Kraft aus der Mitte

Die Rumpfmuskulatur spielt eine zentrale Rolle für die Stabilität und Funktionalität des menschlichen Körpers, sie ist entscheidend für eine korrekte Körperhaltung, das Gleichgewicht und die Stabilität der Wirbelsäule, was für Bewegungen im Alltag und im Sport unerlässlich ist.
Text: Susanne Rosenberger
Fotos: Adobe Stock, Sabrina Perauer-Wallinger, Ivana Mirkovic / mivana.at, Bettina Wiesenegger

Die Rumpfmuskulatur umfasst alle Muskeln der Körpermitte: die geraden Bauchmuskeln, die schrägen Bauchmuskeln und die Muskulatur der Lendenwirbelsäule.

Insbesondere in einer Zeit, in der viele Menschen lange Stunden am Schreibtisch verbringen, ist die Stärkung der Rumpfmuskulatur von großer Bedeutung. Durch gezielte Übungen und regelmäßiges Training kann jeder dazu beitragen, seine Stabilität im Rumpf (auch Torso oder Core genannt) zu verbessern und somit langfristig die Gesundheit und Lebensqualität zu fördern. Dazu eignen sich regelmäßiges Krafttraining, Ausdauersportarten wie Laufen, Schwimmen und Radfahren oder Disziplinen wie Yoga und Pilates. Zwei Experten geben der SALZBURGERIN kompetente Auskunft über gezieltes Core-Training: der Physiotherapeut, Sportwissenschafter und Chiropraktiker Patrick Rasch und die zertifizierte, in Salzburg unterrichtende Yogalehrerin Bettina Wiesenegger. Ob kraftvoll oder sanft – lesen Sie hier, wie Sie Ihre Mitte stark halten können.

Komplexes Muskelkorsett

Die Rumpfmuskulatur besteht aus einer komplexen Kombination und Synergie verschiedener Muskelgruppen, die eng zusammenarbeiten, um den Torso zu stabilisieren und Bewegungen zu ermöglichen. Hierzu gehören die Bauch- und Rückenmuskulatur, aber auch die tiefen Muskelschichten, die das Becken und die Wirbelsäule unterstützen.

„Eine schwache Rumpfmuskulatur kann zu Haltungsproblemen wie Rundrücken oder Hohlkreuz führen.“ – Patrick Rasch

Wir fragen den Physiotherapeuten Patrick Rasch von der Praxis TherapieVision in Puch-Urstein, warum es so wichtig ist, den Rumpf zu trainieren: „Im Alterungsprozess durchläuft die Muskulatur eine Reihe natürlicher Veränderungen, die sich auf Kraft, Ausdauer, Funktionalität und Beweglichkeit auswirken. Diese Veränderungen resultieren aus einer Kombination von biologischen Prozessen und verringertem Bewegungsniveau im Alter. Das Training des Rumpfes ist nicht nur für eine bessere Optik wichtig, sondern hat zahlreiche gesundheitliche und funktionale Vorteile“, erzählt Rasch. Zu diesen Vorteilen zählen eine starke Körperhaltung, Unterstützung des unteren Rückens, Stabilisation für unsere Extremitäten, Vorbeugung von Verletzungen, bessere Atmung sowie eine merkbare Erleichterung bei alltäglichen Aktivitäten wie Bücken, Stehen oder Heben von schweren Einkaufstaschen.

Übungen für eine starke Mitte

„Eine Kombination aus funktionellen Übungen und sportlichen Aktivitäten, die Balance und Stabilität fordern, ist ideal, um alle Muskelgruppen des Rumpfes anzusprechen. Funktionelle Übungen sind dementsprechend Bewegungen, welche auf die wichtigsten Funktionen im Alltag, Beruf oder Sport eines Individuums abgestimmt sein sollten“, sagt Patrick Rasch, der in seinen Praxen gezieltes Core Training und medizinisches Aufbautraining für eine starke Mitte anbietet.

Sportarten wie Schwimmen, Radfahren und Laufen können ebenfalls zur Rumpfstabilität beitragen, wenn sie mit gezielten Rumpfübungen kombiniert werden. „Laufen, sowie es der Mensch schon seit tausenden von Jahren betreibt, stellt ein ideales Training für die Wirbelsäule und die Rumpfmuskulatur dar“, bestätigt auch Rasch, für den zur funktionellsten Übung jedoch die Kniebeuge (Squat) zählt: „Mit Squats kann die wichtige Funktion Hüftstreckung sehr elegant mit dem Training der Rumpfmuskulatur kombiniert werden. Variationen mit Langhantel oder einer Kettlebell vor der Brust aktivieren die Bauchmuskeln noch stärker, da das Gewicht eine zusätzliche Herausforderung für die Rumpfstabilität darstellt.“ Weitere Übungen, die den Rumpf effektiv trainieren, da sie sowohl stabilisierende als auch dynamische Muskelarbeit erfordern, sind etwa Kreuzheben (DeadLift), Farmers-Walk etc. Die Kombination aus freien Gewichten, einseitigen Belastungen und komplexen Bewegungsmustern sorgt dafür, dass Bauch-, Rücken- und die tiefen Muskeln gleichermaßen gestärkt werden.

Vorsorge für Rücken & Gelenke

Eine gut trainierte Rumpfmuskulatur absorbiert Stöße und verringert das Risiko von Verletzungen im Rücken- und Gelenkbereich. „Eine Instabilität in der Körpermitte kann dazu führen, dass die umliegenden Gelenke (Knie, Hüften, Schultern) mehr Arbeit leisten müssen, um die Bewegungen zu stabilisieren. Dies erhöht das Risiko für Abnutzungen und Verletzungen“, führt Patrick Rasch aus. Eine starke Rumpfmuskulatur nimmt den Gelenken diese Mehrarbeit ab und verteilt die Belastung effizienter, dies entlastet besonders die Gelenke der unteren Extremitäten, wie Knie und Hüfte.

Darüber hinaus spielt die Core-Muskulatur eine entscheidende Rolle bei der Übertragung von Kraft zwischen Ober- und Unterkörper, was die Leistungsfähigkeit in sportlichen Aktivitäten maßgeblich beeinflusst. Eine starke Körpermitte dient aber nicht nur der Leistungssteigerung im Sport, sondern ist auch ein wichtiger Faktor zur Vorsorge gegen Rückenprobleme, Haltungsfehler und Gelenkbeschwerden. Sie unterstützt die Wirbelsäule und entlastet die Gelenke, wodurch das Risiko von Verletzungen und chronischen Schmerzen verringert wird. „Die Rumpfmuskulatur unterstützt das Becken und verhindert ein Kippen oder Verdrehen, was entscheidend für die Haltung ist. Ein stabilisiertes Becken sorgt für einen geraden Rücken und eine gleichmäßige Belastung auf Beine und Hüfte. Weiters entlastet eine starke Rumpfmuskulatur die Bandscheiben und die kleinen Wirbelgelenke, da sie die Wirbelsäule stabilisiert und Bewegungen abfängt“, so der Physiotherapeut.

Aufrecht und gesund

„Im Yoga wird eine Grundstabilisierung und Kraft von der Zehenspitze über den ganzen Körper bis zur Fingerspitze aufgebaut.“ – Bettina Wiesenegger

Indem Yoga die Flexibilität, Stabilität und das Gleichgewicht fördert, verfolgt es zwar einen leicht anderen Ansatz als Kraft- und Ausdauertraining, bringt aber dieselbe Wirkung für einen starken Torso. Dabei liegt im Yoga der Fokus auf der Atmung und der Verbindung von Körper und Geist. „Im Yoga baue ich eine Grundstabilisierung und Kraft von der Zehenspitze über den ganzen Körper bis zur Fingerspitze auf, dabei hilft auch ein kraftvolles Fußgewölbe für die restliche Körperhaltung. Dies ist der Unterschied zu isolierten Körperübungen in manch anderen Sportarten, in denen nur der Rücken oder Bauch trainiert wird“, erzählt uns die erfahrene Salzburger Yogalehrerin Bettina Wiesenegger (life is all about balance).

Dabei verhilft die körperliche Aufrichtung auch zu einer geistigen Aufrichtung, Fokussierung und Zentrierung, wie uns Bettina Wiesenegger weiter erklärt: „Wenn es jemandem nicht gut geht, erkennt man dies auch an einer gebückten Haltung, die Schultern hängen nach unten, der Rücken ist krumm. Das heißt, ich kann durch eine gezielte aufrechte Haltung auch umgekehrt auf meinen Gemütszustand einwirken, mich aufrichten, mit beiden Beinen am Boden stehen und über die körperliche Aufrichtung positiv auf meine innere Balance einwirken“, sagt Wiesenegger, „außerdem habe ich durch eine aufrechte Haltung mehr Platz für meine Organe, somit werden diese besser versorgt und es bleibt mehr Raum für eine tiefe Atmung.“ In unserer Körpermitte verlaufen nach yogischer Sicht unsere 3 Hauptenergiekanäle, an denen wie Räder unsere Chakren sitzen. Das dritte Chakra (Solarplexus) prägt unsere Mitte und steht dabei für Selbstsicherheit, Bewusstsein über die eigene Identität, aber auch für Disziplin.

Durch das lange statische Halten auf den Armen werden beim Yoga bei manchen Asanas alle Muskeln im Rumpf aktiviert, wie etwa beim Brett oder seitlichen Brett. „Auch das Dreieck, der seitliche Winkel und alle Krieger Varianten zählen dazu, der Stuhl und nicht zu vergessen die rückenstärkenden Rückbeugen bei Heuschrecke und Kobra“, fasst Bettina Wiesenegger eine Reihe an Asanas zusammen, die die Körpermitte kräftigen und festigen.

Die Körpermitte steht im Yoga für innere Stabilität und Willensstärke sowie die Kraft, Entscheidungen zu treffen.