Martin Weiss

Max Reinhardt hätte das gefallen

Seit August 2022 ist mit dem ehemaligen Top-Diplomaten Martin Weiss erstmals ein Nicht-Amerikaner Präsident der Non-Profit-Organisation Salzburg Global Seminar. Im Interview erzählt der charismatische Salzburger, warum er dafür seine Position als Botschafter in den USA aufgegeben hat und verrät seine Vision für Schloss Leopoldskron.

Vor einem halben Jahr haben Sie die Präsidentschaft des Salzburg Global Seminar angetreten. Wie lautet Ihr erstes Fazit?

Es war ein sehr spannendes halbes Jahr, im August war ich vor allem in Salzburg, habe das Team kennengelernt und – gerade zur Zeit der Festspiele – einen sehr intensiven Start erlebt. September und Oktober habe ich für Reisen zu Partnern, mit denen wir bereits sehr lange zusammenarbeiten, genutzt, war unter anderem in Japan, Süd-Korea, London – ich habe sozusagen eine Vorstellungsrunde absolviert. Im November hatten wir ein großes Board Meeting in Washington D.C. Die Zeit bislang ist wie im Flug vergangen, jetzt sind wir bereits mittendrin im Jahr 2023. Aber ich kann sagen, ich bin sehr gut angekommen, sowohl beruflich als auch privat. Ich fühle mich schon wieder sehr zuhause.

Nach einem halben Jahr kennt man sein Team schon besser, sieht Stärken und Schwächen und nimmt auch die Außensicht wahr: Was erwarten andere von uns? Wie werden wir gesehen? Wie können wir unsere Geschichte besser erzählen? Salzburg Global Seminar ist immer noch ein bisschen ein weißer Fleck. Die Salzburger wissen, dass es uns gibt, aber fragen sich immer noch: Was machen die eigentlich?

Salzburg Global Seminar ist nicht selbsterklärend: ein Seminar, das sich seit 75 Jahren mit unterschiedlichen Themen beschäftigt und jedes davon ist sehr komplex, ob Erziehung, Kunst & Kultur und natürlich erst recht Krieg & Frieden.

Und kein auch noch so gutes Seminar kann für sich alleine die Welt verändern. Wir hatten zum Beispiel im Herbst letzten Jahres ein Seminar, in dem es um Friedensinitiativen in Asien ging. Am Ende sind die Teilnehmer nicht hinausgegangen und haben gesagt: Nun herrscht Frieden in Asien, das haben wir gelöst. Die Themen, die wir behandeln sind komplexer, aber jedes Seminar kann ein wichtiger Schritt in Richtung Lösung sein. Unsere Devise lautet: „changing the world one seminar at a time“. Um das nach außen besser zu erklären, haben wir einen Prozess angestoßen, in dem wir mehr über die ´Marke´ Salzburg Global nachdenken: Wie kann man diese leichter verständlich, unser Erfolgskonzept greifbar machen? Das sehe ich derzeit als unser Thema und unsere Bringschuld!

Es hat vergangenes Jahr für Aufsehen gesorgt, als Sie überraschend Ihre Position als Botschafter in Washington D.C. zugunsten der Tätigkeit als Präsident des Salzburg Global Seminars aufgegeben haben. Was hat Sie dazu bewogen? 

Ich bin 1990 Diplomat geworden, war also wirklich lange Diplomat, irgendwann kennt man die Tätigkeit. Natürlich ist jede Botschaftertätigkeit anders, ob man Botschafter in Zypern ist, in Israel oder in den USA. Aber gewisse Konstanten gibt es. Zum einen war der Grund, dass ich das schon so lange gemacht habe. Zum anderen habe ich es als Chance gesehen, die sich hier und jetzt bot. Nicht irgendwann, wenn ich einmal in Pension gehe, es hat geheißen: Wir suchen JETZT jemanden. Ich war in meinem Leben immer offen für neue Herausforderungen, dieser neuen Herausforderung habe ich mich daher gerne gestellt. Und dieser Job hat außerdem die Komponente „Salzburg“, es ist schön, nach so vielen Jahren zurückzukommen. Darüber hinaus habe ich das Gefühl, wirklich etwas gestalten zu können.

Worin sehen Sie heute die wichtigste Aufgabe von Salzburg Global Seminar?

Wir bearbeiten einige Bereiche, die allesamt spannend sind, ob es um Kunst und Kultur geht oder um Bildung. Dies ist alles wichtig, aber ein fundamentales Thema ist, wie wir es nennen: Peace & Justice. Ich glaube, am 24. Februar letzten Jahres, mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, hat die ganze Welt gewackelt, vor allem die europäische. Europa hat sich an diesem Tag nachhaltig verändert und wir wurden daran erinnert, dass sich alle Themen, über die wir nachdenken, relativieren, sobald der Frieden verloren geht. Man wird in der Ukraine derzeit z. B. nicht viel über Möglichkeiten der Kinderbetreuung diskutieren, wenn täglich die Bomben fallen. Frieden ist das Fundament von allem! Und beim Thema Frieden fallen einem viele hochaktuelle Themen ein. Ukraine-Russland liegt auf der Hand. Aber auch: Wie geht es mit China weiter? Das ist ein Mega-Thema für die USA, die mit China einen gewaltigen Konkurrenten erstehen sieht, aber ebenso ein großes Thema für Europa. Wir sind „the sandwich in the middle“, auf der einen Seite die USA, auf der anderen Seite China. Vor einigen Tagen ist die Aussage eines amerikanischen Generals durch die Medien gegangen, der von einem Krieg zwischen USA und China in den nächsten fünf Jahren ausgeht! Das ist erschreckend, kaum auszudenken, was das für uns alle bedeuten würde. Da bleibt kein Stein mehr auf dem anderen!

Umso wichtiger ist es, sich mit diesen Dingen rechtzeitig zu beschäftigen, die richtigen Leute an einen Tisch zu bringen und offen zu reden! Das ist unser Vorteil: Wir sind nicht die Münchner Sicherheitskonferenz, wo Politiker hinkommen, um ein politisches Statement abzugeben. Unsere Seminare finden ganz bewusst hinter verschlossenen Türen statt: damit die Teilnehmer offen sprechen, sich vertrauensvoll austauschen können, ohne dass Kameras und Mikrofone laufen. Es gibt nicht viele Orte, an denen dies möglich ist – aber wir schaffen das seit 75 Jahren.

Stichwort verschlossene Türen: Seit einiger Zeit ist es Thema, das Areal auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wie ist diese Gratwanderung zu schaffen – einerseits das Kulturerbe und vor allem die Diskretion zu bewahren und andererseits das Schloss zu öffnen?

Es wird nicht möglich sein, die Türen komplett zu öffnen. Aufgrund der Attraktivität dieses Ortes würden jeden Tag 500 Touristen in unserem Park stehen, um das ´Sound of Music´ Schloss und den Weiher zu fotografieren. Damit würden wir aber genau das, was wir für die Seminare brauchen, aufs Spiel setzen. Aber wir wollen ganz gezielt etwas für die Öffentlichkeit tun, wie zum Beispiel im Dezember die Fotoausstellung über die Kinder aus dem Krieg der Ukraine, die natürlich für Besucher offen war. Das passt zu unseren Themen, ist eine sinnvolle Kombination, denn so sehen die Leute auch, was wir machen, und wir können unsere Geschichte erzählen.

Auch, was den Hotelbetrieb betrifft, hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Was ist dahingehend Ihre Vision für das Hotel Schloss Leopoldskron und den Meierhof?

Meine Vision ist, dass jeder Hotelgast, der hier wohnt, auch mitbekommt, dass er sich an einem besonderen Ort befindet, wo etwas Spezielles stattfindet. Ich hätte gerne, dass in Zukunft jeder Gast versteht, wenn auch nicht im Detail, was hier im Rahmen von Salzburg Global Seminar passiert.

Wir sind nicht das Ritz-Carlton am Leopoldskroner Weiher, das wollen und können wir gar nicht sein. Aber wir bieten hier einen wunderschönen Ort mit besonderem Flair. Schloss Leopoldskron ist kein Museum, wir wollen, dass unsere Gäste sich in Max Reinhardts Bibliothek wohlfühlen, die Terrasse und den Park genießen… Sie sollen ein Teil von alledem sein und das Schloss mit Leben füllen. Max Reinhardt hätte das gefallen!

Martin Weiss Portrait

Zur Person:

Geboren am 31.12.1962 in Innsbruck, wächst Martin Weiss in Salzburg auf. Nach seiner Matura am Akademischen Gymnasium studiert er Rechtswissenschaften in Wien sowie an der School of Law an der University of Virginia. 1990 startet er seine Karriere als Diplomat, im Zuge derer er unter anderem als österreichischer Botschafter nach Zypern, Israel und zuletzt in die USA entsandt wird. Mit 1. August 2022 übernimmt Weiss die Leitung von Salzburg Global Seminar als Präsident und CEO.

Veranstaltungen:

Ein Fest für Max Reinhardt

Im Rahmen des Festes zur Festspieleröffnung wird Schloss Leopoldskron seine Pforten für die Salzburger Bevölkerung und alle Gäste öffnen und zu einem Fest für Max Reinhardt laden. In Lesungen, Filmvorführungen, einem Platzkonzert am Weiher u.v.m. werden die sinnliche Atmosphäre des Ortes und der Geist des ehemaligen Schlossherrn spürbar.
22./23. Juli 2023
Infos: www.salzburgerfestspiele.at

Shakespeare im Park

Auch dieses Jahr gastiert das Salzburger Landestheater mit „Shakespeare im Park“ im idyllischen Ambiente von Schloss Leopoldskron.
17./18./19. Mai 2023
1./5./6. Juni 2023

Text: Doris Thallinger Fotos: Richard Schabetsberger, Katrin Kerschbaumer

2023-03-22T11:11:36+01:00

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