„Mehr ist mehr“

Seit ihrem ersten Auftritt als Dragqueen in Salzburg ist der Name Gigi La Pajette ein Garant für gute Stimmung, brillante Unterhaltung und mitunter auch Gänsehaut-Feeling. Kurz vor ihrem Auftritt empfängt uns die, wie immer, perfekt gestylte Gigi im arte Hotel Salzburg und gewährt uns Einblicke in ihre Entstehung, ihre Rolle und das Leben als Dragqueen.
Text: Doris Thallinger
Fotos: Schnabler Richard, Julia Novak & Patrick Gutmann
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Was war die Geburtsstunde von Gigi La Pajette? Wie und warum ist sie entstanden?

Gigis Geburtsstunde war 2013 in Hamburg in einer lustigen Partynacht mit Freunden, damals noch völlig out of drag. Wir waren einfach vier Männer, die auf der Reeperbahn feiern gegangen sind und beschlossen haben, uns für diese Nacht Dragqueen Namen zu geben und uns die ganze Nacht so anzusprechen. Ich war Gigi, es gab Bibi, es gab Lulu, es gab ZaZa. Wir waren die ganze Nacht feiern und sind um 6 Uhr morgens in ein Pizza-Restaurant auf der Reeperbahn gegangen. Dort sind wir unabsichtlich in eine Rangelei gekommen, woraufhin die auch auf uns losgegangen sind. Ich war nie der körperliche Mensch, darum bin ich an der Seite gestanden, angeschickert wie ich war, mit meinem Pizzastück, das irgendwann zu Boden gegangen ist. Und da hab ich so einen Aufstand gemacht, damit ich ein neues Pizzastück kriege, dass die Dame hinterm Tresen mir zwei Pizzastücke geschenkt hat und gesagt hat: Bitte nehmen Sie, aber Hauptsache, Sie gehen! Die anderen haben das so lustig gefunden, dass Gigi zu meinem privaten Spitznamen wurde. Körperlich geboren, also kleidungs- und haartechnisch, wurde Gigi dann Ende 2013 in einer anderen Partynacht. Das „La Pajette“ ist 2015 dazugekommen, weil Gigi glitzert und ohne Glitzer das Haus gar nicht verlässt.

Wie sind deine Erfahrungen als Dragqueen in Salzburg?

2017 hatte ich in Salzburg meinen ersten Event, das war die Lange Nacht der Vielfalt. Das Verständnis ist mit den Jahren gewachsen und die Situation seither etwas einfacher geworden, das ist auf jeden Fall zu beobachten. Natürlich gibt es immer noch die Blicke, den einen oder anderen Spruch, der einem auf der Straße nachfliegt.

Auch in Richtung Ablehnung und Diskriminierung?

Punktuell, aber nicht mehr so wie noch vor zehn Jahren. Drag wird langsam salonfähiger oder auch zunehmend kommerzialisiert. Mir ist wichtig, dass es eben nicht nur im Dunklen, in der Szene-Bar abläuft, sondern auch zum Beispiel hier, in dem wunderschönen arte Hotel, wo wir regelmäßig Gigis Brunching Divas haben oder wir, so wie heute Abend, als „G & G LIVE!“ auftreten, dass wir unsere Kunst ans Tageslicht holen und sagen: Schaut, wir sind gar nicht so, wie ihr denkt! Wir sind einfach lustige Menschen, die sich ein bisschen Lippenstift ins Gesicht auftragen.

Du bist der Star unter Salzburgs Dragqueens – wie groß ist die Community, bzw. die Szene hier in Salzburg?

Damals, als ich angefangen habe, war ich wirklich eine der ersten, die an die Öffentlichkeit gegangen ist. Die Szene wächst. Ich habe 2016/17 mit ersten Veranstaltungen, wie Bingo-Abenden usw. in Salzburg gestartet. Mittlerweile gibt es ein Drag Kollektiv, das den vielen neuen, jungen Artists, die sich ausprobieren wollen, eine Bühne bietet. Es gibt ein paar fantastische Drag Künstler im Umland, aber – und das meine ich ohne Wertung – dieses wirklich „große Drag“ gibt es kaum in Salzburg. Es gibt viele, die sich ausprobieren wollen, aber die nicht DAS hier machen. Davon gibt es zwei, drei, die auch viel mit mir zusammenarbeiten, wie Trina Crystal und Hairy Puta.

Es gibt Unterschiede von Drag, ohne diese zu bewerten: Was viele mit Drag verwechseln, sind Transgender-Personen, die im falschen Körper geboren wurden oder Cross Dresser – also Herren, die sich für Bettgeschichten als Frauen verkleiden. Dann gibt es Travestie-Künstler, die sind den Dragqueens ähnlich, aber schlüpfen immer wieder in andere Rollen, d.h. eine Travestie-Künstlerin verkörpert einmal die Jazz Gitty, dann die Helene Fischer, dann Cher usw., mit häufigen Kostümwechseln und vielen Federn. Dann gibt es Experimental Drag: Diese kaufen sich keine pompösen Roben, sauteuren Schmuck oder die halbechten Haare, sondern probieren sich mit einem H&M-Kleid aus und experimentieren. Und es gibt eben Drag QUEENS – und deswegen auch Queens, weil wir einfach over the top sind! Das und die Tatsache, dass man immer in diese eine Rolle schlüpft, das macht den Unterschied. Ich singe auch live Lieder von anderen Künstlern, aber ich singe als Gigi und versuche nicht, einen Star zu doubeln. Auf der Bühne gibt es nur Gigi!

Gigi ist der Star! Was macht Gigi aus? Was macht dich so besonders?

Gigi nimmt nicht alles und auch sich selbst nicht zu ernst, alles ist lustig, es gibt immer einen Schenkelklopfer. Ich bemühe mich, den Menschen für einen Abend den Ernst des Lebens zu klauen. Die Leute sollen für den Moment aus ihrem Alltag entfliehen, bespaßt werden und im besten Fall mit einem Lächeln oder auch gerne ein wenig schmunzelnd nachhause gehen.

Die guten Eigenschaften der Gigi La Pajette liegen damit ja auf der Hand. Gibt es auch weniger gute?

Ja! Pünktlichkeit! Bei mir sind es immer diese 5 bis 10 Minuten. Zeitmanagement ist, glaube ich, die größte Schwäche von Gigi. Meist merken es die Menschen nicht, Gott sei Dank, vor allem, weil ich es immer auf andere schiebe.

Wie lange dauert es, bis du ausgehfertig bist?

Fünf Minuten! Darum komme ich immer fünf Minuten zu spät, weil ich immer dann anfange, wenn ich fertig sein sollte. Nein – im Schnitt zwei bis drei Stunden, das fängt beim Rasieren an, bis ich dann in High Heels stecke und fix fertig bin, sind das dann rund drei Stunden.

Wo und auf welchen Events kann man dich demnächst bewundern?

Ich bin im OFF Theater, wie schon in der vergangenen Spielzeit, in „Club Oberon“ zu sehen. Die Herbsttermine sind fast ausverkauft, aber wir sind jetzt schon in Verhandlung für 2025. Weiters bin ich in einem neuen, alten Stück – das Stück hat es im OFF Theater vor 15 Jahren schon mal gegeben: „Taxi, Taxi“, eine Boulevard-Komödie aus den 80er Jahren, gibt es jetzt in einer Neuauflage, in der ich auch einen Part übernehmen werde. Und natürlich das Drag Bingo im OFF Theater, es gibt ein Weihnachts-Drag-Bingo am 21. Dezember.

Am 28. September veranstalten wir im Restaurant Furo die erste Drag Silent Disco in Salzburg, mit drei verschiedenen DJs, drei verschiedenen Musikrichtungen, dazwischen performen Dragqueens. Das Lustige an der Sache ist: Alle haben Kopfhörer auf, sogar die Dragqueens, während sie performen, denn sonst hören sie ja die Musik nicht! Die Brunching Divas hier im arte Hotel laufen natürlich weiter und ein, zwei Sachen sind gerade im Gespräch, aber noch nicht offiziell fixiert.

Was macht das Liebesleben der Gigi La Pajette?

Ja, das Liebesleben! Ich hatte so viele Männer in meinem Leben… nein, im Ernst: Gigi ist generell immer Single.

Um sich alle Chancen offen zu halten?

Natürlich, eine Dame von Welt! Selbstverständlich hat sie den einen oder anderen Ex-Mann, aber aktuell ist sie Single.

Was muss ein Mann mitbringen, damit er das Herz der Gigi erobern kann?

Diesen Mann wird es wahrscheinlich nicht mehr geben. Mit einer Drag Queen zusammenzuleben ist sehr, sehr anstrengend. Privat ist es relativ schwer – um auf die Privatperson hinter Gigi einzugehen. Es ist schwer, einen Partner zu finden, der damit klarkommt. Viele denken, wir rennen auch im Alltag so herum. Oder, dass unsere Wohnungen genauso aussehen wie wir. Nein, um Gottes Willen! Es ist mein Job, keine sexuelle Einstellung. Mein Cousin – out of drag spreche ich immer in Cousin-Form von mir – mag es sehr, sehr schlicht, einfach und ruhig. Ich allerdings sage: Mehr ist mehr!