Fisker Ocean
Der Elektro-Steirer aus Kalifornien
Arnold Schwarzenegger wanderte aus der Steiermark nach Kalifornien aus und hatte dort Welterfolg. Der neue Fisker Ocean wird zeigen, ob das auch umgekehrt gelingen kann.
Zwar sitzt Fisker in Kalifornien, jedoch wird der vollelektrische Ocean komplett im Magna Steyr Werk in Graz gefertigt und ist somit ein echter Österreicher. CEO Henrik Fisker steht schon immer für großartiges Design. Genial ist der California-Mode, bei dem alle Seitenfenster, die Heckscheibe und das Dach per Knopfdruck verschwinden und sich sofort Cabriofeeling einstellt. Das große Dachfenster verfügt über Solarpaneele, so wird das Auto an schönen Tagen automatisch nachgeladen.
Elektro Start-up
Fisker Inc. mit Sitz in Los Angeles ist ein aufstrebendes Start-up in der Automobilszene. Alleine der Fakt, dass es Henrik Fisker gelang, das Unternehmen an die New Yorker Börse zu bringen und Geldgeber für Entwurf und Massenproduktion zu finden, zeigt, dass es sich um ein ernstzunehmendes Start-up handelt. Allerdings ist es auch so, dass vom ersten Modell ziemlich viel abhängt. Daher muss der Ocean gut werden, um das Unternehmen langfristig als ernstzunehmenden Produzenten zu platzieren und den Platzhirschen Marktanteile wegzuschnappen. Tesla musste erst eine halbe Million Fahrzeuge pro Jahr produzieren, um rentabel zu werden. So ist der Fisker Ocean eine Make or Break Geschichte und deshalb sogar noch spannender. Die Fertigung hat Fisker übrigens komplett an Magna abgegeben. Das Unternehmen vom Austrokanadier Frank Stronach fertigt das gesamte Auto komplett in Graz.
Designwunder
Henrik Fisker kommt eigentlich aus dem Automobil Design. Unsterbliche Autoklassiker, wie der Aston Martin DB 9 und der BMW Z8 stammen aus der Feder des Dänen. Und mit dem Ocean hat Henrik Fisker ein durch und durch ikonisches SUV erschaffen, das optisch seinesgleichen sucht. Ein Startnachteil für den Ocean ist jedoch, dass er auf Fotos und Videos nicht gut zur Geltung kommt. Man muss ihn, so wie wir in unserem Test, live gesehen haben, dann haut er einen aber aus den Schuhen. Die schmalen Frontlichter vor der bulligen Haube, ein extrem gedrungenes Häubchen und vor allem die breiten Radkästen, vor allem hinten, die das Auto unglaublich bullig machen. Zusammen mit den getönten Scheiben und den matten Farbtönen ist der Ocean ein absoluter Designstar. Muskulös wie Arnold Schwarzenegger und trotzdem irgendwie elegant wie James Bond. Schon eine coole Mischung.
Skandichic meets Spacecraft
Was Fisker im Innenraum liefert, ist ebenfalls ganz großes Kino, und nicht nur wegen dem riesigen 17,1 Zoll Display. Fast überall wurden hochwertige Materialien verbaut. Egal ob Sitze, das Armaturenbrett oder die Innentüren, überall greift man gerne hin. Die Sitze sind ohne Schnörkel und vermitteln den Eindruck einer weichen Schale, es sitzt sich auch ausgesprochen gut in ihnen. Leider muten die Knöpfe der Mittelkonsole sowie die Lenkradbedienelemente etwas wackelig an, aber hey, es gibt noch jede Menge Knöpfe, das hat man nicht mehr bei allen Autos. Das Design ist geradlinig und einfach aufgebaut, irgendwie wie die Volvo-Tochter Polestar, aber dann doch wieder ein bisschen spaciger. Der große Touchscreen in der Mittelkonsole verwandelt sich im Parkmodus in ein 16:9 Kinoerlebnis und der California Mode, bei dem sich alle Fenster, ja auch das der Heckklappe, sowie das Panoramaglasdach auf einmal öffnen und aus dem SUV fast ein Cabrio machen, fällt unter die Rubrik „California Dreaming“.
‚Fa(hr)zit‘ durchwachsen
Wer den Designmuskeln des steirischen Kaliforniers erlegen ist, der kann das Fahrerlebnis kaum erwarten. So ging es auch uns, als wir in das Model Extreme einstiegen, das uns mit 571 PS verteilt auf alle 4 Räder den Tag erhellen soll. Und siehe da, motorisch macht er das auch. Das massive Drehmoment von 737 Newtonmetern katapultiert uns in 3,9 Sekunden von 0 auf 100, allerdings ist das beim dichten Wiener Verkehr eher selten möglich. Trotzdem, schnelle Überholmanöver sind mit dem Fisker Ocean kein Problem. Das E-SUV dosiert die Power erstaunlich gut, so hat man nie das Gefühl, mit dem Gaspedal überfordert zu sein (wie z.B. beim Topmodell des Herstellers mit T), leider ist die Lenkung ein bisschen zu unruhig bei Vollgasaktionen und vermittelt nicht ganz die Kontrolle, die man braucht. Dank Allrad und relativ hartem Fahrwerk ist es aber ein Spaß, den Fisker durch die Kurven zu manövrieren, wenngleich man das Gewicht von 2,5 Tonnen aber immer spürt. Sportwagen ist er somit keiner. Trotzdem ist es beeindruckend, dass die 106,5 kWh große Batterie das schwere SUV bis zu 707 km (nach WLTP) bringt. Das ist ein Top Wert. Mit dem großen Solardach lädt man dann sogar während der Fahrt die Batterie wieder auf, dieses ist aber nur in unserer Extreme-Version enthalten.
Fisker Ocean
Motoren: Front-Elektromotor mit 275 PS, Allrad-Elektromotor mit max. 550 PS (je nach Modellvariante)
Batterie: Lithium-Eisenphosphat mit 80 kWh und Lithium-NMC mit 100 kWh (je nach Modellvariante)
Reichweiten: 440–707 km (je nach Modellvariante)
0–100: 3,9–7,4 Sek. (je nach Modellvariante)
Text: Dominic Schafflinger
Bilder: Fisker Inc.
Warten aufs Update
Aber es ist nicht alles Gold was glänzt, denn spätestens bei der Software merkt man, dass Henrik Fisker kein Programmierer, sondern Designer ist. Autonomes Fahren Fehlanzeige, nicht mal einen Spurhalteassistenten hat das Fahrzeug bis jetzt. Das Navigationssystem ist trotz riesigem Mittelbildschirm derart unübersichtlich gestaltet, dass wir auf der Autobahn einige Male die Ausfahrt verpassen, weil es einfach zu spät mit Infos dran ist. Das verwundert vor allem, weil mit TomTom eigentlich ein ansonsten zuverlässiger Partner mit an Bord ist. Wer dann auf Apple CarPlay oder Google umsteigen möchte, wird ebenfalls enttäuscht, denn beides ist im Fisker nicht verfügbar. So müssen wir auch auf Apple Music verzichten. Spotify Kunden haben hier leicht lachen, weil die App standardmäßig im Ocean enthalten ist. Man hat uns zugesichert, dass viele Funktionen via Over-the-Air-Updates kommen werden. Dass diese aber nur für die ersten drei Jahre kostenfrei sind, trübt die Freude darauf etwas.
Steirische Eiche
Es kommt schon ein wenig Nationalstolz auf, wenn man sich bewusst macht, dass man in einem echten Österreicher sitzt, auch wenn die Entwicklungszentrale in Los Angeles beheimatet ist. Und das ist wohl oder übel ein weiteres Kaufargument für den Ocean. Und wie Arnold Schwarzenegger als junger Mann das Risiko auf sich nahm, in den USA ein völlig neues Leben zu beginnen, so müssen auch Fisker Käufer noch einige Risiken in Kauf nehmen. Vertragswerkstätten sind bis jetzt kaum vorhanden. Es gibt keine Garantie, dass Fisker in einigen Jahren noch am Markt ist und in ihm bestehen kann, die Software überzeugt ebenfalls noch lange nicht. Das Wissen um den Erfolg unserer steirischen Eiche Arnold Schwarzenegger erinnert uns aber daran, dass der Mut etwas Neues zu wagen, sich durchaus auszahlen kann.