
Criticus
Die Auswirkungen des Wohlstands auf unsere Gesundheit
Was kann man heutzutage noch essen? Unser Wohlstand liefert uns eine noch nie dagewesene Palette an Lebensmitteln, aber auch eine noch nie dagewesene Fülle an Unverträglichkeiten und entsprechenden passenden Trends.
Laktosefrei, histaminarm, low carb, fruktosearm und glutenfrei, Chiasamen, Birkenzucker, Erythrit, high-protein Joghurt, Fleischersatz aus dem 3D-Drucker, FODMAP gegen Blähungen und als Ausgleich Nahrungsergänzungsmittel? Einmal ehrlich, hätte so die Uroma gegessen?
Nein, sie hätte sich auf ihren Hausverstand verlassen, hätte das bevorzugt, was regional und saisonal verfügbar ist und einfach gegessen, ohne lange nachzudenken. Dieses Essen, ohne lange nachzudenken, einfach intuitiv das für einen richtige auswählen, das rückt heutzutage in den Hintergrund. Dr. Google liefert uns binnen Sekunden Unmengen an Informationen, aber es fehlt uns ein essenzieller Baustein, das Werkzeug zum Filtern! Einmal gegoogelt, starten wir in die Welt der Verunsicherung. Darf ich das noch essen? Sind nicht alle Lebensmittel schon so vitaminarm, dass ich sowieso ein Nahrungsergänzungsmittel einnehmen muss? Soll ich vorsorglich etwas weglassen, damit ich nicht krank werde? NEIN! Vorsorglich auf bestimmte natürliche Lebensmittel zu verzichten und dafür industrielle Ersatzprodukte zu verwenden, kann niemals eine gute Option sein, denn der Körper verfolgt eine Strategie. Wenn er etwas nicht mehr bekommt, verlernt er, damit umzugehen. Ein Beispiel: Sie bewegen sich nicht, lümmeln nur auf der Couch, ergo – Ihre Muskeln schrumpfen und Ihre Fitness wird immer schlechter. Genau diese Strategie verfolgt auch Ihr Verdauungstrakt. Wenn er etwas nicht mehr bekommt, reduziert er die Enzymaktivität, es kommt zur Unverträglichkeit. Verzichten Sie z. B. auf laktosehaltige Milchprodukte, so werden Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit an einer Laktoseintoleranz erkranken. Fazit: Je mehr Produkte Sie vorsorglich aus Ihrem Speiseplan eliminieren, desto mehr Unverträglichkeiten werden Sie ernten. Damit reduziert sich natürlich Ihre Speisenauswahl, gleichzeitig erhöht sich das Risiko einer Unterversorgung mit lebensnotwendigen Vitaminen und Mineralstoffen. Also kommen Nahrungsergänzungsmittel zum Einsatz. Mit diesen lässt sich aber niemals ein Lebensmittel ersetzen, da viele Wirkstoffe mit den heutigen Technologien noch gar nicht nachgebaut werden können. Zudem unterliegen Nahrungsergänzungsmittel, im Gegensatz zu Arzneimitteln, keiner strengen Regulierung. Sie kaufen also die Katze im Sack. Wenn Sie in diesen Schlamassel geraten sind, dann sind Sie, wenn Sie nicht aus diesem Muster ausbrechen und Ihren Körper entsprechend wiederherstellen, Dauerkunde und Dauerpatient.
Während auf der einen Seite auf bestimmte Produkte und Inhaltsstoffe verzichtet wird, erleben andere Produkte einen Hype, so aktuell das Eiweiß, auch Protein genannt. Aber was steckt hinter diesem Eiweißhype, wozu benötigt der Körper Eiweiß? Salopp ausgedrückt handelt es sich beim Eiweiß um nichts anderes als einen Stickstoffdünger, die chemischen Basis-Bauelemente liefern den Beweis. Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff und eben Stickstoff. Dabei verhält sich der Dünger ähnlich wie auf einer Pflanze. Verwendet man zu wenig, wächst und gedeiht die Pflanze nicht ordentlich, übertreibt man es mit dem Dünger, geht die Pflanze ein. So wie die Pflanze benötigt auch der Mensch nur geringe Mengen an Dünger, gerade einmal 0,8 g pro kg Normalgewicht mit einer Range von maximal 2 g für Spitzensportler im Kraftbereich. Diese Mengen lassen sich locker mit herkömmlichen Lebensmitteln decken. Der Konsum von high-protein Produkten, Eiweißbrot, Düngerwasser alias Protein Water und Eiweißpulver ist daher nicht nur unnötig, sondern kann auch gefährlich werden.
Wenn wir uns also die Auswirkungen des Wohlstands für unsere Gesundheit anschauen, dann hat er uns wohl eines gebracht, die Degeneration unseres Hausverstands und die nicht selten bedingungslose Annahme von Empfehlungen, ausgesprochen von selbst ernannten Ernährungsexperten, die uns via Insta & Co mit ihren Gehirnwäschen noch den letzten Funken Hausverstand aus dem Kopf spülen. Aber das muss nicht sein, als Faustregel gilt, je mehr ein Produkt oder eine Ernährungsweise beworben wird, desto mehr Maden stecken meist dahinter. Stehen Sie auf und lassen Sie sich nicht an der Nase herumführen!
Angelika Kirchmaier zählt zu den bekanntesten Ernährungsexpertinnen Österreichs. Sie verfügt über eine umfassende akademische Ausbildung u. a. in den Bereichen klinische Ernährungsmedizin, Diätologie, Gesundheitswissenschaften und Sport. Kirchmaier betreibt seit knapp 25 Jahren eine ernährungstherapeutische Praxis im Bezirk Kitzbühel/Tirol mit dem Schwerpunkt der Regeneration in unterschiedlichsten Bereichen, z. B. im Sport, bei Krebs, Magersucht, Nahrungsmittelunverträglichkeiten etc.
Mehr unter: www.angelika-kirchmaier.at