Futuristischer Elektro-Bayer

Mit der CE04 entwickelte BMW einen beeindruckenden vollelektrischen Roller. Zur modernen und umweltfreundlichen Motorisierung kommt ein unverwechselbares Design hinzu, das die CE04 klar von gängigen Rollermodellen differenziert. Der Salzburgerin-Test zeigt das Potential des Zweiradlers, aber auch klar seine Schwächen.

Übergabe am Parkplatz der BMW Group Austria, da steht die CE04 direkt neben der R18, dem klassischen BMW Chopper. Was sofort auffällt, ist, dass der Elektroroller nicht wie ein Kinderspielzeug neben dem Hubraumriesen aussieht. Bei beinahe gleicher Länge und der niedrig-kantigen Linienführung wirkt die CE trotzdem wie von einem anderen Stern. Dass ein Roller optisch mit einem ausgewachsenen Motorrad mithalten kann, ist mehr als selten, hier steht es trotz oder gerade wegen der Unterschiede unentschieden. Classic meets Future auch beim Motor, denn der moderne Elektroantrieb verspricht an lückenlosem Drehmoment was normalerweise einiges an Hubraum erfordert. Bei 120 km/h ist bei der CE04 Schluss, aber mit einer Chopper fährt man auch nicht schneller. So geht es mit ersten Erkenntnissen und vollgeladenem Akku auf die Straße zum Fahrtest.

Handling = neu

Schon auf den ersten Metern mit der CE04 ist klar, hier fährt man etwas Neues. Durch den langen Radstand von 1,67 Metern und das Leergewicht von 231 Kilogramm hat man von Anfang an nicht das Gefühl, Roller zu fahren, die BMW will mit Körpergewicht in die Kurven geritten werden, wie ein erwachsenes Motorrad und die 62 Nm bei 1500 Touren sind eine ordentliche Nummer, immerhin fast so viel wie bei der Yamaha R7. Von 0 auf 50 beschleunigt die CE in 2,6 Sekunden und das Überholen geht unglaublich flott von der Hand. Der tiefe Schwerpunkt unterstützt das gute Fahrgefühl, das unter Rollern seines Gleichen sucht. Das Gesamtpaket kommt mit seinen 42 PS wunderbar aus, letztendlich fühlt es sich nach etwas mehr an – wenn man in Ottomotorkategorien denkt.

Geradliniges Design am Punkt

Die CE04 ist ein Hingucker, vor allem für Fans avantgardistischer Linienführung. Durchschnittliche Roller wirken meist etwas gequetscht, wegen der hohen Front und der treppenförmigen Anordnung der Sitze von Fahrer und Sozius. Nicht so die Elektro-BMW, durch die geraden Sitzbank wirkt sie fast wie ein schnittiger Scrambler. Bitte keinen Topcase hinten montieren, das zerstört die wunderschöne Silhouette! Apropos Gepäck, für Helm und Ladekabel ist genug Platz im Staufach unter dem Sitz, hier finden auch die wichtigsten Einkäufe Platz. Der Rest will stilsicher im Rucksack oder alternativ in Gepäck- oder Seitentasche von BMW verstaut sein, die man optional als Zubehör erwerben kann. Auf der Fahrt durch die Stadt erntet man mit der CE04 so manchen erstaunten Blick und kommt beim Parken schnell mit Passanten ins Gespräch, die Unterhaltungen drehen sich meist um das Design und darum, dass das Motorrad so leise ist. Understatement sieht anders aus, aber die positiven Gespräche sind der Beweis dafür, dass Bikes ohne Knattern und Gestank bei der Stadtbevölkerung dankbar angenommen werden.

Baustelle Elektrifizierung

Solange der Akku gut geladen ist, macht der Roller also unglaublich viel Spaß, problematischer wird es, wenn sich die Batteriereserven dem Ende zuneigen. Der erste Fehler, den man beim Umstieg von Benzin auf Batterie begeht, ist der, das Tankthema zu unterschätzen – vor allem, wenn der Hersteller das wichtigste Utensil nur als Sonderausstattung anbietet (und diese dann nicht im Testmotorrad ist). Denn ohne Schnellladekabel dauert die Ladung entsprechend länger und man kann schon mal ausgiebig shoppen gehen. Sehr verwirrend auch das Steckerwirrwarr an den Ladesäulen. Die CE04 verfügt über einen Typ2 Stecker, der wird zwar als Standard bezeichnet, aber sogenannte CCS Stecker sind auch weit verbreitet und wollen einfach nicht in die Steckerbuchse. Ohne genaue Einführung beim Händler fühlt man sich schnell verloren und auch die BMW Motorrad Connected App ist bei der Ladestationssuche keine große Hilfe. Man merkt ihr an, dass sie hauptsächlich für Benziner konzipiert ist.

Licht ins Ladechaos

Nachdem wir mit der Test-CE04 erfolglos vor drei Elektrotankstellen gestanden sind, führt der aufkommende Frust und eine fast völlig gelehrte Batterie uns zum Hotel Kaiserhof in Anif. Hotelier Richard Absenger ist bekennender Elektro-Enthusiast und kompetenter Ansprechpartner zu allen Fragen rund um die neue Technologie. „Bei Elektromotorrädern ist es im Moment noch am einfachsten, sich die Ionity App herunterzuladen, die Ladestationen des Anbieters verfügen alle über Typ2 Stecker“, erklärt er. Oft hinken die Hersteller mit ihren Apps noch der Wirklichkeit hinterher, so ist die Reiseplanung umständlicher als mit einem Benziner. Der einzige Lichtblick: Sollte die Batterie wirklich ganz leergefahren sein, kann man auf die Herstellerassitance von BMW zählen. In dem Fall betrifft uns das nicht mehr, denn der moderne Hotelier hat die passenden Elektrotankstellen direkt vor der Haustüre. Um die Ladezeit zu überbrücken, zeigt er uns noch seinen Elektrofuhrpark. Neben Tesla und Mercedes EQV kann man hier auch moderne Elektromotorräder des Herstellers Zero mieten und sich so einen ersten Eindruck von den zweirädrigen Stromern machen.

Kurzzeit Kurven König

Von Anif aus geht es auf die Landstraße zur großen Ausfahrt auf klassischer Runde. Anif – Wiestalstausee – Ebenau – Koppl – Bergheim. Bei Kaiserwetter legen wir den Sport-Dymamic ein und mit dem Durchzug der CE macht es unglaublich viel Spaß, aus den Kurven herauszubeschleunigen und den Roller sportlich zu bewegen. Die Bremsanlage ist ausreichend dimensioniert und schafft zusammen mit der Bordelektronik ein absolut sicheres Fahrgefühl. Beim Stausee angekommen entschließen wir uns zu einem Abstecher nach Krispl und die Batterieanzeige verrät, wir haben den Akku beinahe halb leer gefahren, nach 35 km Kilometern in sportlicher Gangart. Gut, wir waren zu zweit mit dem BMW-Stromer unterwegs, so musste er knapp über 140 Kg an Passagiergewicht befördern. Trotzdem ist die Reichweite enttäuschend und macht die Sonntagsausfahrt zu einem Planungsmarathon rund um Stromzapfsäulen. Dabei macht das Bike viel Spaß in den Kurven, aber eben eher kurz und wir rollen im Eco-Mode gemütlich nach Hause, wo wir dann mit 10 Prozent Restakku ankommen.

Viel Potential mit wenig Akku

Die CE04 ist einer der unterhaltsamsten Roller, die man am Markt bekommt. Jede Kurve macht Spaß und das Design begeistert. Die Verarbeitung ist hochwertig und durch Elektromotor und Zahnriemenantrieb auch absolut wartungsarm. Doch was macht man mit ihm? Die Batteriegröße ist perfekt für den täglichen Weg in die Arbeit und durch die Stadt, doch das kann man auch mit kleineren und vor allem günstigeren Modellen gut bewerkstelligen. Richtig Spaß macht die CE04 auf der Landstraße. An einem Samstagmorgen mit ihr ins Salzkammergut aufzubrechen, sorglos die Kurven zu kratzen und bei Sonnenuntergang glücklich wieder zurückkommen, das ist das Gefühl, das Fahrwerk und Motor versprechen, aber der Akku leider nicht halten kann. Wer den stylishsten Roller für den Arbeitsweg sucht und damit zufrieden ist, mit jeder Menge Power am Wochenende zum See und wieder nach Hause zu kommen, der greift bei der CE04 zu, wer aber auch mal länger ausreiten möchte, sollte klar beim Benziner bleiben oder hoffen, dass BMW demnächst ein Akku-Add-On präsentiert.

Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Dominic Schafflinger, BMW AG, Kaiserhof Anif

2023-04-25T09:55:58+02:00

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