Schreckgespenst Angst
Text: Susanne Rosenberger
Fotos: Foto Scheinast, privat, Rene Watzinger, www.tomasztomaszewski.com.pl, LIGHTFIELD STUDIOS - stock.adobe.com
Angst beherrscht die Reihen unserer Gesellschaft – ob vor kleinen weißen Mäusen, der furchteinflößenden Dunkelheit oder einer neuen Corona-Mutation. Was kann man tun, damit die Angst nicht Überhand gewinnt? Welche Techniken können im Notfall helfen und ab wann ist eine Psychotherapie unumgänglich?
„Phobos“ war ein Gott der griechischen Mythologie, der bereits in Homers Ilias Furcht und Schrecken unter den Kämpfern vor Troja verbreitete, demzufolge steht das griech. Wort „phobos“ für Angst oder Furcht. Eine Phobie wird zu den sogenannten Angststörungen gezählt und unterteilt sich in drei Kategorien: Soziale Phobie (Angst vor Kritik, Blamage, Erröten), Agoraphobie (Platzangst) und spezifische Phobie (etwa Angst vor Tieren, Gewitter, Dunkelheit, Höhe, Zahnbehandlungen, Spritzen). Obwohl sich Phobiker bewusst sind, dass die Furcht unbegründet ist, können sie sich nicht davon lösen. Betroffene bauen häufig einen immensen Leidensdruck auf, im schlimmsten Fall kommt es zu sozialer Isolation bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes und der Partnerschaft. Im Vergleich dazu handelt es sich bei Panikattacken um massive Stresssituationen ohne konkreten Auslöser, die etwa mit Herzrasen, Atemnot und Schwitzen einhergehen.
Neue wirkungsvolle Ansätze
Wird eine Phobie diagnostiziert, raten Experten meist zu einer Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten (Antidepressiva oder Beruhigungsmittel). Je nach Intensität und Dauer der Angststörung können aber auch Hypnose, Mentaltraining oder Entspannungstechniken (wie Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation, Meditation, Yoga oder Atemtherapie) hilfreich für Betroffene sein. Diesen Ansatz verfolgt auch die Salzburger Mentaltrainerin Isabelle Fellner, die ihre eigenen Panikattacken erfolgreich überwinden konnte und heute Klienten mit ähnlichen Problemen auf ihrem Weg in ein angstfreies Leben begleitet: „Es geht darum, der Angst wieder den Raum zu nehmen. Viele Menschen denken, die Angst sei ein Teil von ihnen, doch sehe ich die Angst vielmehr als unerwünschten Gast. Sie ist oftmals nicht nur unerwünscht, sondern auch unverschämt – sie nimmt sich jeden Raum, den man ihr gibt. Somit ist es ein Training, der Angst Stück für Stück wieder den Raum zu nehmen und diesen Raum auch wieder mit etwas Stärkendem zu befüllen.“
In ihrem E-Book und Hörbuch „No fear! Panikattacken erkennen und wie du dir helfen kannst“ nennt Fellner wertvolle Stressbewältigungstechniken, die im Notfall rasch helfen können: „Atemübungen (zum Beispiel das Zählen beim Atmen) bieten sich an, denn den Atem haben wir schließlich immer bei uns. Sollte jemand auf diese Übung weniger gut ansprechen, dann gibt es auch tolle Klopftechniken wie EFT (Emotional freedom technique). Manchen Menschen helfen Düfte wie Orange oder Lavendel oder Ankertechniken, um gedanklich wieder in Sicherheit zu gelangen“, so Fellner über ihre Erfahrungen als Mentaltrainerin und Motivationscoach. (www.isiflowing.com) Wenn jedoch in Situationen von Angst oder Panik weder Ruhe, Schlaf, Ablenkung, Sport, noch der Kontakt zu Freunden und Familie hilft, sollte man sich immer an einen spezialisierten Psychotherapeuten wenden.
Arbeit mit dem Unbewussten
Das Ehepaar Dr. Eva-Maria Mende und Dr. Matthias Mende bedient sich bei Phobien und anderen Angststörungen der Methode „Hypnosepsychotherapie“, einer in Österreich gesetzlich anerkannten und im Gesundheitsrecht verankerten Psychotherapiemethode. „Der typische Ablauf einer Hypnosesitzung besteht aus einer formalen Tranceinduktion mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu fokussieren, Nebensächliches auszublenden und dabei gut entspannt zu sein. In der hypnotischen Trance wird es dann möglich, die bestehende seelisch/körperliche Problematik mit innerer Gelassenheit zu konfrontieren. Auf diese Weise werden umfassende Lernprozesse auf emotionaler und vegetativer Ebene angeregt, die zu einer Neuverarbeitung und Auflösung der Problematik führen“, erklärt die Hypnosepsychotherapeutin Dr. Eva-Maria Mende den Ablauf der Behandlung. Angstauslösende Situationen einer spezifischen Phobie, wie etwa einer Spinnen-Phobie, können in der entspannten Trance aufgelöst werden, während bei komplexeren Angststörungen wie einer generalisierten sozialen Phobie umfassendere Therapieansätze erforderlich sind. „Das Spektrum der Angststörungen ist so breit, dass die notwendigen Behandlungszeiten sehr stark variieren. Eine individuelle Prognose lässt sich jeweils nach den ersten Sitzungen stellen“, klärt uns der Lehrtherapeut für Hypnosepsychotherapie, Dr. Matthias Mende, zur erforderlichen Therapiedauer auf, die von vielen Faktoren abhängt: Wie lange besteht die Problematik schon? Wie weit haben die Ängste bestimmend in den persönlichen Alltag eingegriffen? Wie umfassend ist das Vermeidungsverhalten und wieviel Eigeninitiative zeigen Betroffene?
Psychische Folgen der Pandemie
Wer davon ausgeht, dass in der Pandemie soziale Phobien bzw. Angststörungen zugenommen hätten, der irrt jedoch. „Im Gegenteil, viele Menschen mit sozialen Phobien erleben es als eine Entlastung, die gefürchtete soziale Situation nicht mehr aufsuchen zu müssen. Das angstbedingte Vermeidungsverhalten ist auf einmal eine offizielle Empfehlung. Der Rat, besser zu Hause zu bleiben und wenig zu unternehmen, kommt auch den Vermeidungstendenzen von agoraphobischen Patienten sehr entgegen“, schildert Dr. Eva-Maria Mende ihre Erfahrungen als Verhaltens-/Traumatherapeutin und Notfallpsychologin und gibt zu bedenken, dass die erlebte Erleichterung jedoch trügerisch ist, da die Angst mit der Vermeidung zunimmt. Äußern wird sich dies, wenn die bestehenden Restriktionen wieder aufgehoben sind.
Auch Patienten mit hypochondrischer Angst sind interessanterweise kaum von der Pandemie betroffen. „Der Schwerpunkt der Corona-bezogenen psychischen Beschwerden liegt eindeutig mehr bei der Depression als bei den Ängsten“, resümiert Dr. Matthias Mende seine tägliche berufliche Erfahrung als Klinischer und Gesundheitspsychologe sowie Notfallpsychologe und Traumatherapeut: „Die Folge durch die Einschränkung der Sozialkontakte sind depressive Reaktionen unter anderem mit Antriebslosigkeit, Stimmungstiefs, Grübeleien, Schlafstörungen, dem Verlust der gewohnten Tagesstruktur und Resignation.“