„Wir Gastronomen sind Glücklichmacher!“
Mit insgesamt 26 Lokalen an neun Standorten in Österreich und Deutschland ist Heiner Raschhofer ein echter Vollblut-Gastronom. Im Interview mit der SALZBURGERIN verrät er, was bei „my Indigo“ nun neu ist, woraus er seine Energie schöpft und seine Vision für die Zukunft.
Wir sitzen hier im neu gestalteten my Indigo Kongresshaus. 22 Jahre nach der Eröffnung des ersten my Indigo ist jetzt der große Relaunch erfolgt. Was ist neu?
Unser Antrieb, unserer Vorreiterrolle im „Healthy Fast-Food“ Segment nachzukommen, hat uns zu der strategischen Neuausrichtung der Marke motiviert. Dabei lag der Fokus auf der Schaffung eines neuartigen USP. Dieser besteht aus den Elementen der Food-Entwicklung mit unserem neuen „Functional Food Ansatz“, der Digitalisierung des Bestellsystems, dem Upgrade unseres Designs hinsichtlich des Interiors sowie der Kreation einer visuell ansprechenden Markenkommunikation, die für uns das Markenkonzept der „Super Natural Kitchen“ rund gemacht haben.
Die größte Veränderung ist, dass wir auf Bio-Fleisch aus tiergerechter Haltung aus Österreich umgestellt haben. Unser Motto ist, weniger Fleisch, und wenn, dann in höchster Qualität und aus artgerechter Haltung. Wir haben eine sehr große Basis an veganen und vegetarischen Gerichten, die man, wenn man möchte, mit Bio-Fleisch upgraden kann. Auch das Thema „Gesundes Essen“ haben wir auf ein neues Level gebracht, einerseits, indem unsere Gäste eine Auswahl entsprechend ihrem persönlichen Ernährungsstil treffen können. Darüber hinaus sind wir in den Bereich Biohacking und Functional Food vorgedrungen, um wissenschaftliche Erkenntnisse nutzen: Welche Lebensmittel sorgen dafür, dass es uns noch besser geht? Daraus ist das neue, übergeordnete Thema entstanden: Supernatural Kitchen for Health, Energy and Inner Beauty.
Im Design greifen wir den Boho-Lifestyle auf, das liebevoll Unperfekte – was uns bei my Indigo immer schon extrem wichtig war. Nun haben wir dem Ganzen neue Farben gegeben und mit vielen kleinen, liebevollen Details erweitert. Meine Ex-Frau Doris hat hierfür das Super-Händchen und macht das mit richtig viel Herzblut.
Außerdem hat die Komplexität unseres Konzepts einen neuen Zugang gebracht – und hier ist uns die Digitalisierung zu Hilfe gekommen. Mit unserem eigenen IT-Unternehmen haben wir nun eine super Lösung entwickelt: An den Bestell-Terminals können unsere Gäste nach ihrer persönlichen Ernährungsphilosophie, ihren Ernährungskonzepten filtern und bekommen alle Gerichte angezeigt, die ihrem Bedürfnis entsprechen. Dann können sie ganz individuell buchen. Wir haben also den Bestell-Prozess an den Terminals, aber auch an den Tischen über Handy und QR-Code extrem vereinfacht und damit eine gesamte digitale Landschaft entwickelt.
Ich kenne bislang kein vergleichbares Konzept, insofern sind wir wieder einmal Vorreiter und es wird auch von den Gästen super angenommen. Trotzdem haben wir einen „Notausgang“ an der Kassa, an der man nach wie vor Face-to-Face bestellen kann. Der menschliche Kontakt bleibt bestehen.
Mit den unterschiedlichsten Konzepten bist du ein alter Hase in der Gastronomie. Was betrachtest du heute rückblickend als deinen größten Erfolg? Deinen Herzenserfolg?
Den größten Erfolg – das kann ich eigentlich gar nicht sagen. Wo mir immer warm ums Herz wird, ist, wenn ich die gute Stimmung bei uns im Team sehe, auch bei unseren Jahresfeiern und Veranstaltungen. Am meisten Freude macht es mir, wenn ich die Entwicklung von Mitarbeitern erlebe, die zu uns kommen und dann nicht nur fachlich, sondern auch von ihrer Persönlichkeit her eine unglaubliche Entwicklung durchmachen, wie vom Lehrling zum selbstständigen Unternehmer. Wir haben tatsächlich solche Beispiele von Mitarbeitern, die bei uns gelernt haben und nun als Franchisenehmer ihr eigenes Lokal führen. Das sind Highlights und schöne Erfolge.

Bei all den Erfolgskonzepten – bist du auch einmal mit einer Idee gescheitert?
Ach, mit vielen! Wir haben schon einige Standorte aufgesperrt, wo sich herausgestellt hat, das war nichts, und wieder zugesperrt: nicht nur einen, sondern wirklich mehrere. Unser Ansatz ist, einmal eine grundsätzliche Idee zu haben, damit anzufangen und dann nachzuschärfen. Es muss nicht von Anfang an perfekt sein.
Was treibt dich an, immer wieder Neues in Angriff zu nehmen?
Ich glaube, in mir ist dieser Drang zur Weiterentwicklung, Dinge zu verbessern, Dinge neu zu denken. Unser ganzes Leben ist Entwicklung – Stillstand bedeutet Rückschritt, darum liegt es für mich in der Natur der Sache, dass man vorangeht und etwas bewirkt und verändert.
Beruflich bist du sehr umtriebig, mit immer wieder neuen Unternehmen und Projekten am Start – bist du privat auch ein Mensch, der immer weiter und nach Neuem strebt?
Absolut! Ich versuche, mich ständig in allen möglichen Bereichen weiterzuentwickeln und dazuzulernen, neue Dinge kennenzulernen, ich reise gerne, lerne gerne neue Kulturen kennen. Ich mag es, auch hinter die Kulissen zu schauen, die Dinge wirklich zu verstehen.
Was machst du, um zur Ruhe zu kommen? Woraus schöpfst du Kraft?
Ich habe vor vielen Jahren den Zugang zur Meditation bekommen, habe dann auch Joe Dispenza persönlich kennengelernt. Gerade war ich drei Tage auf seine Einladung hin in Wien. Das Meditieren ist sicherlich eines der größten Geschenke, weil man damit immer eine Möglichkeit hat, aus dem, was gerade passiert, auszusteigen.
Und ich bin sehr gerne in der Natur. Der Lauf in der Früh auf den Kapuzinerberg gehört zu meinem Standardprogramm. Ich liebe den Kapuzinerberg!
Denkst du schon manchmal darüber nach, es etwas ruhiger angehen zu lassen?
Ja! Darüber mache ich mir in letzter Zeit schon ein wenig Gedanken. Ich glaube nicht an das Konzept der Pensionierung, das halte ich grundsätzlich für falsch. Ich denke nicht, dass es eine gesunde oder natürliche Entwicklung ist, zu sagen, man arbeitet bis zu einem bestimmten Zeitpunkt und dann lässt man alles fallen. Gescheiter ist es meiner Meinung, sich in einem Prozess anzupassen. Mit dem Alter hat man eine gewisse Erfahrung, sich aus dem Operativen zurückzuziehen und die Jungen rennen zu lassen. Es ist auch wichtig, Platz zu schaffen, zu akzeptieren – mehr noch – wertzuschätzen, dass die nächste Generation andere und neue Ansätze und Fähigkeiten hat.
Einer deiner Söhne ist mit the naked indigo ja schon in deine Fußstapfen getreten, wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen euch?
Extrem gut. Niko hat sein eigenes Konzept, seinen eigenen Bereich. Wir tauschen uns jedoch intensiv aus. Er hat uns mit seiner Erfahrung auch sehr geholfen. Er war ja hier der Vorreiter, the naked indigo war von Anfang an digital und spezialisiert auf vegane und vegetarische Gerichte.
Was war dir wichtig in der Erziehung deiner Söhne? Welche Werte hast du ihnen mitgegeben, um sie auf das Leben vorzubereiten?
Ich sage mal, die klassischen humanistischen Werte von Ehrlichkeit, Weltoffenheit und Toleranz. Aber ich muss auch gestehen, dass den Hauptteil der Erziehung meine Ex-Frau übernommen hat. Aber da hatten wir nichts zu diskutieren, weil wir dieselben Werte hatten: (Eigen-)Verantwortung übernehmen, zu seinem Wort stehen und eben – ganz wichtig – Toleranz!
Wie bist du selbst aufgewachsen, was hat dich geprägt?
Ich bin bis zu meinem 13. Lebensjahr in Bad Gastein aufgewachsen, im Hotel unserer Familie, dem Haus Hirt. Das hat mich sicherlich sehr geprägt – zum einen genau die erwähnten Werte meiner Eltern und das Leben im Hotel. Das ist schon etwas Besonderes, weil unser Leben wirklich im Hotel und neben den Gästen stattgefunden hat. So ist auch das Gastgeber-Gen an mich weitergegeben worden, dieses innerliche Bedürfnis, jemandem eine gute Zeit zu bescheren.
War es nie dein Wunsch, die elterlichen Betriebe zu übernehmen?
Es wäre eigentlich so geplant gewesen, dass ich das Hotel Auersperg übernehmen sollte. Ich habe dort auch angefangen, bin jedoch bald draufgekommen, dass mir das irgendwie zu langweilig ist und ich mich wohler in der Gastronomie fühle und habe angefangen, meine eigene Sache zu machen.
Gott sei Dank habe ich drei Schwestern, eine davon – Bettina – hat das Hotel Auersperg übernommen und macht das phänomenal. Meine andere Schwester – Evelyn – ist in Gastein und führt das Haus Hirt, außerdem haben sie und ihr Mann das Hotel Miramonte gekauft. Meine dritte Schwester – Sabine – lebt in Sydney. Ihre Geschichte kann man in ihrem Buch nachlesen „Screw the rules – follow your heart and do your thing“.

Mit deinen Gastronomiebetrieben schaffst du heute Lieblingsplätze für deine Gäste – was ist dein eigener, persönlicher Lieblingsplatz?
Das ist stimmungsabhängig. Ich liebe die Berge, ich liebe Wälder. Ein schöner Wald mit alten Bäumen ist ein Traum! Der Kapuzinerberg ist für mich jedes Mal wieder ein so cooler Platz mitten in der Stadt, etwas ganz Besonderes. Ich liebe aber auch das Meer, ich kann stundenlang am Meer sitzen und einfach nur hinausschauen. Und ich liebe schöne Architektur. Wenn ich merke, dass die Architektur stimmig ist, fühle ich mich wahnsinnig wohl.
In welchem deiner Lokale bist du am öftesten anzutreffen?
Das kann man gar nicht sagen, der Schwerpunkt ändert sich. Im letzten halben Jahr war der Schwerpunkt auf my Indigo, davor war er stark auf Glorious Bastards gerichtet. Das ist auch anlassbezogen.
Und wenn es einmal „betriebsfremd“ sein soll?
Ich liebe das Schloss Aigen, wirklich gern mag ich auch das Di Renzi in der Linzergasse und das Cavalli. Es ist unterschiedlich.
Was ist deine Vision für die Zukunft?
Ich glaube, es wird immer diese kleine, individuelle Gastronomie geben und dann gibt es Konzepte, wie wir es mit dem my Indigo gemacht haben – das ist extrem komplex. Meine Vision ist ein gemeinschaftlicher Gedanke, dass wir in Partnerschaften und Joint Ventures unsere Struktur und das Know-how zur Verfügung stellen und ambitionierte Jungunternehmer die Seele und das Gastgebertum. So schaffen wir gemeinsam Lieblingsplätze voller Energie und Lebensfreude, für Mitarbeiter, Partner, Gäste und auch die Umgebung. Denn nichts kann einen Stadtteil oder eine Gegend so sehr verändern wie die Gastronomie. Sie kann das komplette Bild dieses Stadtviertels ändern und die Lebensqualität steigt. Diesen Impact hat keine andere Branche und darum ist es mir so wichtig, dass diese Wertschätzung für den Beruf Gastronom wieder steigt, für das Arbeiten in der Gastronomie. Eigentlich sind wir Glücklichmacher – oder sollten wir zumindest sein.
Und deine persönliche Zukunftsvision?
Einfach sukzessive in den nächsten Jahren einen Schritt zurückzugehen und Platz zu machen für die Jüngeren. Und auch für mich selbst mehr Zeit zu haben, die zugegebenermaßen definitiv momentan nicht im ausreichenden Maß vorhanden ist.
Hast du schon eine Idee, was du mit dieser zusätzlichen Zeit anfangen willst?
Viele! Fad wird mir nie werden! Ich möchte mich wieder mehr meinen Freunden widmen, mehr reisen, da gibt es sehr viele Ideen!
Wofür bist du dankbar im Leben?
Für alles! Das ist, glaube ich, ganz wesentlich. Ich habe gerade einen super Bericht gelesen. Wenn es eine Maschine gäbe, die gewisse Dinge aus dem Leben komplett entfernen würde, mit allen Konsequenzen, mit allem, was direkt oder indirekt in Folge entstanden ist, würden 90 Prozent der Menschen diese nicht nutzen wollen. Natürlich abgesehen von tragischen, traumatischen Ereignissen.
Es sind vielleicht einmal Dinge passiert, die wir als negativ empfunden haben, denen wir den Stempel schlecht verpasst haben. Aber: Wenn du es mit dem nötigen Abstand betrachtest, was daraus entstanden ist, was du daraus gelernt hast, dann schaut die Geschichte schnell wieder ganz anders aus. Also – warum nicht jetzt gleich dankbar sein dafür?
Text: Doris Thallinger
Bilder: www.kaindl-hoenig.com, Doris Wild/wildbild