Wenn Roboter Menschen reparieren
Die Zeiten ändern sich. Wo früher noch der Mensch an Maschinen herumschraubte, führen in immer mehr Operationssälen Roboter chirurgische Eingriffe durch. Die Kontrolle dabei behält der Facharzt, zumindest im Moment noch.
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Intuitive Surgical, Wildbild/SALK, Elmar Heinrich
„Es sprechen zwar alle von Robotern, aber eigentlich handelt es sich nur um technische Hilfsmittel, denn“, so erklärt Dr. Elmar Heinrich, der Vorstand der Urologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, „der Mensch steuert die Maschine zu jeder Zeit. Sie hilft, die menschlichen Nachteile des Operateurs auszugleichen.“ Im Team der Barmherzigen Brüder ist der DaVinci-OP-Roboter seit 2017 Standard. Er benötigt nur fünf kleine Einschnitte von jeweils einem Zentimeter und kann in engsten Körperhöhlen arbeiten. Der Roboter unterdrückt Zittern, bietet eine optimale, dreidimensionale Sicht und erlaubt wesentlich mehr Freiheitsgrade in der Bewegung. Ein zusätzliches Feature ist die Fluoreszenzkamera, mit der die optimale Durchblutung von Gewebe kontrolliert werden kann. „Wenn wir im Körper aus Darmgewebe eine neue Blase bilden, können wir durch Fluoreszenz erkennen, ob alles gut durchblutet ist, wenn nicht, kann sofort nachkorrigiert werden. Das bietet dem Patienten Sicherheit“, so Urologievorstand Elmar Heinrich, der mit dem Roboter unter anderem Nierentumorentfernungen oder Harnleiter-Implantationen minimalinvasiv durchführt. Auch das Team von Prof. Klaus Emmanuel, des Ordinarius der Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie des Uniklinikums Salzburg verwendet den DaVinci. „Inzwischen führen wir damit hochkomplexe chirurgische Eingriffe, wie Bauchspeicheldrüsenresektionen oder Speiseröhrenentfernungen durch. In der roboterunterstützten Allgemeinchirurgie etabliert sich Salzburg als europäisches Kompetenzzentrum“, erklärt Klaus Emmanuel. „Wissenschaftlich lässt sich klar belegen, dass die Patienten weniger Blutverlust und Gewebetraumen erleiden und kürzere Zeit im Krankenhaus verbringen“, sind sich beide Top Mediziner einig.
Marktführer mit militärischem Background
Der Marktführer auf dem Gebiet der Roboterchirurgie ist Intuitive Surgical. „Das US-Unternehmen hat einen Forschungsvorsprung aus diesem militärischen Background. Als vor circa 20 Jahren der Afghanistan-Krieg begann, sollten Spitzenchirurgen an der Front verletzte GIs operieren, ohne selbst ins Krisengebiet fliegen zu müssen“, erzählt Klaus Emmanuel aus der Geschichte des Unternehmens. Auch heute noch ist der DaVinci-Roboter von Intuitive Surgical in eine Steuerkonsole, an der der Chirurg sitzt, und eine Robotikeinheit, die am Patienten arbeitet, geteilt. Der Operateur steuert in Echtzeit die Roboterarme und die daran befestigten Instrumente. Dank der bis zu 10-fachen dreidimensionalen Vergrößerung und der millimetergenauen Steuerung kann der Mediziner wesentlich akkurater auf kleinstem Raum vorgehen.
Inzwischen gibt es 380 DaVinci-OP-Roboter im deutschsprachigen Raum. Aber junge Unternehmen drängen auf den Markt. Medtronic arbeitet für den ersten europäischen Roboter mit dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zusammen. „Der Hugo-Roboter ist eher eine Laparoskopie-Unterstützung. Trotzdem möchte ich langfristig einen für die Ausbildung der Assistenzärzte“, bekräftigt Klaus Emmanuel, der in der Uniklinik Salzburg und dem Landeskrankenhaus Hallein über 600 roboterassistierte Eingriffe pro Jahr durchführt und drei DaVincis im Einsatz hat.
Salzburgs Ausbildung ist weltweit einzigartig
„Ich komme aus einer Zeit, da haben wir eine dreistündige Einweisung am OP-Roboter bekommen. Dann haben wir an einem Schwein geübt, um menschenähnliches Gewebe zu simulieren. Das war damals ein Sprung ins kalte Wasser“, erinnert sich Urologe Heinrich, der ein Roboterchirurg der ersten Stunde ist. Meist wird für die Zusatzausbildung am Roboter ein mehrstufiges Programm direkt bei Intuitive Surgical absolviert, das mit Onlinetrainings beginnt und sich über OP-Puppen bis zu digitalen Simulationsprogrammen und Übungen für die Fingerfertigkeit erstreckt. Aber im Uniklinikum geht Klaus Emmanuel inzwischen einen anderen Weg: „Wir waren die ersten und einzigen weltweit, die unabhängig vom Hersteller Assistenzärzte am Roboter ausbilden durften und ich gehe davon aus, dass unsere Herangehensweise bald überall Standard wird.“ Die Uniklinik Salzburg und das Landeskrankenhaus Hallein bieten ein einzigartiges Ausbildungssetting. Die tägliche Notfallmedizin mit 6000 monatlichen Akutfällen in der Chirurgie West macht ein Lernsetting eigentlich unmöglich, im Landeskrankenhaus Hallein hingegen werden keine Not-OPs durchgeführt. Die Assistenzärzte können hier in geplanten Operationen langsam an den Roboter herangeführt werden, ohne auf die massive OP-Expertise des Teams rund um Prof. Emmanuel verzichten zu müssen.
Blick in die Zukunft
Der nächste Schritt in Sachen Roboterchirurgie wird der Single-Port-Roboter, der über nur mehr einen Zugang alle Instrumente in den Körper einbringt und in kleinsten Körperhöhlen operieren kann. „Wir könnten mit so einem Gerät alle urologischen Strukturen operieren, ohne das Bauchfell zu verletzen. Das bringt einen erheblichen Vorteil für die Heilung“, erzählt Elmar Heinrich von den Fähigkeiten der neuen Maschine im Bereich der Urologie. Klaus Emmanuel geht noch einen Schritt weiter: „Der Single-Port eröffnet die Möglichkeit, über Vagina oder Darm im Körper zu operieren und so gar keine Schnitte auf der Haut mehr zu haben. Wir könnten auch Speiseröhrentumore durch den Bauchraum operieren, ohne die Lunge aufschneiden zu müssen. Das ist ein so unglaublicher Vorteil für den Patienten, dass wir eigentlich gar nicht darauf verzichten können!“
Auch in der orthopädischen Chirurgie, die sich mit Operationen am Knochen beschäftigt, drängen roboterunterstützte Systeme auf den Markt. Das US-Unternehmen Stryker hat sich auf roboterassistierte Knieoperationen spezialisiert. Das Miracle-Projekt der Universität Basel nutzt die Genauigkeit von Robotern, um mittels Laser Knochen auf den hundertstel Millimeter genau zu schneiden und Gelenksimplantate minimalinvasiv einzubringen, ist aber noch in der Grundlagenforschung. Klaus Emmanuel und Elmar Heinrich sind sich völlig sicher, dass man Patienten sowie Medizinern den Roboter nicht mehr wegnehmen kann. Der einzige wirkliche Nachteil sind die Kosten von 2,6 Millionen Euro, aber weniger Traumata, schnellere Heilung und verringerte Komplikationen sind nicht nur für den Patienten ein entscheidender Vorteil, sondern amortisieren sich auch volkswirtschaftlich, da die Menschen weniger Nachbehandlungen benötigen und schneller wieder ins Arbeitsleben zurückfinden. Bei der roboterunterstützten Chirurgie gibt es keine Verlierer.
Priv.-Doz. Dr. med. univ. Elmar Heinrich
• Vorstand der Urologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder
• Gründungsmitglied und stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Gesellschaft für Roboterchirurgie
Univ.-Prof. Dr. Klaus Emmanuel
• Ordinarius der Universitätsklinik für Chirurgie am Uniklinikum Salzburg
• Präsident der ACO-ASSO (Österreichische Gesellschaft für chirurgische Onkologie)
• Vorstand der österreichischen Gesellschaft für Chirurgie und Leiter der Fortbildung