Wie Worte wirken

Text: Doris Thallinger

Fotos: Studio Romantic, fizkes, lassedesignen - stock.adobe.com, Christian Streili, Andreas Kolarik

Jedes Wort – gesagt oder geschrieben – hinterlässt einen Eindruck. Es setzt sich im Gehirn fest und erzeugt Emotionen. Die Sprache ist es, die uns Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet und uns eine ungeheure Macht verleiht. Denn Worte wirken – im positiven wie im negativen Sinne.

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was ein Wort alles kann? Es kann schmeicheln oder verletzen, es kann heilen oder vergiften, es kann klären oder verschleiern, es kann manipulieren, es kann beflügeln, aber auch töten; Worte haben schon so manchen Krieg ausgelöst. Auf jeden Fall aber erzeugen Worte Bilder im Kopf sowie Gefühle, die sich wiederum in Gedanken und Handlungen manifestieren. Ein einziges Wort kann ein Leben verändern. Nicht umsonst wird Sprache als eine der mächtigsten Waffen angesehen.

Eine Waffe, die uns allen – mehr oder minder – gleichermaßen zugänglich ist, wenn wir sie zu nutzen wissen. Denn: Beabsichtigt oder unbeabsichtigt, jedes Wort hinterlässt einen Eindruck. Ob dieser Eindruck der vom Sender gewünschte ist, ist eine andere Geschichte. Jedes Gehirn interpretiert das Gesagte auf eine andere Weise. Nicht umsonst strotzt unsere Welt nur so vor sprachlichen Missverständnissen.

Wie unser Gehirn Worte verarbeitet
Unser Sprachzentrum liegt im Großhirn, genauer im Wernicke-Areal, das für das Sprachverständnis zuständig ist, und im Broca-Areal, wo die Sprachproduktion vonstattengeht. Über dieses bahnen sich Worte, vereinfacht dargestellt, ihren Weg in unser Bewusstsein. Bevor sie dieses erreichen, wird ein jedes Wort jedoch emotional aufgeladen – durch Erinnerungen, bisherige Erlebnisse, unser individuelles Verständnis und persönliche Assoziationen. Diese assoziative Aktivierung von Gefühlen und die Bildung neuronaler Bahnen nennt sich in der Fachsprache Priming.

Untersuchungen haben überdies gezeigt, dass die Verarbeitung von Musik dieselben Gehirnströme auslöst wie die Verarbeitung von Sprache, wie der Salzburger Psychologe und Kommunikationswissenschaftler Michael Leitner erklärt: „Die Idee dahinter ist, dass Sprache auch eine Art von Musik ist und auf die gleiche Weise verarbeitet wird. Das rührt unter anderem daher, dass Sprache auch musikalisch erlernt ist. Man denke nur daran, wie man z. B. mit einem Baby spricht, das erinnert schon fast an Singen.“ Aus psychologischer Sicht erfolgt die Verarbeitung des Gehörten in vier Schritten, so Leitner: „Im ersten Schritt, der Decodierung, werden die Signale verarbeitet. Im Schritt der Segmentierung unterteilt das Gehirn den fortwährenden Strom an akustischen Signalen in Phoneme und Wörter. Darauf folgt die Wiedererkennung – die Prüfung dieser extrahierten Worte. Im letzten Schritt werden diese in eine semantische Bedeutung integriert.“ Das Wichtigste jedoch sei die Verknüpfung zu Emotionen: „Sprache erzeugt Emotionen, erzeugt Bilder im Kopf. Diese Verknüpfung von Sprache und Emotionen ist essentiell, um den Alltag bewältigen zu können, um Entscheidungen treffen zu können.“

Die Macht der Sprache
„Sprache ist die Basis für alle Errungenschaften und Entwicklungen, die technisch, gesellschaftlich, politisch und auf allen Ebenen passieren. Ohne Sprache wären wir nie zum Mond gekommen, weil man ein komplexes Zeichensystem braucht, um Ideen auszutauschen. Mit einem weniger komplexen System kann ich lediglich basale Dinge kommunizieren: Achtung, Feind! Da ist Futter, Gefahr, Sicherheit!“, fasst Michael Leitner zusammen, wie wichtig und mächtig Sprache ist. „Die Sprache ist es, die den Menschen in seiner Komplexität auszeichnet. So gesehen ist Sprache ein FURCHTbar mächtiges Instrument, das sowohl Großartiges wie auch Furchtbares ermöglicht.“

Für Stefan Mandl, Trainer, Coach und Unternehmensberater, liegt die eigentliche Macht der Sprache in der Tatsache, dass wir durch sie im Inneren miterleben, worüber gesprochen wird: „Es gibt eine Studie, die zeigt, dass, wenn wir Wörter verwenden oder hören, die mit Schmerz verbunden sind – also zum Beispiel Beinbruch, Geburtsschmerz
o. ä., im Gehirn dieselben Areale aktiv werden, als wenn wir den Schmerz erleben würden. Diesen Effekt müssen wir uns bewusst machen, denn es bedeutet auch, wenn wir jemandem von einem Problem erzählen, kann unser Gegenüber gar nicht anders, als dazu eine Art „Inneres Erleben“ aufzubauen. Das ist von der Wirkung fast so, als würde man es als Zuhörer selbst erleben.“

Die Macht der Sprache liegt also darin, was wir durch sie entstehen lassen. Denn in einem sind sich alle einig: Worte werden früher oder später zur Realität. „Das Phänomen kennen wir schon unter dem Begriff „Selbsterfüllende Prophezeiung“. Klingt ein bisschen nach Esoterik, hat aber ganz klare neurowissenschaftliche Grundlagen. Unser Denken bestimmt unseren Fokus, das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit legen. Und die Energie folgt dem Fokus. Daher ernten wir auch, was wir in Gedanken gesät haben. Es wäre so wichtig, dass wir lernen, uns beim Denken zuzusehen und selber darauf zu achten, wie Gedanken unseren Gefühlszustand verändern“, so Mandl. „Im NLP geht es genau darum: die Macht der Sprache für sich selber zu verstehen. Je genauer Sie sich selber kennen, genau wissen, wie Ihre Sprache und Ihre Gedanken Einfluss auf Ihr Leben nehmen, umso eher können Sie Ihr Leben selber in die Hand nehmen. Sie werden weniger von Gedanken einfach so gesteuert, sondern können jederzeit selbst entscheiden, was Sie denken und worauf Sie Ihren Fokus legen möchten.“ Dass Sprache auch missbräuchlich und manipulativ verwendet wird, liegt auf der Hand und Beispiele dafür liefert uns das Leben Tag für Tag. „Kommunikation ist immer, auch evolutionär gesehen, eine Form der Manipulation. Im Moment geht der Trend meiner Meinung nach stark in Richtung der bewussten Emotionalisierung, auch durch ein Zuviel an Coaching, weg von Inhalten und damit auch weg von einer ehrlichen Kommunikation.“

 

Stefan Mandl

 

Gerade das Neurolinguistische Programmieren hat bisweilen mit einem falschen Image der Manipulation zu kämpfen. Dass diese Attribute fälschlicherweise gerne den Methoden des NLP zugerechnet werden, kann Stefan Mandl nicht nachvollziehen: „Eines ist klar: Je besser Sie über diese Mechanismen Bescheid wissen, umso präziser können Sie das auch im Umgang mit anderen anwenden. Ich habe aber bis heute nicht verstanden, warum man dieses wertvolle Wissen dann ausgerechnet dafür verwenden sollte, damit es anderen schlechter geht, wenn man es doch genauso gut nutzen kann, damit es mir und anderen besser geht.“

Einfluss der Muttersprache
Was aber verrät uns nun die Sprache unseres Gegenübers? Gleich vorweg: So wie Sprache einerseits verbindet, deckt sie andererseits genauso Unterschiede auf. Und das beginnt schon bei der Muttersprache. Diese nimmt großen Einfluss auf die Deutung und Wahrnehmung von Worten. Als Beispiel dafür zitiert Michael Leitner eine Studie, in der russische sowie englische Probanden gefordert waren, Blautöne zu unterscheiden. Den Russen gelang diese Aufgabe wesentlich besser, einfach vor dem Hintergrund, dass die russische Sprache eine Vielzahl an unterschiedlichen Wörtern für Blautöne parat hat. „Sobald etwas einen Namen, eine Bezeichnung hat, nehmen wir es auch tatsächlich wahr. Und je konkreter ein Begriff ist, desto besser ist auch die Vorstellungskraft und Wahrnehmung.“

Nicht minder erstaunlich, dass Menschen, deren Muttersprache Deutsch ist, beispielsweise einer Brücke überwiegend weibliche Attribute zuordnen, allein aufgrund des weiblichen Artikels: DIE Brücke. In Sprachen, in denen der Brücke kein Geschlecht zugeordnet ist (wie the bridge im Englischen), werden der Brücke insgesamt eher männliche Attribute zugesprochen. „Alleine der Umstand, dass es DIE Brücke heißt, formt unsere Wahrnehmung einer Brücke“, so das Fazit von Michael Leitner.

Was kann man aber nun aus der Sprache eines Menschen lesen? „Meist leitet man die falschen Dinge ab. Zum Beispiel werden Menschen, die schnell und klar sprechen, automatisch als intelligent eingeschätzt. Das stimmt einfach nicht – es gibt keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Sprachproduktion und Intelligenzleistung.“

 

Michael Leitner

 

Klare Sprache in Konflikten

Vor allem in Konfliktgesprächen, in Situationen, die spannungsgeladen sind, können Worte wie Dynamit wirken, wenn nicht achtsam damit umgegangen wird. Denn, sind eigene Interessen oder Werte in Gefahr, wird gerne jedes Wort auf die berühmte Goldwaage gelegt. Manchmal entstehen Konflikte auch dadurch, dass das Gesagte sich davon unterscheidet, was beim Empfänger tatsächlich ankommt. „Es ist ganz wichtig, dass ich als Sprecher in einem Konfliktgespräch gegenprüfe, ob das, was ich gesagt habe, auch genauso von meinem Gegenüber wahrgenommen wird, dass das Gesagte dem Gehörten entspricht“, erklärt Monika Schwaighofer, Mediatorin, Trainerin & Coach, „insbesondere, wenn ich bereits an der Reaktion meines Gesprächspartners eine Verunsicherung oder gar Verärgerung wahrnehmen kann.“

Ihr Tipp für eine klare Sprache in Konfliktsituationen ist, die eigene Sprache in „Friedenszeiten“ zu prüfen: „Wir haben alle genügend Sprachwaffen im Repertoire, meist Muster, die wir von Kindheit an gelernt haben, und die nicht sehr konstruktiv sind. Wenn ich mir dieser Muster bewusst bin, sie mir in Ruhe anschaue, dann kann ich diese auch in Konfliktgesprächen leichter überwinden. Denn jeder will im Normalfall konstruktiv kommunizieren und richtig verstanden werden!“

Klare, konstruktive Kommunikation
„Ich muss wissen, was ich im Falle eines Konfliktes selbst will“, so Schwaighofer, „darum muss ich für mich vorab klären, was ich brauche, mich mit mir selbst beschäftigen: Was sind meine Werte, wo liegen meine Grenzen? Wenn ich mir selbst klar bin, wird auch meine Sprache klar und zielgerichtet.“ Aber – vielleicht noch wichtiger als klar zu sprechen, ist das aktive Zuhören! „Zuhören heißt nicht, mit dem Gehörten einverstanden zu sein, aber der andere muss im Konflikt auch das Erlebnis haben, gehört zu werden“, erklärt Monika Schwaighofer weiter. „Jeder Mensch möchte verstanden werden, das ist eines der höchsten Güter. Durch aufmerksames Zuhören kann ich bereits die eine oder andere Situation in einem Konflikt entschärfen!“

 

Monika Schwaighofer

 

Blockaden lösen
Im Rahmen ihrer Coachingtätigkeit arbeitet Monika Schwaighofer auch mit Logosynthese, einer Methode, die der Schweizer Psychologe Willem Lammers entwickelt hat. Die beiden Grundthesen: Unsere Lebensenergie kann entweder frei fließen oder blockiert sein, z. B. durch negative Glaubenssätze, Erinnerungen, Ängste. Und: Energieblockaden können durch die Macht der Worte aufgelöst werden.

Während andere Methoden oft mit Visualisierungen arbeiten, hat Willem Lammers die Wirkkraft des gesprochenen Wortes entdeckt. „Im Prinzip funktioniert es wie ein Gebet oder ein machtvolles Selbstgespräch. Negative Bewusstseinsinhalte werden durch den Einsatz von konkreten Sätzen abgeschwächt bzw. aufgelöst. Unsere Energie steht uns wieder für die wirkliche Aufgabe zur Verfügung.“

 

Buchtipps

 

Hans Eicher: Die verblüffende Macht der Sprache.
Was Sie mit Worten auslösen oder verhindern oder was Ihr Sprachverhalten verrät,
Verlag Springer

 

Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf: In der Sprache liegt die Kraft.
Klar reden, besser leben, Verlag Herder

 

George Lakoff, Elisabeth Wehling: Auf leisen Sohlen ins Gehirn.
Politische Sprache und ihre heimliche Macht, Verlag Carl-Auer