„Ich möchte nicht jedem gefallen“
Text: Doris Thallinger
Fotos: www.kaindl-hoenig.com; HELGE KIRCHBERGER Photography
Roland Trettl kocht, schreibt, plant, kreiert, moderiert – und zwischendurch hat er sogar die Zeit gefunden, sich unseren Fragen zu stellen. Im Meindl Authentic Luxury Store seines besten Freundes Markus Meindl erzählt er frei von der Leber aus seinem Leben, teilt Erinnerungen und muss sich über manches ziemlich aufregen.
Herr Trettl, gerade ist Ihr neues Buch „Nachschlag“ erschienen. Was dürfen die Leser erwarten?
Der Leser kann sich mal ein Cover erwarten, das anders ist als jedes andere. Ich möchte damit zum Denken an-regen, Menschen zum Schmunzeln bringen. Klar wurde ich oft gefragt – bist du schon sicher mit dem Cover? Ich hab gesagt: Mein Fan versteht es. Der andere mag mich ja sowieso nicht. Ich bin ein Typ mit Ecken und Kanten. Entweder magst du mich so oder nicht.
Also polarisieren Sie?
Ja, aber nicht mit Gewalt, das ist kein Marketing-Gag. Ich bin einfach so wie ich bin, weil ich das Gefühl habe, dass es mir so am besten geht. Ich möchte nicht jedem gefallen, weil ich auch weiß, dass ich nicht jedem gefallen kann.
Deshalb ist auch bei dem Buch einiges anders, wie zum Beispiel das Cover. Es gibt kein Vorwort, sondern ganz klare Verriss-Muster, die von meiner Seite kommen. Wenn ich austeile, kann ich mir nämlich auch ganz gut selber auf die Fresse hauen. Ich kann austeilen, eine Meinung haben. Aber der, den ich am meisten beobachte und kritisiere, bin immer noch ich selbst. Ich stelle nichts so sehr in Frage wie mich selbst.
Sie sind bekannt dafür, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen, auch nicht in Ihren Büchern. Was sind jedoch Tabuthemen für Sie?
Es gibt Dinge, über die will ich gar nicht diskutieren, wenn es beispielsweise um Politik geht. Absolute Tabuthemen sind Politik oder Religionen. Das sind Themen, bei denen die Meinungen zu extrem auseinandergehen und es steht mir nicht zu, mich da raus zu lehnen.
Trotzdem muss ich sagen, dass mich, wenn ich Gauland, Strache, Kickl und Co. sehe, ganz klar ein Würgereiz überkommt.
Sie haben immer an sich gearbeitet und stehen heute sehr vielseitig da: Spitzenkoch, TV-Star, Autor, Geschäftsmann, mit Ihrer Frau betreiben Sie eine Kosmetik-Linie…
… die Gewürzfirma, Fashion Food, die Kunst, Markenbotschafter… Ich hab da eine lustige Anekdote: Als ich vor zwei Jahren mit meinem Sohn im Bett gelegen bin und ihm erklärt hab, dass ich morgen wieder wegfliegen und arbeiten muss, da hat er mich gefragt, Papi, was arbeitest du eigentlich? Ich hatte keine Antwort darauf! Ich wusste es nicht! Ich konnte meine Tätigkeiten nicht definieren, ich konnte nicht sagen, dass ich Koch bin, wenn ich mittlerweile nur 10 Mal im Jahr koche. Ich konnte nicht sagen, dass ich Moderator bin. Da ist es mir zum zweiten Mal aufgefallen, dass ich so viel mache. Das erste Mal ist es mir aufgefallen, als eine Agentur eine Website für mich erstellen musste und die gesagt haben, wo sollen wir anfangen? Was bist du?
Diesen Sommer habe ich mal aufgeschrieben, was ich alles mache, was ich gerne mache, was meine Tätigkeiten sind – dabei ist mir immer wieder was eingefallen. Aber – wie war die Frage?
Genau das: Was für Sie tatsächlich im Fokus steht und was Sie als Ihr größtes Talent betrachten?
Vielleicht ist es mein Talent, dass ich nichts abschlage. Vielleicht ist es mein Talent, dass ich Sprüche wie „Schuster, bleib bei deinen Leisten“ sowas von lächerlich finde. Und vielleicht ist es mein Talent; mutig genug zu sein, Dinge auszuprobieren und mir Wünsche zu erfüllen und mir nicht immer nur zu denken, hätte ich es bloß gemacht. Ich mach’s. Ich möchte keine Idee NICHT ausprobiert haben. Das sage ich auch bei Vorträgen: Macht! Jeder hat einen Traum. Jeder schiebt immer dem Geld die Schuld zu, dass man Dinge nicht ausprobieren und sich Wünsche nicht erfüllen kann. Das ist Blödsinn. Finde nicht Gründe, um etwas nicht zu machen, sondern Lösungen, um es zu machen! Wenn du gerne fotografierst, wenn du gerne strickst, wenn du gerne Pornos drehst, mach’s! Erfüll dir Wünsche!
Sie haben schon vor vielen Jahren die Küche gegen das TV-Studio getauscht. Standen Sie schon immer gern im Rampenlicht?
Ja, irgendwo muss das in dir drin stecken, dass du die Bühne liebst, dass du es magst, dich zu präsentieren. Es wär schon ein bisschen schizophren, wenn man das als Schauspieler, als Moderator, als Mensch, der medial präsent ist, nicht mag. Und man mag es auch, wenn man durch die Straßen geht – natürlich versteckt man sich ein bissl – aber trotzdem ist es ganz cool, wenn man angesprochen wird und um ein Selfie gebeten wird.
„Ich will nie das Gefühl haben, alles erreicht zu haben“
Vermissen Sie denn manchmal noch die Arbeit in der Küche?
Nein. Die vermisse ich wirklich nicht, das habe ich 30 Jahre lang gemacht. Viele Menschen meinen, dir fehlt doch dieser Adrenalinkick vor dem Service und die Mitarbeiterführung und ich sag: Nö!
Ich finde es auch nicht nachhaltig genug. Dass ich diesen Adrenalinkick täglich brauch, dafür ist für mich das finale Produkt nicht nachhaltig genug. Es passt nicht zusammen: Warum muss ich nach einem Service fertig sein wie ein Marathonläufer, wenn ich letztendlich weiß, dass das, was ich koche, am Tag danach wieder in der Kloschüssel landet.
Gerade ruhig verläuft Ihr Leben ja nach wie vor nicht – wie bringen Sie Ihre vielen Tätigkeiten und Ihr Familienleben unter einen Hut?
Mit sehr viel schlechtem Gewissen. Da muss ich noch an mir arbeiten. Nehmen wir diese und die vergangene Woche: Ich bin letzte Woche am Montag, um 6 Uhr früh weggeflogen, bin gestern um 23 Uhr zuhause gewesen, bin heute hier, morgen früh bin ich wieder weg und erst nächsten Montag wieder zurück. Also bin ich in zwei Wochen einen Tag hier und da hab ich eigentlich kaum Zeit. Man muss jedoch ganz klar sagen: Ich bin viel weg, aber ich war noch nie so viel zuhause!
Am Ende des Jahres – wenn ich vielleicht sieben Monate, oder acht Monate im Jahr weg bin, bin ich ja immer noch vier Monate da. Ob das hier ist oder auf Mallorca, wo wir den Sommer verbringen. Ich verbringe bestimmt mehr Tage mit meinem Sohn und mit meiner Frau als viele andere es machen.
Ab Ende Juli sind fünf Wochen frei, da kommt nichts rein, ebenso von 20. Dezember bis 10. Januar und zwischendurch immer wieder mal eine Woche. Da braucht mein Management gar nicht anzufragen. Man muss dann aber auch konsequent sein und sich nicht wie ein Fähnchen im Wind drehen, wenn irgendein Deal rein kommt.
Da geht die Familie vor?
Nicht nur die Familie. In erster Linie bin ich es. Ich brauche meine Auszeiten. Ich muss ja fit im Kopf sein. Denn wenn ich nicht fit im Kopf bin, bin ich nicht gut für die Familie und bin im Job nicht gut.
Sind Sie dann im Privatleben, in der Freizeit auch einer, der niemals Ruhe geben will, ein Getriebener, der auf der Suche nach etwas Neuem ist?
Ja, leider können wir nicht stillstehen. Wir sind jetzt wieder umgezogen, von Bad Reichenhall nach Salzburg. Wir sind Nomaden. Ich bin 48 und hab festgestellt – zusammen mit meiner Frau – dass wir beide noch nie länger als fünf Jahre an einem Ort gelebt haben. Irre, oder? Jetzt sind wir in Salzburg und fühlen uns hier richtig wohl, aber wir träumen schon wieder weiter … von einem Haus am See.
Was bedeutet in dem Zusammenhang Heimat für Sie?
Die Heimat ist da, wo meine Liebsten sind. Das kann in Vancouver, in Kapstadt oder in Sydney sein. Das sollen Städte sein, in denen ich mich wohl fühle. Heimat hat aber nichts mit einem Standpunkt zu tun, sondern mit einem Gefühl. Und das Gefühl kommt von Menschen.
Mit ihrer Frau Daniela sind Sie mittlerweile schon neun Jahre verheiratet.
Neuneinhalb, im April werden es zehn.
Kennen gelernt haben Sie sich in Salzburg, beim Weggehen. War es Liebe auf den ersten Blick?
Ja, schon, aber diese „Liebe auf den ersten Blick“ hat es bei mir ja davor schon Hunderte Male gegeben. Das kannst du ja nicht ganz ernst nehmen, dieses Sehen und „Wow“, „Cool“, „Sieht schön aus“, „Guter Style“. Dass es noch mehr ist, hat sich aber schnell raus gestellt.
Wie haben Sie ihr den Antrag gemacht?
Wir haben uns am 14. Februar kennengelernt – ja, am Valentinstag – und ein Jahr später waren wir am Valentinstag in Paris – ich weiß, ein Klischee. Am Abend sind wir essen gegangen und ich habe aus dem Strohhalm, der in meinem Drink war, einfach einen Ring gebaut und gesagt: „Ach bitte, ich muss doch jetzt nicht auf die Knie gehen, oder? Es ist doch alles klar!“ So richtig unromantisch, mit Strohhalmring.
Am Tag darauf haben wir beim Standesamt Mirabell angerufen und die hatten tatsächlich am 10. April einen Termin frei, weil jemand abgesagt hat. Den haben wir genommen, das hat vor allem gepasst, weil wir am 1. April schon eine Reise geplant hatten.
Wir hatten knapp zwei Monate Zeit, um zu planen und null Stress. Es war eine geile Party, aber es war natürlich ein anderes Fest, weil wir halt anders sind. Wir waren also nicht mal zwei Monate nach meinem Antrag verheiratet.
Welche Werte, welche Lebensbotschaft möchten Sie Ihrem Sohn mit auf den Weg geben?
Mach was du willst und sei glücklich damit! Tu Menschen nicht weh und tu dir nicht weh dabei!
Sie waren ja selbst nicht der fleißigste Schüler und wurden zum Beruf des Koches gedrängt. Wie motivieren Sie Ihren Sohn, fleißig zu sein und zu lernen?
Ich hab mich selbst in den Beruf gedrängt, weil ich der Meinung war, dass ich mit 14 die Schule verlassen kann, deshalb musste ich ja irgendwas machen. Alles, was Schule betrifft, muss meine Frau übernehmen. Ich kann nicht erwähnen, was ich von einem Schulsystem in Österreich oder Deutschland halte. Ich kann einem Siebenjährigen nicht sagen, dass es in Finnland um einiges besser ist. Deshalb muss ich da mal meine Schnauze halten. Und da ich mich wahnsinnig schwer tue, meine Schnauze zu halten, hab ich von Anfang an meine Frau gebeten: Kannst du dich bitte darum kümmern, Schatzi.
Was wünschen Sie sich noch vom Leben? Was möchten Sie noch erreichen?
Ich wünsche mir, dass ich nie das Gefühl hab, alles erreicht zu haben. Das ist das Ziel. Ich hätte wirklich Angst, dazusitzen und zu sagen: alles erreicht. Diese Vorstellung ist fatal. Ich hoffe, dass ich ein Leben lang neugierig bleibe und bereit, mich immer wieder zu verändern.
Welche Rolle spielt Glaube, Spiritualität in Ihrem Leben?
Eine große Rolle, wenn es jetzt nicht um irgendwelche Götter und die in meinen Augen kriminelle Organisation Kirche geht!
Wir räuchern das Haus immer wieder aus, bei mir im First Dates Restaurant räuchere ich jeden dritten Tag komplett aus, damit wieder Harmonie rein kommt. Ich glaube an Energien, ich glaube an Feng Shui, das ist eine Art Spiritualität, an die ich definitiv glaube.
Wofür sind Sie dankbar?
In der Danksagung in meinem Buch hab ich geschrieben, dass ich dankbar bin für meine Eltern, die sich an jenem Tag 1970 dafür entschieden haben, es ohne Verhütung zu tun, denn sonst wär ich ja gar nicht da.
Was sollen Ihre letzten Worte sein?
Schön war’s, ich komm wieder.
Roland Trettl, geboren am 3. Juli 1971 in Bozen, beginnt 1987 seine Kochausbildung in seiner Heimat, bevor er 1991 zu Eckart Witzigmann nach München wechselt, für den er später u.a. das „Ca’s Puers“ auf Mallorca als Küchenchef führt, wo er seinen ersten Michelin-Stern erkocht.
Zehn Jahre leitet Trettl als Executive Chief bis 2013 das Restaurant „Ikarus“ im Hangar-7, bevor er der Gastronomie im engen Sinne den Rücken zukehrt. Heute ist Trettl Gastgeber der VOX-Show „First Dates“, Autor etlicher Bücher, Mitinhaber des Salzburger Gewürzeherstellers „Spiceworld“, Ideengenerator, Optimierer, Styler, uvm.
2010 heiratet er seine Frau Daniela, 2012 erblickt Sohn Diego das Licht der Welt. Trettl lebt mit seiner Familie (derzeit) in Salzburg.