Spiritualität ohne Grenzen – Das Europakloster Gut Aich als Ort der Begegnung

Am Ufer des Wolfgangsees liegt das Europakloster Gut Aich – ein Ort der Ruhe, an dem Spiritualität und Offenheit Hand in Hand gehen. Hier finden Menschen verschiedener Kulturen und Religionen einen Raum, um gemeinsam zu beten, zu meditieren und sich über ihren Glauben auszutauschen. Die Benediktinermönche des Klosters haben eine Gemeinschaft geschaffen, die auf Dialog und Begegnung setzt und Besuchern zeigt, wie vielfältig gelebte Spiritualität sein kann. Eine Reise ins Europakloster Gut Aich ist eine Reise in die Tiefe – zu sich selbst und zu anderen.
Text: Doris Thallinger
Fotos: Susanne Windischbauer/Europakloster Gut Aich, Marcel Zeumer

Schon beim Betreten der Klosteranlage spürt man die Atmosphäre des Ankommens. Die Gebäude des Klosters strahlen schlichte, harmonische Schönheit aus – alte Mauern und verwitterte Holzfensterrahmen treffen auf moderne, klare Strukturen. Durch große Fenster fällt viel Licht in die Räume, das warme Holz schafft eine einladende Atmosphäre. Wer hier dicke Klostermauern oder monastisch-pompöse Bauten vermutet, dem wird rasch klar, dass der Aufbau des Klosters bereits die Vision, die Philosophie dahinter widerspiegelt: Offenheit, Begegnung und Gemeinschaft. Das gesamte Kloster ist Teil des 300-Seelen-Dorfs Winkl, harmonisch eingebettet in die geografische Struktur und die Natur dieses paradiesisch anmutenden Stückchens Erde.

Das gesamte Areal wirkt schlicht und einladend, mit seiner Mischung aus traditionellen und modernen Stilelementen, die zum Ausdruck bringen, was das Kloster selbst verkörpert: eine Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart, von kontemplativem Leben und Offenheit.

Hier, inmitten dieser spirituellen Oase, scheinen Alltag und Zeit eine andere Bedeutung zu haben. Ein Ort des Ankommens, der Besinnung – und des Dialogs. Denn bei aller Stille und Ruhe, die hier vorherrschen, spürt man eine freundliche Lebendigkeit. Die Mönche, die hier leben und wirken, sind nicht hinter dicken Mauern verborgen, sie sind Teil des alltäglichen Bildes, offen für den Austausch mit den gern gesehenen Besuchern – wie es der Gründungsvision des Klosters entspricht.

Das „Experiment“ Kloster

„Man muss verstehen, dass wir ein Kloster im Aufbau sind“, erklärt Bernhard Pfusterer, der die wirtschaftlichen Geschicke des Europaklosters leitet, „31 Jahre sind für ein Kloster – verglichen mit einem Menschenleben – die Zeit kurz nach der Geburt.“ Und verweist auf das Kloster St. Peter in Salzburg, das, gerade mal 30 km entfernt, seit 1.300 Jahren besteht. „Damals, 1993, war die Geburt des Europaklosters Gut Aich die erste Neugründung im deutschsprachigen Raum nach etlichen Jahrhunderten.“
Anfang der 1990er Jahre sind eine Handvoll junger Mönche, voll von Träumen, voller Enthusiasmus und Motivation und auch einem Hauch von Romantik, auf der Suche nach einem Ort, an dem sie ihre Vision realisieren können. Diesen Ort finden die Mönche 1993, nun nur noch zu dritt, nach einigen Irrungen und Wirrungen, im ehemaligen Gut der Franziskanerinnen im idyllischen Salzkammergut. Zeiten voller Höhen und Tiefen folgen. Fehlende finanzielle Mittel, strukturelle Vorgaben machen die Klostergründung zu keinem leichten Unterfangen. Ab 1994 sind es nur noch Pater Johannes Pausch und Bruder Thomas Hessler, die ihre Kraft in die Zukunft des Klosters einbringen. Rückschläge pflastern ihren Weg, doch viel wichtiger sind die Zeichen und kleinen Wunder, die sie weitermachen lassen, die Unterstützung von vielen Seiten und – nicht zuletzt – ihr Urvertrauen in das Gelingen. Der Salzburger Erzbischof Georg Eder erlaubt schließlich die Neugründung und 1994, am 1000. Todestag des Hl. Wolfgang, wird die Kirche – ehemals Stall, heute das Herzstück des Klosters – geweiht. Der Startschuss zum Experiment Kloster ist offiziell gefallen. In den darauffolgenden Jahren ist das Bild des Klosters geprägt von Auf- und Umbauarbeiten. Neben dem Heilkräutergarten entstehen zunächst ein Gästehaus sowie das Hildegardzentrum für ganzheitliche Gesundheit.

2004 ist es schließlich so weit, das Experiment der Klostergründung ist erfolgreich abgeschlossen: Das Generalkapitel der Österreichischen Benediktinerkongregation stimmt der endgültigen Errichtung des Klosters Gut Aich zu.

Spirituelle Werte und nachhaltiges Wirtschaften

Das Europakloster Gut Aich ist nicht nur ein Ort der Ruhe und Spiritualität, sondern auch ein aktiver und florierender Wirtschaftsbetrieb. „Ein Benediktinerkloster muss sich selbst erhalten können“, so Bernhard Pfusterer, „entgegen der Meinung mancher zahlt den Betrieb des Klosters nicht ‚die Kirche‘.“

Die Mönche haben im Laufe der Jahre innovative Projekte und Geschäftszweige entwickelt, die es dem Kloster ermöglichen, sich wirtschaftlich zu tragen. Im Mittelpunkt stehen – bei allem Druck, rentabel zu wirtschaften – die Werte des klösterlichen Lebens: Nachhaltigkeit, Handarbeit, respektvoller Umgang mit der Natur und allem voran die Gesundheit der Menschen prägen sämtliche Wirtschaftsbetriebe des Klosters, immer vor dem Hintergrund, einen Mehrwert für die Gesellschaft im Großen und den Menschen im Einzelnen zu schaffen.

Gesundheit und Spiritualität im Einklang

Ein zentraler Bestandteil des Klosters ist daher das Hildegardzentrum, das Ambulatorium für Physiotherapie, Psychotherapie und Heilmassage. Hier steht das Wohl des Menschen im Mittelpunkt, und der Fokus liegt auf einer ganzheitlichen Gesundheitsphilosophie, die Körper, Geist und Seele in Einklang bringt. Das Hildegardzentrum basiert auf den Heilmethoden und Weisheiten der heiligen Hildegard von Bingen, einer Benediktinerin und Universalgelehrten des 12. Jahrhunderts.

Die Heilkraft der Natur

Ein wesentlicher Aspekt der Lehren Hildegard von Bingens ist die Anwendung von Heilkräutern und natürlichen Heilmitteln. Diese werden in den Gärten des Europaklosters nach biologischen und traditionellen Methoden angebaut, von den Mönchen gesegnet und in der klostereigenen Produktion, der Kellerei, zu Likören, Salben, Elixieren, Salzen, Räucherwerk und Balsamen weiterverarbeitet.

Auch bieten die Mönche des Europaklosters Seminare über natürliche Heilmethoden, ganzheitliche Gesundheit und Ernährungs- wie auch Fastenkurse an, die auf der Gesundheits- und Ernährungslehre der für ihre Zeit fortschrittlichen und mutigen Benediktinerin basieren.

Neben den medizinischen und naturheilkundlichen Angeboten spielt selbstredend die spirituelle Begleitung eine wesentliche Rolle: Das Europakloster Gut Aich ist ein Ort der Begegnung, von Anbeginn ein Ort, an dem Gäste willkommen sind, Fragende Antworten finden, ein Ort, an dem Menschen sich angenommen fühlen und sich auf die Suche nach einem tieferen Sinn im Leben begeben können. Diesen Besuchern bietet das Kloster am Wolfgangsee die Möglichkeit, für kurze oder längere Aufenthalte in die Ruhe und Spiritualität des Klosters einzutauchen, für spirituelle Einkehrtage, Seminare oder Workshops. Die Gäste können auf diese Weise die klösterliche Lebensweise kennenlernen und sich in einer friedvollen Umgebung weiterbilden.

Kunst und Spiritualität

Dass die Kunst im Europakloster Gut Aich eine wesentliche Rolle spielt, ist kein Wunder, ist doch der Prior des Klosters, Bruder Thomas selbst begnadeter Künstler, wovon im Kloster und auch weit darüber hinaus zahlreiche seiner Werke bezeugen. Diese sind geprägt von einer tiefen Verbundenheit zur Spiritualität, die sich in abstrakten Formen und lebendigen Farben widerspiegelt. Die Kunst von Bruder Thomas ist mehr als nur ästhetische Gestaltung; sie ist ein Weg der Annäherung an das Göttliche und eine Einladung, sich darauf einzulassen.

Neben Bruder Thomas‘ Atelier ist es die klostereigene Gold- und Silberschmiede, in der die Kunst ihr Zuhause gefunden hat. Hier entstehen handgefertigte Kunstwerke, die für ihre Qualität und Einzigartigkeit geschätzt werden.

Ein Kloster für alle Religionen

Seit seiner Gründung verfolgt das Kloster das Ziel, Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen zusammenzubringen, um Verständnis, Respekt und gemeinsames Wachstum zu fördern und hat sich bald als Zentrum der Offenheit und des interreligiösen Dialogs etabliert, als Ort, an dem Menschen aller Glaubensrichtungen willkommen sind und sich über spirituelle und ethische Themen austauschen können.

Im Laufe des Jahres finden im Europakloster Gut Aich zahlreiche interreligiöse Veranstaltungen statt, die die Klostergemeinschaft gemeinsam mit Vertretern verschiedener Religionen und spirituellen Traditionen organisiert. Dazu gehören Vorträge, Seminare, Workshops und Gebetstreffen, bei denen die Teilnehmenden Gelegenheit haben, die Grundlagen und Rituale anderer Glaubensrichtungen kennenzulernen und in einen offenen Dialog zu treten.

Mit den interreligiösen Initiativen setzt das Europakloster Gut Aich ein Zeichen für Toleranz, Respekt und friedliche Koexistenz. Die Botschaft ist klar:

Durch die Begegnung der Religionen können wir zu einem tieferen Verständnis der eigenen und der fremden Spiritualität gelangen – und so gemeinsam zu einem friedlicheren Miteinander beitragen.