nehmen ihre Umgebung wahr und tauschen Over The Air Daten aus. Doch wie weit ist der Megatrend zum autonomen Fahren wirklich fortgeschritten und welche Gefahren und Chancen bietet er?

Der Indycar der TU München setzt am Rennkurs von Indianapolis bei fast 300 km/h zum Überholmanöver an und gewinnt damit das Rennen. Doch anstatt eines Fahrers schauen Kameralinsen und Lidarsensoren den Fotografen entgegen. Bei der Autonomous Challenge zeigen Ingenieure, dass autonomes Fahren schon heute möglich ist. Alexander Wischnewski, der das Siegerteam 2021 anführte, meint aber: „Bis das auf der Straße funktioniert, wird es noch einige Jahre dauern.“

Der vollautonome Sieger-Indycar der TU München

Der Stand der Technik

Die immer größere Vernetzung von Fahrassistenzsystemen wie Tempomat und Navigationssystem bilden die Grundlage dafür, dass Autos schon heute immer selbstständiger reagieren. So fühlt es sich im neuen BMW X1 richtig gut an, wenn das Auto automatisch den Abstand zum Vorderfahrzeug hält, die Spur wechselt oder an der Ampel automatisch anfährt. „Alle aktuellen BMW Modelle können auf Level 3 fahren, wir warten nur mehr auf den Gesetzgeber“, erzählt Hannes Macheiner, Standortleiter bei Auto Frey. In den USA fahren Teslas Betatester derweil schon beinahe auf Level 4 (siehe Box unten).

„Technisch wird autonomes Fahren bald erreicht sein, aber die regulatorischen Hürden in Europa sind letztendlich das Problem.“

„Die große Zukunftsfrage ist, ob das Fahrzeug alles selbstständig machen muss, oder ob es ein kommunikatives Setup geben wird, in dem alle Verkehrsteilnehmer miteinander kommunizieren.“

„Flächendeckendes 5G-Internet wird die Grundlage für automatisiertes Fahren sein.“

„Wir glauben, dass sich autonome Fahrzeuge in den nächsten Jahren auf den Transportsektor beschränken werden.“

Moderne Sensortechnik

Damit ein Auto sich selbstständig von A nach B bewegen kann, benötigt es Sensoren, die seine Augen und Ohren sind. Deutsche Autobauer verwenden eine Mischung aus Kamera, Radar und Ultraschall, um die Umgebung zu analysieren, während Tesla inzwischen nur mehr auf Kameras setzt. Wichtig ist, dass die Technik auch in gefährlichen Situationen funktioniert. Wischnewski ist sicher, es muss ein Sensormix sein. „Europäische Sicherheitsbestimmungen werden nur mit Kameras schwer zu erreichen sein. Laserbasierte Lidartechnologie kann auf 150 bis 200 Meter zuverlässige Informationen liefern. Zusammen mit Radar und Kamera wird das wahrscheinlich zum Standardsetup.“ Doch Marco Hornegger, Präsident des Tesla Club Austria, vertraut auf Elon Musk: „Tesla versucht die Technik so einfach wie möglich zu gestalten, das reduziert die Komplexität, die die künstliche Intelligenz bewältigen muss und das ist ein Vorteil.“

Das Problem mit der Komplexität

Die Komplexität der Rechenvorgänge ist im Moment das größte Problem beim autonomen Fahren. „Sobald der Mensch involviert ist, nehmen die Komplexität der Szenarien und die Sicherheitsanforderungen extrem zu. Die Stadt ist am schwierigsten zu berechnen“, ist sich Karl Rehrl, der sich bei Salzburg Research mit der Digitalisierung von Mobilität beschäftigt, sicher. Das ist auch der Grund, warum Alexander Wischnewski sich mit seinem Startup „driveblocks“ auf die Logistikbranche konzentriert. „Auf Betriebsgeländen und in der Langstreckenlogistik werden wir bald selbstfahrende Fahrzeuge sehen.“

Auto als Softwareprodukt

Das Entscheidende beim selbstfahrenden Auto ist die Software. Sie verbindet Objekterkennung, Sensorfusion und Entscheidungsfindung. BMW hat gerade sein neues Operating System 8 auf den Markt gebracht, das mit selbstlernendem Navigationssystem die Basis für automatisiertes Fahren ist. Das Wichtigste ist die künstliche Intelligenz (KI), die bei jeder Fahrsituation dazulernt. Bei Tesla werden dafür alle vom Auto erfassten Daten in die Cloud eingespielt und kritische Situationen vom Rechenzentrum analysiert. Das System lernt so selbstständig ‚Over The Air‘ dazu. Schon heute funktionieren Fahrassistenzsysteme besser, wenn ein Internetanschluss besteht und Hannes Macheiner ist sicher, dass ohne flächendeckendes Internet kein vollautomatisiertes Fahren möglich wird.

5 Level des autonomen Fahrens

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  1. Assistiertes Fahren: Moderne Assistenzsysteme wie Tempomat und Spurhalteassistenten helfen beim Fahren.
  2. Teilautomatisiertes Fahren: Das Fahrzeug führt Aufgaben zeitweilig selbstständig aus, es ist in der Lage, gleichzeitig die Spur zu halten, zu bremsen, zu beschleunigen und zu überholen.
  3. Hochautomatisiertes Fahren: Ab hier kann sich der Fahrer vom Verkehr abwenden, weil das Fahrzeug vorübergehend selbstständig die Fahraufgabe übernimmt ( B. auf der Autobahn).
  4. Vollautomatisiertes Fahren: Der Fahrer kann die Fahrzeugführung komplett abgeben. Das System erkennt seine Grenzen und bringt das Auto bei Problemen selbstständig in einen sicheren Zustand. Ab hier wird der Fahrer zum Passagier.
  5. Autonomes Fahren: Das Fahrzeug wird komplett vom System gesteuert. Alle Situationen werden selbstständig durch das System bewältigt.

So simpel soll autonomes Fahren sein. Teslas Full Self Driving Chip mit 8 Kameras.

Datensicherheit

Kamera- und andere sensible Daten werden vom Softwarebetreiber ausgelesen, deshalb ist der Datenschutz ein wichtiges Thema. Der Tesla Club Austria sieht den Datenaustausch aber als Chance: „Teslafahrer entscheiden sich aktiv für die Technologie. Wir wollen daran mitarbeiten, diese ständig zu verbessern.“ Auch Wischnewski und Rehrl sind sich einig, dass in Europa ein sehr guter Rechtsrahmen geschaffen wurde. Die Strafen auf Datenmissbrauch sind so hoch, dass Verstöße unrentabel sind. VW zahlte gerade eine Millionenstrafe, weil es die Daten eines einzelnen Testfahrzeugs nicht rechtskonform verarbeitete.

Blick in die Zukunft

Auf Autobahnen und Betriebsgeländen wird autonomes Fahren bald zur Realität werden, bis es sich überall durchsetzt, kann es allerdings noch Jahrzehnte dauern. Je mehr Fahrzeuge teilautonom im Straßenverkehr unterwegs sind, desto leichter wird es auch für die KI, durch den Verkehr zu navigieren. Damit Fußgänger und Fahrradfahrer hier nicht das Nachsehen haben, forscht das 15-köpfige Team um Karl Rehrl in Salzburg an Lösungen: „Wir forschen beim Projekt Bike2CAV an einem Setup, in dem alle Verkehrsteilnehmer und sogar Kreuzungen digital miteinander kommunizieren. Das ist der Salzburger Beitrag zur Mobilität der Zukunft.“

Text: Dominic Schafflinger

Fotos: Penske Entertainment Walt Kuhn, BMW AG,
Dominic Schafflinger, Tesla, Inc., Tesla Club Austria,
wildbild, driveblocks, adobe.stock.com

2022-12-02T13:12:59+01:00

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