Un’ emozione per sempre

Von Palermo bis Mailand knallen dieses Jahr die Prosecco-Korken, denn eine Ikone des italienischen Lebensgefühls feiert 140-jähriges Jubiläum. Piaggio erschuf mit Vespa und Ape Fahrzeuge, die Leichtigkeit und Lebensfreude Italiens verkörpern.
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Piaggio / Faber GmbH, Freiberger, KeltenmuseumHallein / Stadtarchiv Hallein, Acceleration Hub GmbH

Wenn Eros Ramazzotti „Emozione per sempre“ singt, könnte er tatsächlich an die Gefährte aus Pontedera gedacht haben. Hier, im Piaggio-Werk, unweit von Pisa, entstanden ab dem Ende des 2. Weltkriegs jene kleinen, zeitlosen Fortbewegungsmittel, die das Fundament des Erfolgs von Piaggio legten. Mit einer Vespa im toskanischen Sommerwind unterwegs zu sein, weckt typisch italienische Emotionen, die für immer im Herzen bleiben.

140 Jahre im Schnelldurchlauf

1884 gründet Rinaldo Piaggio in Genua ein auf Schiffs- und Eisenbahnbau spezialisiertes Unternehmen. Sobald die Luftfahrt populärer wird, steigt er sogar in den Flugzeugbau ein. Hierfür wird 1924 ein neues Werk in Pontedera, unweit von Pisa und Lucca, eröffnet. Seitdem ist die 30.000 Einwohner-Stadt Heimat des Unternehmens. Heute ist Piaggio aus dem Ort nicht mehr wegzudenken und omnipräsent. Vespisti und alle Fans der Motorsportgeschichte sollten beim nächsten Toskana Urlaub das dortige Museo Piaggio auf jeden Fall einplanen. Auf 5000 Quadratmetern befindet sich direkt in den Werkshallen der alten Vespa-Fabrik Italiens größtes Museum für Zweiräder.

Vespa Ciao

Nach dem Zweiten Weltkrieg sind die finanziellen Mittel der Italiener mehr als begrenzt, und so kommt Rinaldos Sohn Enrico genau dort, wo sich heute das Museum befindet, auf die grandiose Idee, möglichst preiswerte Fahrzeuge zu produzieren. Der Flugzeugingenieur Corradino D’Ascanio entwickelt für ihn einen Motorroller, bei dem der bequem sitzende Mensch als Ausgangsbasis dient. Aus diesem preiswerten, aber zugleich ergonomischen Entwurf entsteht die erste Vespa, die später auch zur Ape umgebaut wird. Es folgen 1957 der vierrädrige Kleinstwagen Vespa 400 und 1967 das Tretmofa Ciao.

Moto Guzzi V7 STONE TEN

1987 übernimmt Piaggio dann die österreichische Mofa- und Motorradschmiede Puch und legt damit den Grundstein zur modernen Erfolgsgeschichte des Unternehmens. Neue Motorroller in allen Größen werden neben der Vespa entwickelt, die aber nie denselben Legendenstatus erreichten. 2001 übernimmt man Derbi und 2004 die bekannten italienischen Motorradmarken Aprilia und Moto Guzzi. Piaggio ist heute, 140 Jahre nach Firmengründung, der Marktführer für Rollerbau in Europa. Die Anfänge bleiben aber unvergessen, und die Vespa erstrahlt nach wie vor alle paar Jahre als upgedatetes Modell, als einziges in der Piaggio-Familie mit selbsttragender Blechkarosserie.

Roman Holiday

Die Vespa ist das erste preiswerte Zivilfahrzeug von Piaggio. Das erste Modell kommt 1946 auf den Markt, aber der internationale Durchbruch gelingt der blechernen Wespe 1953. In dem Hollywoodstreifen „Ein Herz und eine Krone“ tourt Audrey Hepburn an der Seite von Gregory Peck auf der Vespa 125 durch Rom. Hepburns erster Leinwandstreifen bekommt drei Oscars, und so wie sich das Publikum in die bildhübsche junge Schauspielerin verliebt, verliebt es sich auch in die Vespa und begründet so ihren Status als Ikone der Motorradgeschichte, die sich fortan auch international bestens verkauft.

Alberto kommt

1996 flitzt die Piaggio Ape über unsere heimischen Fernsehbildschirme. In dem ikonischen Werbespot liefert Alberto seine Tiefkühlpizza in dem kleinen Flitzer aus. Eine ganze Generation wird mit den Werbespots groß. Der Urtyp der flotten Biene, der 1947 als dreirädriger Vespa-Umbau auf den Markt kommt, kann immerhin 200 Kilogramm transportieren. Kleine und mittelständische Unternehmen werden durch die Ape kostengünstig mobil, und die Ladefläche macht großflächige Eigenwerbung möglich. Im Laufe der Jahre erscheint die Ape in verschiedensten Ausführungen, als klassischer Pritschenwagen, als stylisches Klein-Taxi in Form der Ape Calessino oder heute oft als Kastenwagen mit Getränkeausschank. Übrigens, so wie früher in Italien gehört die Ape heute zum asiatischen Straßenbild – in Form von Tuk-Tuks. Vor allem in Indien hat sich Piaggio einen Marktanteil von circa 20 Prozent erkämpft.

Ape Calessino 70

Zwischen Fiat 500 und Ente 2CV

Vespa 400

Tatsächlich passt die Vespa 400 genau in die Lücke der beiden Autoklassiker. 1957 präsentiert Piaggio auf dem Pariser Autosalon seinen vierrädrigen Kleinstwagen. Die Cabriolimousine verfügt über das gleiche abrollbare Stoffdach zwischen den feststehenden Türrahmen wie die französische Ente 2CV. Obwohl man das Auto stolz als Viersitzer bezeichnet, haben im Fond höchstens Kleinkinder Platz. Skurrilerweise wird die Vespa 400 hauptsächlich in Frankreich und Belgien verkauft, weil man sich am Heimatmarkt gegen den neuen Fiat „Nuova“ 500 nur geringe Chancen ausrechnet. Man behält Recht, 1961 wird die Produktion aufgrund sinkender Verkaufszahlen komplett eingestellt. Die Vespa 400 ist das einzige von Piaggio produzierte Auto.

Undercover Legende – Die Halleiner Motorenwerke

Während die Vespa in Italien einen Welterfolg feierte, war dieses Glück nicht allen innovativen Mofa-Herstellern beschieden. In Salzburg wurden 1948 von Ing. Anton Fuchs die Halleiner Motorenwerke gegründet. Hier entstanden bis Ende der 50er-Jahre innovative Lösungen wie Mopeds, Mofas mit in den Rahmen integrierten Tanks und Hilfsmotoren für Fahrräder. Als Produktionsstandort dienten die Grill-Werke in der Davisstraße 9, heute als Alte Tabakfabrik bekannt. In den späten 1950er-Jahren zogen die HMW nach Kottingbrunn in Niederösterreich, was 500 Menschen in Hallein den Arbeitsplatz kostete. Trotz mehrerer Versuche, dem der aufstrebenden Automobilbranche geschuldeten Absatzrückgang entgegenzuwirken, wurde die Produktion im Mai 1962 eingestellt.

2023 wurde die Marke von Elias Juraszovich, Michael Hofbauer, Florian Nimmervoll und Andreas Mariacher wiederbelebt. Ziel der Gründer ist es, die Kluft zwischen städtischen und ländlichen Gebieten zu überbrücken und das Pendlerleben zu revolutionieren. „Wir wollen als Salzburger Traditionsmarke die Zukunft der Mobilität mitgestalten“, so die Gründer. Im Juli werden die ersten neuen HMW-Fahrzeuge vorgestellt und eine Salzburger Legende ist wieder am Leben.