Verantwortung am Teller
In einer Welt, in der Nachhaltigkeit und Gesundheit zunehmend in den Fokus rücken, wird das Thema Bio mehr denn je zu einer grundlegenden Lebenseinstellung. Warum bleibt der Schritt zu sauberem, organischem Essen für viele Gastronomen ein schwieriger? Und vor allem: Was kann jeder Einzelne von uns tun, um nicht nur gesund zu leben, sondern auch einen positiven Einfluss auf unsere Umwelt auszuüben?
Text: Susanne Rosenberger
Fotos: Advanced Digital / Georg Kukuvec Photography, Humboldtstubn
Bio ist mehr als nur ein Trend – es ist eine Philosophie, die unser Leben und unseren Planeten nachhaltig prägen kann. Doch während die Regale in den Supermärkten überquellen mit Bio-Produkten, stellt sich eine entscheidende Frage: Wie viel Glaubwürdigkeit steckt tatsächlich hinter den zahlreichen Bio-Siegeln, die um unsere Aufmerksamkeit buhlen? In diesem Artikel beleuchten wir die Herausforderungen, vor denen sowohl Verbraucher als auch Restaurants stehen.
Beginnen wir mit der Frage, woran sich der Konsument heute noch orientieren kann, dem die Natur, das Tierwohl und eine gesunde Ernährung am Herzen liegen? „In einer Zeit, in der wir das Gefühl haben, nichts im Außen beeinflussen zu können – sei es der Klimawandel, die Energiepreise oder das politische System – fragen wir uns oft, was wir noch im Griff haben“, philosophiert Bio-Gastronom Martin Sönmezay von der Humboldtstubn im Gespräch mit der Salzburgerin: „Die einfachste Antwort darauf wäre: Gehe in den Supermarkt, kaufe dir regionale, biologische Produkte und schau darauf, dass du dich sauber ernährst – das dankt dir deine Gesundheit und deine Lebensqualität, du verkleinerst deinen CO2-Fußabdruck und wirst zugleich zum Tier- und Umweltschützer! Es wird uns immer vorgegaukelt, dass es so schwierig ist, dabei wäre es so einfach.“

„Die Gastronomie sollte immer offenlegen, was sie kocht und woher die verarbeiteten Lebensmittel bezogen werden.“
Martin Sönmezay, Betreiber der Humboldtstubn
Passion für sauberes Essen
In der eigenen Küche fällt es oft leichter, auf eine gesunde Ernährung zu achten und natürliche, unverarbeitete Lebensmittel zu verwenden. Diese Ernährungsweise, die sich stark auf pflanzliche Zutaten konzentriert und bewusst auf industriell verarbeitete Lebensmittel mit Zusatzstoffen, Zucker und Transfetten verzichtet, nennt man „Clean Eating“. Daraus ergibt sich auch das Konzept des „Clean Cooking“, das auf die steigende Nachfrage nach gesunden, nachhaltigen und schmackhaften Gerichten in Restaurants reagiert. Die gesundheitlichen Vorteile für die Gäste sind unbestreitbar, und die Verwendung reiner Lebensmittel sollte in der Gastronomie eine Selbstverständlichkeit sein. Indem die Gastronomie auf frische, unverarbeitete Zutaten setzt, trägt sie nicht nur zu einer besseren Gesundheit ihrer Gäste bei, sondern auch zu einer nachhaltigeren und verantwortungsbewussteren Lebensmittelproduktion. Doch leider führt eine Kombination aus wirtschaftlichen Überlegungen, Kundenpräferenzen und einem Mangel an Bewusstsein dazu, dass die wenigsten Restaurants auf sauberes, organisches Essen setzen.
Ein wahrer Vorreiter der gastronomischen Bio-Szene ist die Humboldtstubn, die kürzlich als einziges Restaurant im Bundesland Salzburg mit dem Zertifikat „Gaumen hoch Gold“ ausgezeichnet wurde. Dieses Gütezeichen in Gold erhalten nur jene Restaurants, die folgende strenge Kriterien erfüllen: 90 % Einsatz von Biolebensmitteln, Ausweisung der Hauptlieferanten in den wichtigsten Produktkategorien, frische Verarbeitung von Lebensmitteln, Maßnahmen gegen Lebensmittelverschwendung und ein Sortiment an Biogetränken und -weinen.
Transparenz ist gefragt
In Österreich gibt es einige wenige glaubwürdige Prüfsiegel, auf die man vertrauen kann, das sind etwa Bio Austria oder Demeter – und auf eben diesen Siegeln beruht der Nachweis für das neue, im April 2024 präsentierte Gütesiegel „Gaumen Hoch“. Dahinter steckt eine Kulinarik-Initiative für gastronomischen Wandel hin zu mehr Bio (vornehmlich aus der Region), mehr Saisonalität und mehr Vielfalt. Die teilnehmenden Mitgliedsbetriebe aus der Gastronomie und Landwirtschaft werden dabei einmal jährlich von einer externen Kontrollstelle auf hohe ökologische und biologische Standards geprüft. „Unsere Betriebe gehen die Extrameile in Sachen Transparenz und Lebensmittelverwertung. Sprich: Du weißt, woher dein Essen kommt und dass es verantwortungsvoll verarbeitet wurde“, so die offizielle Stellungnahme von „Gaumen Hoch“. Noch in diesem Jahrzehnt möchte „Gaumen Hoch“ 10 % der Gastronomie zu seinen Mitgliedern zählen. Allerdings schaut die derzeitige Zwischenbilanz noch nicht zufriedenstellend aus: Neben der Humboldtstubn sind in Salzburg nur wenige weitere Gasthäuser und Lokale biozertifiziert, so etwa der Urbankeller, das VOI.bio, Organic Pizza oder der BioBurgerMeister.
Muss Bio teuer sein?
Ein Blick auf die Speisekarte der Humboldtstubn zeigt uns, dass Gerichte aus biologischen Lebensmitteln nicht zwangsläufig teurer sind als die Gerichte in konventionellen Restaurants. Dabei achten die Betreiber Martin Sönmezay und Michael Kalhammer gemeinsam mit ihrem Küchenchef und Einkäufer Florian Ebner darauf, den Lieferanten stets faire Preise für deren artgerechte Produktion und Haltung zu entrichten. Warum es gelingt, dem Gast trotz hundertprozent Bio-Qualität aus biodynamischen und heimisch bezogenen Lebensmitteln moderate Preise anzubieten, erklärt uns Martin Sönmezay so: „Es gibt gewisse Produkte, da ist der Unterschied eklatant, so etwa bei Bio-Fleisch. Darum haben wir bewusst entschieden, kein Kalb auf die Karte zu setzen. Wir führen hingegen Fleischsorten, die preislich für den Gast erträglich sind und versuchen dabei, die Spanne möglichst gering zu halten. Bei anderen Produkten sind es im Einkauf lediglich Nuancen im Preis, etwa beim Gemüse oder bei Milchprodukten“, so Sönmezay über die Preisphilosophie der Humboldtstubn.
2018 kam der Verpächter des früheren Szene-Wirtshauses in der Gstättengasse 4 auf die erfahrenen Gastronomen und Betreiber des Half Moons zu und bot ihnen an, diese weit über die Stadt Salzburg hinaus bekannte Institution zu revitalisieren. „Es war anfangs nicht einfach, den Leuten zu erklären, dass wir jetzt ein Biolokal sind“, schmunzelt Sönmezay, als er von den Anfängen erzählt. „In der Gastronomie müssen wir uns immer in allen Belangen neu erfinden, damit moderne, neue Einflüsse in unsere Speisekarte einfließen – denn nicht nur unser Gaumen freut sich, wenn unser Essen authentisch schmeckt und nachhaltig produziert wurde, sondern auch unsere Gesundheit und die Umwelt“, so der Betreiber, dem es in den vergangenen Jahren gelungen ist, das gastronomische Rad neu zu erfinden und die Quote seiner Stammgäste auf stolze 75 % zu heben. Trotz der großen Beliebtheit der Humboldtstubn möchte Sönmezay sich nicht allein die Lorbeeren dafür anheften: „Wir haben ein Glück, Leute zu kennen, die jeden Tag um 5 Uhr in der Früh aufstehen und in den Stall gehen, die sich entscheiden, dass sie keinen Kunstdünger auf ihre Felder spritzen. Sie bekommen zwar weniger Ertrag, dafür aber ein reines Gewissen. Unsere Bio-Bauern sind die wahren Helden! Wir können die Lebensmittel nur möglichst optimal verarbeiten.“