„Der Dialekt hat mich eiskalt erwischt”
Am 3. März erschien Ina Regens drittes Album. Kurz vor dem Release war die lebensfrohe Sängerin und Songwriterin zu Gast bei uns und gab uns erste Einblicke in ihre neuesten Songs, aber auch in ihr Leben.
Dein drittes Album ist vor kurzem erschienen – was sagt der Titel „Fast wie Radlfahrn“ aus?
Im Leben sagt man oft: „Das ist eh fast wie Radlfahrn“ und wir meinen damit, dass etwas, das wir uns sehr schwer vorgestellt haben, schließlich leichtgefallen ist: Wenn du es einmal gelernt hast, kannst du es für immer. So habe ich es während dieser Schaffensperiode erlebt. Ich kämpfe tatsächlich immer wieder mit meinen eigenen Zweifeln, ob das, was ich der Welt in meiner Kunst zu sagen und zu geben habe, überhaupt gut und wertvoll genug ist. Selbstzweifel sind leider ein konstanter Begleiter in meinem Tun. Als das Album dann aber fertig war, habe ich mir gedacht: Das war fast wie Radlfahrn – im Sinne von, es war schön, ich habe es total genossen, als total befreiend empfunden, dieses Album zu machen.
Ich habe auch das Gefühl gehabt, wenn wir gesellschaftlich auf die letzten drei Jahre zurückschauen, darauf, was seit meinem letzten Album mit uns passiert ist, dass viele sich Gedanken gemacht haben, wie das Leben „danach“ sein wird, wenn uns die Pandemie nicht mehr im Griff hat. Ich hoffe, dass viele, so wie auch ich, die Erfahrung gemacht haben: Hey, wir können das immer noch gut, das mit dem Leben! Das ist fast wie Radlfahrn!
Welcher Song aus deinem neuen Album ist für dich persönlich das Highlight?
Es ist schwer, das zu beantworten. Ich bin wahnsinnig stolz auf „Unwahrscheinlichkeit“, den Song, der sicherlich ungewöhnlich ist für meine Musik, vielleicht auch sperrig, weil er in manchen Facetten so dringlich ist und ungeschönt. Ich bin froh, dass ich mich getraut habe, zu sagen: Hey Leute, es geht echt um was!
Auf der anderen Seite des Spektrums steht wahrscheinlich „A Weg zu mir“, ein Song, der die Tiefe, die mich als Künstlerin und als Mensch ausmacht, mit einer großen Leichtigkeit ausbalanciert. Mit diesem Song kann ich hoffentlich auch andere dazu inspirieren, über sich selbst und ihre Träume nachzudenken, zu zeigen, dass es mit einer Leichtigkeit und Lebendigkeit gehen kann. Seelenarbeit ist nicht immer nur schwer und schmerzhaft. Ich glaube, in diesem Spannungsbogen findet dieses Album statt.
Wenn du Seelenarbeit, Selbstreflexion etc. ansprichst – wie bist du dahin gekommen, wo du jetzt stehst?
Zum einen ist eine gewisse Persönlichkeit oder ein Charakter in mir angelegt, der ganz viel will vom Leben. Ich glaube, ich war schon als Kind eine sehr fordernde, wollende, dringliche, lebenslustige Kleine. Gleichzeitig habe ich in meinem Heranwachsen oft die Erfahrung gemacht, dass es für Menschen in meinem Umfeld oft zu viel war. Insofern gibt es in mir einen Glaubenssatz, der sagt: „Ich bin zu viel“. Diesem Spannungsfeld, mir selbst zu begegnen, stelle ich mich in der Musik, in meinem Schaffen, aber auch immer wieder in Therapie. Ich gehe öffentlich damit um, dass es sehr gut ist, wenn man sein eigenes Seelenleben versteht. Diesen Weg zu gehen, das hat mir die Musik leichter gemacht. Schon als ich noch Songs gecovert habe, haben mich die Texte berührt und inspiriert und dann habe ich selber Texte geschrieben. Das gehört für mich zur Seelenhygiene und auch zu meinem Beruf. Dass ich diesen Beruf ausüben darf, bestätigt mich, dass ich so weitermachen will und – auch in meinen Songs – mit der Lupe aufs Leben und meine, teils unbeleuchteten, Seelenanteile schauen will.
Wie hat es sich ergeben, dass du deine Songs im Dialekt schreibst und singst?
Ina Regen ist meine Geburtsstunde als Dialektmusikerin. Ich habe mich in vielen Bands ausprobiert, auch auf Englisch geschrieben, aber schnell für mich erkannt, wie wichtig mir die Texte sind, dass es mir um den Inhalt geht. Ich war frustriert davon, dass ich in der Moderation erklären musste, worum es in den Texten geht. So war mir klar: Ich muss auf Deutsch texten. Erst habe ich versucht, im Hochdeutschen zu texten, das war aber recht sperrig zu singen, ich habe keinen authentischen Zugang gefunden. Der Dialekt hat mich dann eiskalt erwischt – das war keine Überlegung. Ich hätte auch Angst gehabt, mich bewusst für Dialekt zu entscheiden.
Zu diesem Zeitpunkt war Dialektmusik noch nicht so populär, war sowohl ideologisch als auch musikalisch eindeutig Schlager-gebrandet und das ist nicht das Weltbild, für das ich sprechen kann oder will. Dementsprechend war es ein ganz großes Überraschungsmoment beim Schreiben von „Wie a Kind“, als der Text plötzlich im Dialekt aus mir herausgekommen ist.
Wie hast du überhaupt zur Musik gefunden? Hat sich schon als Kind herauskristallisiert, dass die „Kleine“ Musik machen will?
Ja, das „Mädl am Klavier“ (Anm.: einer der Songs im neuen Album) hat es tatsächlich gegeben. Wir hatten ein Klavier im Wohnzimmer stehen, das war mein Lieblingsspielzeug. Meine erste bewusste Freizeitentscheidung für die Musik war, als meine großen Geschwister mit dem Soundtrack des Musicals Elisabeth heimgekommen sind. Der ist ab diesem Tag auf und ab gelaufen, ich hab das ganze Musical mit meinen Barbies nachgespielt. Also ja, man muss sagen, es war klar, dass ich diesen Weg einschlagen werde. Gleichermaßen – so klar war es nicht, weil niemand in meiner Familie Musiker ist und in irgendeiner Form dieses Leben gelebt hat, das ich heute lebe. Das war so fern von jeder Fantasie oder Vorstellungskraft. Es war auch für meine Eltern schwer, zuzulassen, dass das eine Karriere sein darf, die ich einschlage. Damals gab es viele Ängste und Klischees. Ich bin am Land aufgewachsen, in einem 2.000-Seelendorf, da denkt man bei Musikern und Künstlern an Kurt Cobain oder Kate Moss, alle haben ein Drogenproblem. Ich verstehe, dass sich meine, in gewissem Sinne doch konservativen Eltern gefürchtet haben, was das für die „Kleine“ heißt.
Heute steht „die Kleine“ im Rampenlicht.
Wie geht es dir dabei? Vor allem mit dem Leben in der Öffentlichkeit?
Heute kann ich sagen, dass ich da gut angekommen bin. Es war ein Prozess, der drei Alben-Zyklen gedauert hat: Am Anfang war ich in erster Linie euphorisch, dass mein Lebenstraum wahr wird. Das war das Lebensgefühl der ersten zwei Jahre als Ina Regen, ich hab’s mit jedem Tag gefeiert. Beim zweiten Album habe ich schon gespürt, es hat einen Preis, es hat viel in meinem Privatleben verändert, manche Freundschaften haben darunter gelitten, ich selber habe darunter gelitten, dass ich plötzlich zu Themen im Fernsehen befragt wurde, die meinem Gefühl nach oft auch außerhalb meiner Expertise lagen. Gerade zu Beginn der Pandemie hatte ich das Gefühl, ich war plötzlich eine Person des öffentlichen Lebens, von der man sich eine Vorbildwirkung wünscht. Das war schön, aber ich hab auch die Verantwortung gespürt. Das war nicht immer leicht für mich. Mittlerweile mach ich das zum dritten Mal, mit jedem Album wiederholen sich ja manche Dinge, und ich merke, ich habe gerne eine Stimme, die gehört wird. Egal, ob in meiner Musik oder in einem Interview. Das ist ein großes Privileg.
Wie schaffst du es, Privatleben und das Leben in der Öffentlichkeit zu vereinbaren?
Ich habe lange versucht, das, was Regina an mir ist, zu beschützen. Damit meine ich meine Familie, meine Freunde, die Menschen, mit denen ich in Beziehungen bin. Ich hatte das Gefühl, nur weil ich mich für dieses Leben und diesen Beruf entschieden habe und dies Auswirkungen auf mein Privatleben hat, muss ich versuchen, den Impact im Leben der Menschen, mit denen ich mein Leben verbringen will, so klein wie möglich zu halten. Das ist mir nicht immer geglückt, aber ich glaube, mittlerweile haben wir alle gelernt, Grenzen zu ziehen und auch, dass das okay ist.
Kürzlich hast du dir eine kurze Auszeit gegönnt – drei Wochen Thailand-Urlaub, eine Auszeit, die auch dazu gedacht war, um Kraft zu schöpfen für ein „intensives Jahr 2023“. Warum wird 2023 besonders intensiv?
Es war 2022 schon recht intensiv. Man kriegt gar nicht mit, wie viel Arbeit und wie viele Detailstunden in einem Album stecken. Thailand war nun ein kurzes Durchschnaufen, bevor es jetzt wieder los geht. Diese Monate sind geprägt von der Albumveröffentlichung. Meine Tour beginnt im April, wir sind das ganze Jahr über immer wieder in Österreich unterwegs. Zusätzlich habe ich Musik für einen Film geschrieben. „Kreis der Wahrheit“ setzt sich mit dem Holocaust auseinander und wird voraussichtlich im Frühsommer in die Kinos kommen.
Und dann darf ich dieses Jahr noch ein großes Hackerl auf meiner Bucket-List machen, denn ich mache ein Konzert mit einem Orchester! Die Niederösterreichischen Tonkünstler und ich machen gemeinsam ein Charity Projekt und spielen ein Best of von Ina Regen Musik mit Orchester. Das wird im Juni stattfinden und ich freu mich sehr darauf!
Wie planst du dein Leben, wie sollen sich die kommenden Jahre gestalten? Du hast in früheren Interviews auch oft von deinem Kinderwunsch gesprochen?
Das ist eine schwierige Frage und ich merke, dass ich sie alle paar Monate gefühlt anders beantworten will. Insofern ist es lustig, wenn ich einer früheren Version von mir in einem alten Interview begegne. Es stimmt zum Teil natürlich immer noch. Ich stell mir das Wunder, Mutter zu sein, ein Leben in sich wachsen zu spüren, extrem spektakulär und schön vor. Das ist tatsächlich eine Erfahrung, die ich mir irgendwie wünsche, gleichzeitig stehe ich dem Thema heute auch rational kritischer gegenüber und frag mich, wie sich das zum einen mit meinem persönlichen Leben verbinden lässt und auch mit dem Weltgeschehen. Außerdem hat man es am Ende des Tages nicht wirklich selbst in der Hand. Wir glauben zwar, es mit Verhütung und Planung selbst zu steuern, aber so ist es nicht. Entweder es passiert oder nicht. Wenn es passiert, freu ich mich, wenn nicht, werde ich auch glücklich sein. Und das gilt für mein ganzes Leben.
Text: Doris Thallinger Fotos: Carina Antl, www.kaindl-hoenig.com