Am liebsten ein Schmunzeln
Text: Natalie Zettl
Fotos: www.kaindl-hoenig.com; Thomas Wizany
Karikaturist, Architekt und seit neuestem Bildhauer – Thomas Wizany liebt die Abwechslung. Über seine Heimatverbundenheit, den Stolz auf seine Söhne und die Liebe zum Leben plaudert er offen im großen Interview.
Sie zeichnen bereits seit 31 Jahren beruflich – in welchem Alter haben Sie Ihre allererste Karikatur erstellt?
Das muss in meiner ersten Zeit am Gymnasium gewesen sein, da habe ich den argentinischen Zeichner Mordillo für mich entdeckt. Seine Zeichnungen haben mir irrsinnig getaugt und der Vorteil war, dass man seine Männchen leicht nachzeichnen konnte. Mit diesen Männchen habe ich eigene Ideen kreiert und daraus ist dann die Karikaturenzeichnerei entstanden – später dann war mir das Glück hold, sodass ich eine Karriere daraus machen konnte.
Sie haben noch einen zweiten Beruf, nämlich Architekt. Was hat Sie an der Architektur am meisten fasziniert?
Als Jugendlicher wollte ich eigentlich immer Schiffsbauer werden, irgendwie haben mich Schiffe schon immer fasziniert. Irgendwann bin ich aber darauf gekommen, dass man als Schiffsbauer in Österreich gar nicht so viele Möglichkeiten hat, so bin ich dann auf Architektur umgeschwenkt. Die Möglichkeiten des Gestaltens sind für den Architekten wahnsinnig groß – das hat mich immer fasziniert. Aber letzten Endes bin ich doch relativ leichten Herzens ausgestiegen, weil meine Wahrnehmung so ist, dass die Architektur immer mehr kommerzialisiert wird. Die eigenen Entfaltungsmöglichkeiten sind dadurch immer weniger geworden. Außerdem – eine der schönen Seiten am Karikaturen zeichnen ist: Wenn man die Bilder wegschickt, ist die Aufgabe erledigt; anders als zum Beispiel bei der Tätigkeit als Architekt, wo sich ein Projekt oft über Jahre zieht. Und selbst dann kann es noch passieren, dass der Bauherr anruft und sagt: „Da ist ein feuchter Fleck an der Wand, kannst du mal vorbeischauen?“ (lacht) Zwar ist es als Karikaturist manchmal stressig, jeden Tag abliefern zu müssen, aber es hat immer einen schönen Abschluss.
Arbeiten Sie gar nicht mehr als Architekt?
Ich baue seit mehr als zehn Jahren nichts mehr. Aber wenn es sich ergibt, gestalte ich zum Beispiel gerne einmal eine Ausstellung. Begonnen hat das mit Mozarts Geburtshaus, dann folgte das St. Peter Museum im Domquartier und im April mache ich eine Ausstellung über Leopold Mozart im Mozart-Wohnhaus. Solche Projekte sind sozusagen meine letzte Nabelschnur zur Architektur.
Was aber für mich momentan am spannendsten ist: Ich habe vor mehreren Jahren mit der Bildhauerei begonnen.
Wie das?
Ich war in Siena bei einem väterlichen Freund von mir, Mauro Berrettini, und habe angefangen, quasi bei ihm in die Lehre zu gehen. Kürzlich – das ist mir auch wieder mit viel Glück zum richtigen Zeitpunkt in den Schoß gefallen – habe ich von Erzabt Korbinian den Auftrag bekommen, im Zuge der Renovierung der Stiftskirche den Altar zu gestalten. Das ist für mich jetzt eine wahnsinnig schöne Aufgabe, die mich sehr inspiriert.
Und was inspiriert Sie beim Zeichnen?
Die Karikatur lebt davon, dass sie höchst aktuell ist – sie muss wie ein frisches Semmerl resch am Küchentisch liegen. Wo die Ideen letztlich herkommen, ist mir gar nicht bewusst. Das ist auch gut so, denn das wäre sonst vielleicht wie bei einem Tausendfüßler: Wenn er anfangen würde, über seine einzelnen Füße nachzudenken, würde er wahrscheinlich aus dem Stolpern nicht mehr herauskommen. Zum Glück gehen weder Ideen noch Themen jemals aus. Wir leben ja wirklich in verrückten Zeiten – das glaubt zwar jede Generation, aber ich habe das Gefühl, momentan ist es wirklich extrem.
Was empfinden Sie als extrem in unserer Zeit?
Wenn ich nur Österreich anschaue, ist es vor allem das ständige Jammern, das mir auffällt. Uns geht es ja wirklich relativ gut. Ich glaube, es würde vielen Leuten gut tun, einmal woanders zu leben, und ich meine damit jetzt nicht gleich in einem Slum in Südamerika. Nehmen wir zum Beispiel einmal Italien, das ja auch ein hochentwickeltes Land ist: Man sieht deutlich, wie sich das Sozialsystem dort von unserem unterscheidet. In Österreich ist wirklich schon vieles relativ gut ausgebaut und ich fände es schöner, Entwicklungen mit einem positiven Ansatz weiter voranzutreiben, anstatt sich immer nur auf das Negative zu fokussieren.
Wie geht es Ihnen als Karikaturist? Gibt es Themen, die Sie nicht aufgreifen möchten?
Es sind weniger bestimmte Themen als eine gewisse Art des Zeichnens, vor der ich mich hüte. Thementechnisch finde ich, es gibt nichts, was man als Karikaturist nicht aufgreifen kann. Aber gerade die typisch französische Art von Karikatur ist mir zu radikal. Natürlich: Das Attentat auf Charlie Hebdo 2015 kann man durch nichts rechtfertigen. Für mich war das ein Riesenschock, umso mehr, weil ich drei der Karikaturisten, die damals umgebracht wurden, persönlich gekannt habe. Aber man spielt natürlich mit dem Feuer… Ich finde es besser, wenn der Witz etwas subtiler ist, etwas hintergründiger. Ein Beispiel: Ich habe kein Problem damit, eine Mohammed-Karikatur zu zeichnen, aber ich würde Mohammed nie völlig entblößen und zur Schau stellen. Für mich müsste diese Karikatur auf subtile Weise einen Gedanken transportieren. Dann fände ich es durchaus legitim, so etwas zu machen. Wie weit er geht, muss jeder Künstler für sich entscheiden – man könnte es vielleicht Selbstzensur nennen. Generell wünsche ich mir als Reaktion auf meine Karikaturen lieber ein Schmunzeln als ein lautes Auflachen – es ist spannend, den Leuten einen Gedanken mitzugeben, den sie vielleicht noch eine Zeit lang mit sich tragen. Ich finde, solange man über die Dinge noch ein bisschen schmunzeln kann, kommt man auch über größere Schicksalsschläge hinweg.
Apropos: Glauben Sie an Schicksal?
Ja, ich glaube tatsächlich, dass vieles vom Schicksal abhängt und man es nicht steuern kann. Aber gewisse Dinge kann man selbst in die Hand nehmen und diese beeinflussen dann wiederum, wie es im Leben weitergeht. Das Glück des Tüchtigen spielt also durchaus eine Rolle!
Haben Sie in Salzburg einen Lieblingsplatz?
(lacht) Ja, in meiner Wohnung fühle ich mich sehr wohl. – Aber Salzburg ist so reich an schönen Plätzen. Meine Frau hat bis vor kurzem für die Stiftung Mozarteum gearbeitet und da waren wir nach der Arbeit oft am Makartplatz. Dort gefällt es mir sehr gut, denn dort scheint die Sonne ganz lange hin. Außerdem habe ich momentan noch einen Lieblingsplatz außerhalb der Stadt: das Marmorwerk Kiefer in Oberalm, wo ich an meinem Altar arbeiten kann. Das ist ein unheimlich toller Ort, ein altes Marmorwerk mit einer langen Geschichte, wo das Handwerk noch sehr präsent ist.
Ich tue mich aber schwer mit einer Eingrenzung: Ich finde Salzburg wunderschön – jeder, der hier geboren ist, hat meiner Meinung nach in der Geburtslotterie schon einen Lottosechser.
Könnten Sie sich vorstellen, woanders zu leben?
Nicht ausschließlich. Aber ich fahre trotzdem sehr oft und sehr gerne weg – mir ist es wichtig, über den Tellerrand hinauszuschauen und andere Dinge zu entdecken. Das hat einen doppelten Effekt: Erstens ist es befreiend, weil Salzburg sich manchmal etwas eng anfühlen kann. Zweitens schätzt man aber die Heimat viel mehr, wenn man dann wieder zurückkommt. Ich bin sehr oft monatelang bei einem Freund in Siena. Diese Stadt ist ein Ort, an dem ich mich wahnsinnig wohlfühle – fast ein wenig näher an mir selbst bin als hier in Salzburg. Aber ganzjährig dort leben möchte ich nicht. Ich finde es einfach super, mit Salzburg und Siena zwei Pole zu haben.
Können Sie auch von unterwegs aus arbeiten?
Ganz hervorragend sogar. Das ist eine der großen Freuden meines Berufs – dass ich örtlich unab-hängig bin! Meine Frau und ich haben letztes Jahr geheiratet und eine dreimonatige Hochzeitsreise gemacht, von Schottland bis nach Napoli. Ich hatte meine Tasche dabei, in der ich meinen Laptop, Scanner und Farben aufbewahre – und dann habe ich jeden Tag gezeichnet und war dank WLAN zuverlässig mit der Redaktion verbunden.
Sie sind also frisch verheiratet?
Ja, wir haben im April 2018 geheiratet. Franziska ist meine zweite Frau und kommt aus Aachen. Wir haben uns über ihren Beruf als Kulturmanagerin in der Stiftung Mozarteum kennengelernt. Inzwischen hat sie dort aufgehört und möchte sich beruflich neu erfinden: Sie hat den Mut, in sich hineinzuhorchen und herauszufinden, was ihr wirklich Spaß macht. Ich finde es sehr spannend, sie in dieser Phase zu begleiten!
Sie sind aber nicht nur Ehemann, sondern auch dreifacher Papa. Was können Sie uns zu Ihren Kindern erzählen?
Ja, ich habe drei Söhne aus erster Ehe. Mein Ältester ist jetzt 23 und dann habe ich noch Zwillinge, die Ende März 21 geworden sind. Ich bin sehr stolz auf sie, weil sie jetzt reif genug sind, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und immer unabhängiger zu werden. Der Älteste wird demnächst mit dem Medizinstudium fertig. Die beiden Jüngeren haben jetzt eine sehr aufregende Zeit hinter sich: Sie haben ihren Zivildienst in Italien gemacht und entscheiden sich gerade für ver-schiedene Berufswege. Demnächst werden sie dann auch studieren.
Was würden Sie der nächsten Generation gerne mitgeben?
Ganz wichtig finde ich es, dass man stets neugierig bleibt – dass man nicht abstumpft, dass man sich das Staunen bewahrt. Und vielleicht ist auch eine gewisse Aufmüpfigkeit zu empfehlen. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen der letzten Generationen, mich selbst durchaus eingeschlossen, sehr angepasst sind und tendenziell immer einheitlicher werden.
Früher scheint es mir mehr schräge Typen gegeben zu haben – und ich fände es toll, wenn die nächste Generation wieder individueller werden würde. Man sollte sein Leben nicht von den gängigen Wegwisch-Medien mainstreamen lassen!
Wurden Sie schon früh gefördert?
Ich habe das Glück gehabt, dass meine Eltern mich einfach haben gewähren lassen, was das Zeichnen betrifft. Sie haben sicher gemerkt, dass ich da ein gewisses Talent hatte und haben mich auch unterstützt, aber sie haben nie versucht, mich in eine Richtung zu drängen. Sie haben mir als Kind sehr viel Freiheit gelassen und das war auf jeden Fall sehr förderlich für meine Entwicklung. Das Zeichnen war eigentlich mehr ein Selbstläufer. Die letzten drei Jahre am Gymnasium hatte ich einen tollen Zeichenlehrer, und der hat mir noch einmal viel mitgegeben – gar nicht so sehr in Sachen Zeichnen selbst, sondern eher, was Kunstgeschichte und das ganze Drumherum anging. Ich habe das Gefühl, dass ich in meinem Leben einfach sehr oft Glück hatte – hätte ich das nicht gehabt, wäre das Zeichnen vermutlich ein Hobby geblieben.
Sie haben ja sehr früh schon angefangen, beruflich zu zeichnen. Wie kam das?
Ich bin ja wirklich ein Glückskind, mir fallen immer zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Dinge in den Schoß, und auch da war es so, dass ich kurz vor dem Zivildienst Helmut Vogl kennengelernt habe, der damals für die Lokal-SN gezeichnet hat. Da war ich circa achtzehn. Ich habe dann meinen Zivildienst bei der Lebenshilfe geleistet und hatte meine Schichten meist morgens und abends, sodass ich tagsüber frei hatte. Als dann Helmut Vogl zur Krone gewechselt ist, hat er mich vorgeschlagen – und so bin ich zu SN gekommen. Durch das Zeichnen konnte ich dann auch mein Studium der Architektur finanzieren.
Karikaturist, Bildhauer, frisch gebackener Ehemann: Wie sieht ein typischer Arbeitstag im Leben des Thomas Wizany aus?
Als Karikaturist kann ich erst tätig werden, wenn die Zeitung im Groben steht. Das heißt, die Vormittage sind eigentlich „zeitungsfrei“ – ich nutze die Zeit für meine anderen Projekte, wie momentan für die Bildhauerei. Meine Arbeit als Karikaturist beginnt meist gegen Mittag, wenn ich in der Redaktion anrufe und mir sagen lasse, was denn in etwa am nächsten Tag in der Zeitung stehen wird, dann zeichne ich so bis siebzehn Uhr, siebzehn Uhr dreißig. Und dann kommt eigentlich der für mich schönste Teil des Tages: Ich esse mit meiner Frau zu Abend und wir reflektieren gemeinsam den vergangenen Tag.
Gab es einmal einen Tag, an dem Ihnen keine passende Karikatur eingefallen ist?
Ja, tatsächlich einmal. Da war der Tag, an dem das Attentat auf Charlie Hebdó stattgefunden hat – da konnte ich nicht zeichnen. Das war ein Tag, an dem mir das Lachen wirklich komplett vergangen ist. Wir haben dann eine schöne Lösung gefunden: Ich durfte einen Text darüber schreiben, wie meine Gedanken als Karikaturist waren. Nachdem der erste Schock abgeklungen war, ging es aber am nächsten Tag wieder.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Ich bekomme relativ wenig direkte Kritik, da ist die Redaktion als Filter dazwischen. Immer wieder einmal leiten mir meine Kollegen Kritik weiter. Das Gute als Karikaturist ist ja, dass man aus der Anonymität heraus arbeitet. Natürlich, nach dreißig Jahren im Job kennen manche mein Gesicht (lacht). Grundsätzlich glaube ich, man hat als Karikaturist einen Bonus, weil es ja den meisten Spaß macht, wenn die Politik ein bisschen durch den Kakao gezogen wird.
Was war das letzte Buch, das Sie gelesen haben?
Philipp Bloms „Die Welt aus den Angeln“ – da geht es um die Kleine Eiszeit von 1570 bis 1700. Das hat mich sehr fasziniert, das kann ich wirklich jedem empfehlen.
Wenn Sie für die Zukunft einen Wunsch frei hätten…
…würde ich mir wünschen, dass alles so gut weitergeht, wie es jetzt läuft!