Kristina Hammer

„Es entsteht ein großartiges Gemeinschaftsgefühl“

Mit 1. Jänner 2022 hat Kristina Hammer ihr Amt als Präsidentin der Salzburger Festspiele angetreten. Nun steht sie vor ihrer zweiten Festspielsaison und spricht im Interview über ihre Erfahrungen bislang in Salzburg, über ihre persönlichen Highlights im Programm 2023 und die Zukunft der Festspiele.

Seit gut einem Jahr fungieren Sie als Präsidentin der Salzburger Festspiele.
Wie lautet Ihr Fazit nach diesem ersten Jahr?

Es war ein sehr gutes, eines der spannendsten und auch inspirierendsten Jahre, die ich erlebt habe. Wir hatten eine tolle Festspielsaison mit 96 Prozent Auslastung und begeisterten Zuschauern aus der ganzen Welt, die diesen Sommer mit uns genossen haben. Es war unglaublich spannend, sich mit dem Team auseinanderzusetzen und die vielen Menschen, die bei uns hinter den Kulissen arbeiten, kennenzulernen und zu sehen, mit welchem Talent, Engagement und großem Einsatz sie alle unterwegs sind.

Was hat dieses Jahr für Sie persönlich bedeutet?

Ich bin zunächst einmal gut in Salzburg angekommen. Ich habe nicht nur das Glück gehabt, dieses großartige Team kennenzulernen, sondern auch mit ganz vielen Menschen in Salzburg, in der Stadt und am Land zu sprechen und mich mit zahlreichen interessanten Persönlichkeiten auszutauschen. Es war ein sehr intensives und bereicherndes Jahr.

Nicht nur als Festspielpräsidentin, sondern auch für Sie persönlich, wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Leben in Salzburg und mit den Salzburgern?

Ich fühle mich ausgesprochen wohl mit den Salzburgern, das kommt auch daher, dass ich über die Jahre schon viele kennengelernt habe. Ich bin immer wieder in Salzburg gewesen, seit meinem fünften Lebensjahr. In dieser Zeit habe ich die Salzburgerinnen und Salzburger als sehr offen, aufgeschlossen und interessiert kennengelernt.

Mit welchem Gefühl sind Sie nun in Ihr zweites Jahr als Festspielpräsidentin gestartet?

Vor allem mit großer Freude auf das Programm, wir kommen gerade von unseren Programmpräsentationen in Wien, München, Frankfurt, Zürich, London und Paris. Die Resonanz der Freunde und Förderer ist mir richtig ans Herz gegangen. Man merkt, dass sie viel mehr mit uns verbindet als nur der Kauf einer Eintrittskarte – hier herrscht eine enge und loyale Beziehung zu den Festspielen.

Großes Interview Kristina Hammer

Was sind aus Ihrer persönlichen Sicht die Highlights des Festspielprogramms 2023?

Es gibt viele Highlights. Ich freue mich unter anderem sehr auf die Griechische Passion, mit einem ganz außergewöhnlich begabten jungen Dirigenten, Maxime Pascal. Er hat bei uns 2014 den Young Conductors Award gewonnen und wird das erste Mal eine szenische Oper in Salzburg dirigieren. Die Geschichte der Griechischen Passion ist vor allem deshalb so bewegend, weil sie ein Stück Aktualität widerspiegelt: Es geht um ein Passionsspiel in einem griechischen Dorf, in dem Flüchtlinge ankommen. Was macht das mit denjenigen, die das Passionsspiel aufführen? Hier trifft Spiel auf Realität.

Falstaff ist ebenfalls eine Oper, auf die ich mich sehr freue, zum einen auf die wunderbare Musik, zum anderen auf den Hauptdarsteller Gerald Finley, der auch auf der Programmpräsentation in London aufgetreten ist.

Was die Konzerte betrifft, freue ich mich auf die Ouverture spirituelle, weil dabei diese sehr besondere Atmosphäre herrscht, wie eine ruhige Einstimmung vor dem „Sturm“. In diesem Jahr steht sie unter einem besonders schönen Motto: Lux Aeterna – das ewige Licht. Die Konzerte rund um György Ligeti (die Reihe Zeit mit LIGETI) werden ebenfalls einen eindrucksvollen musikalischen Schwerpunkt setzen.

Im Bereich Schauspiel wird bestimmt Die Wut, die bleibt von Mareike Fallwickl spannend, ein Stück über Frauen und wie sie mit zum Teil furchtbaren Erlebnissen umgehen, die tiefe Einschnitte im Leben hinterlassen können.

Inhaltlich bewegend wird auch Nathan der Weise sein. In der Inszenierung von Ulrich Rasche wird eine Frau die Hauptrolle spielen. Diesen Ansatz, nicht nur das Thema Religion aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, sondern auch Rollenbilder aufzuheben, finde ich interessant.

Und natürlich haben wir auch anregende Lesungen im Programm, unter anderem anlässlich des Max Reinhardt-Jahres, den Briefwechsel im Exil von Max Reinhardt und Helene Thimig mit Edith Clever und Tobias Moretti. Mich bewegt, dass Max Reinhardt, dieser große Visionär des Theaters, der Leopoldskron zu einem solchen Juwel gemacht hat, einsam und verarmt in Amerika gestorben ist, seiner Heimat beraubt und seiner Visionen.

Apropos Max Reinhardt-Jahr: Wie werden die Salzburger Festspiele diesem, abgesehen von dieser Lesung, gerecht werden?

Reinhardt hat das Theater modernisiert, reformiert, revolutioniert und als einer unserer Gründerväter die Festspiele nachhaltig geprägt. Das zu zeigen und herauszuarbeiten, ist für uns im Jubiläumsjahr ein großes Anliegen. Es wird u.a. in Zusammenarbeit mit Salzburg Global Seminar ein Fest für Max Reinhardt in Leopoldskron geben. Auch ein wissenschaftliches Symposium, eine dreiteilige Ausstellung zu seiner legendären Faust-Inszenierung und die zusammen mit dem Ars Electronica Futurelab erarbeitete performative Führung „Faust 2023“ in der Felsenreitschule stehen auf dem Programm.

Inwiefern hebt sich das Programm von den Programmen der Vorjahre ab?
Was macht es speziell?

Ich glaube, was das Programm der Salzburger Festspiele so speziell macht, ist die unglaubliche Vielfalt in den drei Sparten. Wir freuen uns dieses Jahr auf 179 Aufführungen in Oper, Schauspiel und Konzert sowie 34 Vorstellungen im Jugendprogramm jung & jede*r. Das andere ist der thematische Rahmen. Unser Intendant Markus Hinterhäuser hat dem Programm dieses Jahr ein Zitat aus Shakespeares Hamlet vorangestellt, „Die Zeit ist aus den Fugen“, als Spiegel dessen, was in unserer Welt derzeit passiert. Dieses Verhandeln der großen Themen auf der Bühne, das Auseinandersetzen mit Macht und Gier, mit Liebe und Hass, mit Verachtung, mit dem Älterwerden macht das Festspielprogramm so vielseitig.

Ich glaube, gerade wenn die äußere Welt so hektisch, so unsicher, so volatil ist wie im Moment, ist die Möglichkeit, sich Zeit zu nehmen, sich – sei es im Theater oder in der Oper – mit diesen Themen auseinanderzusetzen, besonders wichtig, um diese Ereignisse auf eine ganz andere Art und Weise zu reflektieren und zu verarbeiten.

Das Schöne an Salzburg ist, dass es nicht alleine das Offensichtliche anbietet – und bei Neuem, Ungesehenem gibt es durchaus auch Reibung: Es ist das, was am Ende im Herzen und in der Seele nachhaltig anklingt.

Kristina Hammer mit Sängerinnen
des Young Singers Project 2022

Welche Ziele möchten Sie persönlich für die Salzburger Festspiele erreichen?

Das größte Ziel ist für mich, dass die Festspiele ein voller Erfolg sind: Jedes Jahr gemeinsam mit dem Team die Festspiele so vorzubereiten, dass die Künstler sich optimal entfalten können, das Programm in einem einzigartigen Rahmen stattfinden kann und unsere Zuschauer sich wohlfühlen. Es gilt, diese Qualität und dieses Versprechen, das Salzburg gibt, zu erfüllen!

Aber es gibt Themen, die für die Zukunft von großer Bedeutung sind. Eines dieser Themen ist die Digitalisierung. Uns geht es nicht nur um die Digitalisierung auf den Bühnen, sondern um die Digitalisierung als Ganzes, wie wir beispielsweise mit unseren Kunden kommunizieren und wie wir unser Serviceangebot täglich verbessern. Jeder bedient sich anderer Kanäle und hat andere Informationsbedürfnisse. Wichtig ist, dass wir die Information in der Tiefe und Qualität bereitstellen, die man von den Salzburger Festspielen erwartet, aber in einer Art und Weise, die auf unsere Besucher eingeht. Das ist die Zukunft.

Ein weiteres Thema, das uns beschäftigt, ist, wie sich das Publikum mittel- und langfristig verändert. Wir haben gesehen, dass während der Pandemie neue Zuschauer zu uns gekommen sind, die sich für die Salzburger Festspiele begeistert haben. Unser intensives Ziel ist es, diese auch weiterhin zu inspirieren, zu begeistern und auch diejenigen zurückzuholen, die vielleicht zwei, drei Jahre aufgrund von Reisebeschränkungen nicht nach Salzburg kommen konnten. So können wir international unser Publikum wieder verbreitern.

Wenn wir über Publikum sprechen, sollten wir aber generell auch darüber sprechen, wie wir neue Festspielbesucher für uns faszinieren können – und dabei nicht nur über das Alter sprechen. Junge Menschen von Kindesbeinen für die Festspiele zu begeistern, ist ein wichtiges Anliegen unseres Kinder- und Jugendprogramms jung & jede*r. Damit beginnen wir in ganz jungen Jahren, indem wir mit mobilen Eigenproduktionen von Abtenau bis Zell am See in Schulen gehen und den Kindern und Jugendlichen altersgerecht Theater und Oper nahebringen. Es ist großartig, wie viel Begeisterung hier zu spüren ist, wenn der Funke überspringt.

Unabhängig vom Alter ist uns ein wichtiges Anliegen, Schwellenängste abzubauen. Es gibt ein paar Vorurteile in den Köpfen der Menschen, die wir ausräumen müssen. Eines davon ist, dass es bei uns nur „teure“ Karten gibt. Die Hälfte der Karten kostet zwischen 5 und 115 Euro. Diese Eintrittsschranke, die viele Menschen im Kopf haben, ist völlig unnötig.

Die Salzburger Festspiele haben Besucher aus 74 Nationen, jeder Besucher hat einen anderen Zugang zu den Aufführungen. Die Offenheit gegenüber den Themen, die Emotionen, die ausgelöst werden, verbinden die Menschen aller Nationen, jeglicher Herkunft und jeglichen Alters. Selbst, wenn das Publikum unterschiedlicher Meinung ist, entsteht ein großartiges Gemeinschaftsgefühl.

Text: Doris Thallinger  Fotos: Peter Rigaud, SF / Erika Mayer / www.kaindl-hoenig.com

2023-03-31T16:54:53+02:00

Teile diesen Beitrag

Nach oben