1974-2024
Fünfzig Jahre VW Golf

Wenn ein halbes Jahrhundert kein Grund zum Feiern ist, was dann?

Im Jahr 1974 rollte der erste Golf als Nachfolger des VW-Käfers vom Band und ist seitdem nicht mehr aus dem europäischen Straßenverkehr wegzudenken. Eine ganze Autoklasse ist nach ihm benannt, die Kompaktklasse ist gleich Golfklasse. Ein Geburtstag ist ein guter Anlass für eine Rückschau auf alle acht Modellgenerationen.

Die Porsche Holding lud am 22.5. zu einem ganz besonderen Jubiläum an den Salzburg Ring. Alle Golfgenerationen wurden noch einmal aufgefahren und auf der Rennstrecke lieferten sich neue und alte Golfmodelle harte Kurvengefechte, während die Geschichte des mittlerweile legendären VW noch einmal an den Besuchern vorüberzog. Jede Zeit hatte ihren Golf, der mit Design und Technik den Zeitgeist einer Epoche widerspiegelte. Im Golf fuhren Hippies oder Arbeiterfamilien in den Süden, CEOs fahren noch immer damit zu Vorstandssitzungen und Selbstständige wirken mit einem Golf nie zu erfolgreich oder zu erfolglos. Er ist ein Allrounder wie kaum ein anderes Auto. Inzwischen steht der neue 8er Golf in den Startlöchern und durfte als Erlkönig bewundert werden.

Golf I (1974-1983) – Aufbruch und Neuanfang

Die Energie- und Wirtschaftskrise der 70er steigerte den Bedarf an kleinen, sparsamen Autos, die trotzdem familientauglich waren. Am 29. März 1974 blickt die Weltpresse gespannt nach München, denn im ehemaligen Olympiastadion soll der Nachfolger des Käfers vorgestellt werden. Jenes Fahrzeug, das nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das Wirtschaftswunder in Deutschland einleitete und das Gesicht von Volkswagen war. Das gesamte Design des neu vorgestellten Golfs und vor allem die Karosserie, die von Giorgio Giugiaro entworfen wurde, spiegelten Effizienz und Einfachheit wider, die in dieser Zeit so gefragt waren.

  • Frontantrieb und quer eingebauter Motor: Markierte einen radikalen Bruch mit dem Käfer-Konzept und bot bessere Raumausnutzung und Fahrdynamik.
  • Leistung: Der Ur-Golf war 1974 mit 50 oder 70 PS erhältlich.
  • Golf GTI: Einführung des sportlichen GTI-Modells (1976) mit 110 PS, das den Kompaktsportwagen populär machte.
  • Golf Cabrio: 1979 feierte es seine Premiere. Gebaut wurde es, wie auch das Käfer Cabrio, bei Karmann in Osnabrück.

Golf 2 (1983-1992) – Stabilität und Wachstum

Wirtschaftliche Erholung und zunehmender Wohlstand prägten diese Ära. Damit wurde der Golf 2 größer und robuster, was dem Bedürfnis nach Sicherheit und Zuverlässigkeit entsprach. Die charakteristische Form blieb in ihren Grundzügen erhalten, erhielt aber zeitgemäße Dimensionen. Die Hutablage war nicht mehr fix mit der Rücksitzbank verbunden, sondern ließ sich aushängen. Auch das Thema Luxus hielt endgültig in der Kompaktklasse Einzug. Auf Wunsch gab es den Millionenseller mit Ledersitzen, Servolenkung, Zentralverriegelung und elektrischen Fensterhebern – 1983 alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

  • Größeres Design: Mehr Platz und Stabilität, robustere Karosserie.
  • Erstmals Katalysator, ABS, Allradantrieb und Servolenkung.
  • Einzige Golf-Generation mit Kompressoraufladung.
  • Syncro: Optionales Allradantriebssystem, das die Traktion und Fahrstabilität unter schwierigen Bedingungen verbesserte.
  • Sicherheitsfeatures: Verbesserte Knautschzonen und Struktur für erhöhten Insassenschutz.
  • Golf Rallye: Speziell für den Einsatz im Rallyesport konzipiert, limitiert auf 5.000 Stück, ausgerüstet mit einem überarbeiteten G60-Motor und ausgestellten Kotflügeln.
  • Golf Country: VW war seiner Zeit um 25 Jahre voraus, als es mit dem Golf Country einen SUV-Golf präsentierte.

Golf 3 (1991-1997) – Sicherheit und Umweltbewusstsein

In den 90er Jahren standen Sicherheitsfeatures und Umweltaspekte im Vordergrund. Der Golf 3 brachte Airbags und effiziente TDI-Motoren, die sowohl Sicherheit als auch Kraftstoffeffizienz verbesserten. Das neue Jahrzehnt läutete Volkswagen mit einem komplett umgestalteten Golf ein. Die dritte Generation verlor das bislang typische Golf-Gesicht mit zwei oder vier Rundscheinwerfern. Der damalige Chefdesigner Herbert Schäfer erinnert sich: „In der dritten Generation spielte das Design eine größere Rolle. Wir haben eine Anmutung gefunden, die typisch ist für den Golf, die Sicherheit und Qualität ausstrahlt.“

  • Airbags und Seitenaufprallschutz: Erhöhung der Sicherheit durch Fahrer- und Beifahrerairbags sowie verstärkter Seitenaufprallschutz.
  • TDI-Motor: Einführung des Turbo-Diesel-Direkteinspritzers (TDI) für bessere Leistung und Effizienz.
  • VR6-Motor: Sechszylinder-Motor mit kompakter Bauweise für sportliche Performance.

Golf 4 (1997-2003) – Technologischer Fortschritt und Qualität

Die späten 90er und frühen 2000er Jahre waren geprägt von technologischen Innovationen und einem Streben nach hoher Qualität. Der Golf 4 setzte auf moderne Sicherheitsfeatures und hochwertige Verarbeitung. Serienmäßiges ESP und der Bremsassistent, der die Bremskraft im Notfall verstärkt, steigerten die aktive Sicherheit. Turboaufladung sowie Direkteinspritzung bei Benzinmotoren und das hocheffiziente Pumpe-Düse-Prinzip bei TDI-Aggregaten läuteten die Effizienzsteigerung ein. Zum Premium-Anspruch gesellte sich eine breite Palette an Motoren mit vier, fünf und sechs Zylindern, Benzin-, Diesel- und sogar Erdgas-Antrieb. Der Golf ist nun als Limousine, Cabrio, Variant, GTI und als Sondermodell GL oder GT erhältlich.

  • Karosserie: Verbesserte Aerodynamik und hochwertigere Verarbeitung.
  • ESP: Einführung des Elektronischen Stabilitätsprogramms zur Vermeidung von Schleudern.
  • Pumpe-Düse-Diesel: Höherer Einspritzdruck für bessere Effizienz und Leistung bei Dieselmodellen.
  • Neues Topmodell in limitierter Auflage: Der R32 bekommt einen 3,2 Liter großen VR6-Motor mit 241 PS und Allradantrieb, wahlweise erstmals auch mit Direktschaltgetriebe (DSG).
  • Golf Variant BiFuel: Mit zwei Tanks ausgestattet, läuft mit Benzin oder Erdgas.

Golf 5 (2003-2008) – Komfort und Innovation

Mit dem Aufkommen von Technologien wie dem DSG-Getriebe und einer verbesserten Plattform spiegelte der Golf 5 den Wunsch nach mehr Komfort und technischen Neuerungen wider. VW machte den GTI wieder zu dem, was ihn groß gemacht hat: eine eigenständige Modellvariante mit markanter Optik, sportlichen Insignien und starkem Antrieb. 200 PS mobilisierte der erstmals im GTI eingesetzte, neu entwickelte 2,0-Liter-Benziner mit Turboaufladung.

  • Neue Plattform: PQ35-Plattform für verbessertes Fahrverhalten und Komfort.
  • DSG-Getriebe: Direktschaltgetriebe mit schnellen Schaltzeiten und besserer Effizienz.
  • Innenraum: Mehr Platz und hochwertige Materialien für besseren Komfort.
  • Golf R32: Letzter Golf mit sechs Zylindern und nunmehr 250 PS.

Golf 6 (2008-2012) – Neustart in die Zukunft

Mehr Elektronik für mehr Bedienkomfort und noch mehr Sicherheit – zwei entscheidende Eckpfeiler der sechsten Golf-Generation. Erstmals kam ein Knieairbag für den Fahrer zum Einsatz sowie die erste Generation von Fahrerassistenzsystemen. Allen voran die automatische Distanzregelung ACC, der selbsttätig lenkende Park Assist und die automatische Fernlichtregelung Light Assist. Das brachte dem Golf VI beim EuroNCAP-Crashtest fünf Sterne und somit die höchste Auszeichnung ein. Der Golf 6 bot verbesserte Aerodynamik, ein Start-Stopp-System und mehr Sicherheitsfeatures.

  • Design: Feinschliff der Karosserie für bessere Aerodynamik und moderneres Erscheinungsbild.
  • Sicherheitsfeatures: Einführung von Knieairbags und elektronischen Sicherheitsassistenten.
  • Start-Stopp-System: Automatische Abschaltung des Motors im Stillstand zur Kraftstoffersparnis.

Golf 7 (2012-2019) – Digitalisierung und Vernetzung

Die 2010er Jahre waren von Digitalisierung und vernetzter Technologie geprägt. Der Golf 7 integrierte fortgeschrittene Assistenzsysteme und setzte auf die modulare MQB-Plattform für mehr Flexibilität und Effizienz. Dank des MQB veränderte sich auch das Design. So rücken die Vorderräder deutlich nach vorn. Folge: Der vordere Überhang wird kürzer, die Motorhaube optisch länger.

  • MQB-Plattform: Modularer Querbaukasten für flexiblere Produktion und Gewichtsreduzierung.
  • Assistenzsysteme: Fortgeschrittene Systeme wie Spurhalteassistent, automatisches Einparken und adaptiver Tempomat.
  • Leichtbau: Reduzierung des Fahrzeuggewichts für bessere Effizienz und Fahrdynamik.
  • Golf GTI: Ab 2013 mit 220 oder 230 PS.
  • Golf R: 2014 mit 300, ab 2017 mit 310 PS.
  • Golf GTE und e-Golf: Erstes Plug-in-Modell und erster Seriengolf mit reinem Elektroantrieb.

Golf 8 (seit 2019) – Nachhaltigkeit und smarte Technologie

Unser heutiger Zeitgeist steht ganz für Nachhaltigkeit, Elektromobilität und smarte Technologien. Der Golf 8 spiegelt dies mit elektrifizierten Antrieben, einem digitalen Cockpit und erweiterten Fahrerassistenzsystemen wider.

  • Digitales Cockpit: Vollständig digitales Display und innovative Bedienkonzepte wie Touchscreens und Gestensteuerung.
  • Fahrerassistenz: Erweiterte Systeme wie Travel Assist für teilautonomes Fahren und Car2X-Kommunikation.
  • Elektrifizierte Antriebe: Einführung von Mild-Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Versionen für bessere Effizienz und geringere Emissionen.
  • 2024: Kommt das neue Modellupdate mit ChatGPT-unterstütztem Sprachassistenten und beleuchtetem VW-Logo.

Golf 9 (ab 2030) – Die Zukunft ist elektrisch

Thomas Schäfer bekräftigte zur 50-Jahr-Feier am Salzburgring noch einmal das Commitment VWs zur Elektromobilität, die auch den Golf einschließt: „Die 9. Generation des Golf wird reinelektrisch sein, aber er wird sich fahren und anfühlen wie ein echter Golf, da können Sie alle sicher sein.“ Auch zu den Produktionsstätten in Deutschland steht VW auch in Zukunft ganz bewusst. So wie der 8er wird auch der 9er in Wolfsburg vom Band laufen.

Text: Dominic Schafflinger

Bilder: Porsche Holding Austria, Dominic Schafflinger

2024-06-12T13:18:04+02:00

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