„Ich möchte die Leute in meine Welt entführen“
Am 2. April gab sich Top Comedian Alex Kristan die Ehre im Zentrum für Visionen und brachte in der bis auf den letzten Platz ausverkauften Location das Publikum zum Brüllen – vor Lachen. Davor fand er sich jedoch noch im Restaurant VOI.bio zum Interview mit der SALZBURGERIN ein.
Text: Doris Thallinger
Fotos: www.kaindl-hoenig.com, Gerald Hirl
Mit „50 Shades of Schmäh“ bist du mittlerweile seit anderthalb Jahren auf Tour. Seit deinem eigenen 50. Geburtstag. Was muss ein Mann mit 50 beachten/können/erreicht haben?
Das fragt eine Frau!? Ich glaube, die gleichen Sachen, die ein Mann mit 30 auch können muss: Manieren haben, höflich sein, wissen, was er will und vielleicht mit 50 gewissen Dingen noch ein wenig gelassener gegenübertreten als noch mit 30.
Wie gehst du mit Alter um?
Gut! Aus dem einfachen Grund, dass das Alter für mich nichts ist, worüber ich mir Gedanken machen würde, nichts, das ich beeinflussen kann. Ich glaube aber, man kann beeinflussen, WIE man älter wird und das ist jetzt eine gute Zeit, um den Grundstein zu legen, damit man in 20 Jahren, also mit 70, auch noch Dinge machen kann, die einem Spaß machen. Da rede ich von jeglicher Art von Fitness, von Sport, von Beweglichkeit. Ich glaube, eine Zeitlang verzeiht der Körper alle Sünden, aber ich merke natürlich schon, dass, wenn ich heute mal feiern gehe, die Erholungsphase doch deutlich länger dauert als mit 30.
Wie viel gibst du in deinen Programmen von dir persönlich preis?
Ein paar Dinge sind authentisch erzählt und ein paar Dinge sind erfunden. Jetzt fragst du mich wahrscheinlich, was ist authentisch, was ist erfunden…
Ich glaube, ich kenne die Antwort schon.
Natürlich fragen mich immer wieder Menschen, war das wirklich so, haben Sie das wirklich gemacht, hat das wirklich so stattgefunden? Es ist ein bisschen wie bei einem Zaubertrick: Wenn ein Tischzauberer vor mir zaubert, bin ich total fasziniert und wenn ich dann weiß, wie der Trick geht, verpufft die Magie. Ich möchte die Leute mit dem, was ich auf der Bühne mache, ein bisschen in meine Welt entführen. Es tut dann nichts zur Sache, was wahr und was falsch ist.
Arbeitest du parallel bereits an einem neuen Programm?
Noch nicht, ich werde nächstes Jahr locker anfangen. Ideen sammle ich permanent. Ich glaube, das ist eine Berufskrankheit, dass wir Humoristen permanent auf Empfang sind, der Seismograf ist sozusagen immer scharf geschaltet.
Als Comedian beobachtet man den Alltag immer unter dem Gesichtspunkt der Verwertbarkeit. Wenn ich etwas sehe oder wahrnehme, denke ich immer sofort: Kann ich das auf der Bühne irgendwie verbraten?
Da gibt es eine kleine, virtuelle Schublade in meinem Computer, in die kommen alle Ideen rein. Und wenn ich anfange, ein neues Programm zu entwickeln, mache ich die Lade auf und schaue, was drinnen liegt und schaue, ob etwas immer noch lustig ist, was ich vor einem Jahr lustig gefunden habe. Natürlich entstehen gewisse Sachen auch neu. Aber auf Knopfdruck kreativ zu sein, geht gar nicht, das ist ein Irrglaube. Interessanterweise stellt sich erst im Spielzyklus eines Programms heraus, was wirklich eine lustige Nummer ist und was nicht. Das entscheidet das Publikum, nicht ich.
Was ich glaube, dass es lustig ist, muss dem Publikum noch lange nicht gefallen und wechselseitig. Beim aktuellen Programm habe ich im Entwicklungsprozess Sachen geschrieben, von denen ich geglaubt habe, die Leute werden am Boden liegen vor Lachen. Und die haben überhaupt nicht funktioniert. Dafür sind andere Sachen, von denen ich gedacht habe, sie sind nett, aber kein Heuler, zum absoluten Heuler geworden.
Probierst du deine Schmähs vorab an irgendwem aus?
Nein, gar nicht! Ich spiele Vorpremieren, aber da ist das Programm fertig. Das sind meist sechs bis sieben Vorstellungen vor kleinem Publikum – zum Ausprobieren. Aber einzelne Wuchteln ausprobieren, nein. Es gibt, wie gesagt, so viele unterschiedliche Arten von Gästen und Publikum. Wenn‘s bei einem funktioniert, findet’s der andere wieder nicht lustig. 20 Leute, 20 Meinungen.
Die ersten Erfolge hast du mit deinen genialen Parodien gefeiert. Hast du ein besonderes Gespür für Menschen?
Ich glaube, es liegt daran, dass ich Menschen einfach mag. Ich gehe auch nach einer Vorstellung noch raus zu den Leuten und will die Stimmungen einfangen. Ich glaube, dass es auch eine gewisse Nahbarkeit vermittelt. Wenn ich jemanden gut finden würde, mir eine Karte von jemandem kaufen würde, würde es mir einfach taugen, wenn ich nachher noch die Chance hätte, ein Selfie zu machen oder mir eine Autogrammkarte zu holen. Und offensichtlich gibt es ein paar Leute, denen meine Arbeit gefällt, also warum sollte ich ihnen das nicht anbieten.
Egal, welchen Job ich gemacht habe, ich war immer unter Leuten, egal, ob ich im Verkauf in einem Sportgeschäft gearbeitet habe, oder im Marketing in der Autobranche: Ich wollte immer Kontakt mit den Menschen haben.
Ich will nicht sagen, dass mir das Parodieren in die Wiege gelegt wurde, es ist ein gewisses Talent, das aber nicht von irgendwo kommt, sondern daher, dass ich es gern mache. Ich beschäftige mich gerne mit Menschen und beobachte sie. Ich versuche, bei den Parodien die Feinheiten zwischen den Zeilen rauszufiltern, herauszuarbeiten, die an der Oberfläche vielleicht gar nicht so erkennbar sind. Das ist Teil der Arbeit des Parodisten oder wie man im Englischen sagt, des Impersonating. Dieser Begriff trifft es eigentlich am besten. Da merkt man, dass nicht nur die Stimme nachgemacht wurde, sondern – wenn man sich zum Beispiel den Alec Baldwin anschaut, der Trump parodiert – das ist viel mehr als nur die Stimme. Die Mimik, der Habitus, das gehört alles dazu. Das erfordert natürlich schon bis zu einem gewissen Grad Hingabe und Interesse an der Person.
Gibt es gerade jemand Neuen im Programm?
Leider nicht. Die Charaktere, die ich in der Parodie verwende, sind mit einer irrsinnig hohen Medienpräsenz ausgestattet und seit Jahrzehnten im Publikum verankert. Das heißt, ich muss nicht erklären, wenn ich jemanden parodiere – die Leute wissen in der Sekunde, um wen es geht.
Natürlich gibt es jetzt Leute, die auch in der Öffentlichkeit stehen, wie zum Beispiel einen David Alaba, einen Marcel Sabitzer, einen David Nemeth oder einen Vincent Kriechmayr. Aber die haben nicht so eine Angriffsfläche wie ein Toni Polster, ein Andi Herzog, ein Niki Lauda oder ein Arnold Schwarzenegger. Die haben so eine charismatische, offenbar einzigartige Art, die sie auch parodiefähig macht.
Es ist immer faszinierend für mich, wie man einen ganzen Abend frei plaudert und redet und einen Witz nach dem anderen macht. Passieren dir ab und an auch Hoppalas?
Wenn‘s passiert, merkt es das Publikum nicht. Texthänger passieren natürlich auch, aber nur in den ersten Gehversuchen mit einem neuen Programm. Zum Beispiel bei einer Vorpremiere, da ist das noch nicht so eingespielt. Mit jeder Vorstellung wird’s sicherer. Deswegen sag ich meinen Freunden immer, kommt ja nicht zu einer Premiere! Kommt nach einem halben Jahr, dann ist das Stück schon eingespielt, bin ich sicherer auf der Bühne und kann anfangen, den Figuren auf der Bühne Schärfe zu geben, was am Anfang noch ein bisschen schwammiger daherkommt, weil ich mehr mit dem Text beschäftigt bin. Ich spiele nie eine Vorstellung auf Punkt und Komma gleich, ich brauche die Beweglichkeit. Mein Programm entwickelt sich, weil Nummern rausfallen, aktuelle Nummern reinkommen. Ich spiele 120 Shows im Jahr, da wirst du ja wahnsinnig, wenn du 120-mal dasselbe sagst. Wenn du in eine Routine kommst, läufst du schnell Gefahr, darüber nachzudenken, ob du den Herd abgedreht hast, während du dein Programm spielst. Die Leute sehen das Programm wahrscheinlich zum ersten Mal und wer sich eine Karte kauft, muss auch die Gewissheit haben, dass er von mir hundert Prozent Action kriegt. Ich muss es spielen, als ob es für mich das erste Mal wäre. Das kann ich nur, wenn ich „scharf“ bleibe.
Was macht ein Alex Kristan privat? Was machst du in deiner Freizeit?
Ich mach sehr gern Sport, ich geh sehr viel mit dem Hund in den Wald, gehe gern Skifahren, Tennisspielen. Bewegung. Ich muss ein bisschen auf Zug sein.
So hältst du dich also fit?
Ja, ich werde heuer 52 und dreimal die Woche zweieinhalb Stunden am Abend Vollgas geben, das erfordert eine gewisse Grundfitness. Ich achte halt ein bisschen auf mich. Ansonsten – mit Freunden essen gehen. Ich bin nun nicht so der Gesellschaftstyp… Auf Events sieht man mich wenig, ich mag es ganz gern gemütlich – ich hab eh dreimal die Woche Party.
Wie schaut ein typischer Tag im Leben des Alex Kristan aus?
Das kommt immer darauf an, wann ich zu Bette krieche. Meistens ist das, wenn ich spiele, gegen Mitternacht, ein Uhr. Wenn ich frei habe, ist es meistens 23 Uhr. Dann bin ich froh, wenn ich mich ein wenig ausschlafen kann. Ich brauche sehr viel Schlaf, acht, neun Stunden. Dann gibt es in der Früh einmal einen Espresso, um überhaupt ansprechbar zu sein. Meine Mädels zuhause wissen das auch: Solange ich keinen Kaffee gehabt habe, besser in Ruhe lassen. Dann geht’s aber schon. Frühstück ist mir sehr wichtig. Mein Arbeitstag beginnt ja erst am Abend, das heißt, ich habe Zeit, ausgiebig zu frühstücken und dabei die Tageszeitungen zu lesen, zu schauen, was so passiert in der Welt. Gibt es etwas, das man vielleicht irgendwie verwerten kann. Kann man eine Pointe draus ziehen, einen Gag?
Am Vormittag geht es an den Computer, ich beantworte Mails, kümmere mich um Social Media, das mache ich alles selbst und mache mein Daily Business. Dann gehe ich meistens eine Runde mit dem Hund und danach bereite ich mich meistens eh schon auf den Abend vor. So läuft ein Tag ab. Heute war ich zum Beispiel eine Stunde trainieren, ich gehe zweimal die Woche ins Fitnessstudio.
Ich bin ein sehr strukturierter Mensch, das brauche ich. Ich kann aber auch irrsinnig gut abhängen! Für mich gibt es nur On oder Off, halbe Sachen gibt’s nicht. Also entweder Hebel vor – Attacke, arbeiten, Gas geben. Aber wenn zum Beispiel Urlaub ist, dann dreh ich sogar das Handy ab, dann bin ich nicht erreichbar. Das kann ich total gut, einmal eine Woche offline sein. Es ist extrem – ich hab da auch hintrainieren müssen. Aber: Man versäumt überhaupt nichts, die Welt dreht sich trotzdem weiter. Die ersten zwei Tage denkst du dir noch, es fehlt was. Am dritten Tag denkst du dir, geil, dass der Scheiß weg ist, du kommst in eine ganz andere Qualität der Erholung. Deswegen genieße ich es auch so, einmal allein zu sein oder allein mit meinem Hund im Wald unterwegs zu sein. Stille. In einer Zeit, die immer lauter und hektischer wird, ist der Gegenpol total wichtig, dass du einmal drei Stunden nichts redest, einfach mal nur den Wald hörst. Das ist Seelenhygiene!
Was bringt dich zum Lachen?
Ich kann über vieles lachen, ich habe Freunde, die sind so lustig, wenn da der Schmäh rennt, kann ich Tränen lachen. Ich kann mit meiner Tochter herrlich lachen, die wird jetzt 17 und wir haben echt ein super closes Verhältnis. Sie bringt mich extrem oft zum Lachen.
Was ärgert dich?
Immer weniger. Natürlich gibt es Sachen, die einem auf die Nerven gehen. Ich mag zum Beispiel nicht, wenn jemand unzuverlässig ist. Ich bin jemand, der Handschlagqualität sehr schätzt, ich mag Verbindlichkeit. Hand drauf, dann brauch ich keinen Vertrag. Und wenn sich dann jemand nicht daran hält, werde ich sauer.
Man darf aber nicht alles an sich ranlassen. Wenn du dich über jede Kleinigkeit, die dir um die Ohren fliegt, ärgerst, wirst du ja wahnsinnig! Wenn ich Tageszeitungen lese, könnte ich mich bei jeder zweiten Seite ärgern. Deswegen versuche ich natürlich, den Content, den ich mir verabreiche, mit positiver Energie, mit Good News aufzufüllen.
Das ist auch ein wenig der Job des Comedians: Humor kann unerträgliche Sachen erträglich machen. Das ist Sinn und Wesen des Humors, dass du den Leuten einen Spiegel vors Gesicht hältst. Aber so, dass sie auch selbst darüber lachen können. Dass man gewissen Dingen, die schwer sind, eine Leichtigkeit gibt und sie satirisch oder humoristisch aufbereitet zum Besten gibt. Wenn man über Dinge lachen kann, hat das Ganze eine andere Gewichtung.
Welche Wünsche hast du an die Zukunft?
Das ist rasch beantwortet – ich wünsche mir nichts als Gesundheit. Ich bin gesund und das möge so bleiben. Ich wünsche mir Gesundheit, weil alles andere ist organisierbar.
Wenn du gesund bist, hast du immer zehn, zwanzig, dreißig Sorgen – wenn du krank bist, hast du nur noch eine. Das ist eine platte Metapher, aber es stimmt. Wenn man gesund ist und sich wohl fühlt, auf sich achtet und aufpasst, auf diesen Tempel, in dem man zuhause ist, kann man alles andere organisieren. Ich glaube auch, dass die Gesundheit und die Zufriedenheit aus einem inneren Wohlbefinden kommen. Wenn ich dauernd grantig bin, frisst das die Seele auf, und nicht zuletzt deswegen entstehen wahnsinnig viele Krankheiten. Deswegen wünsch ich mir eigentlich nichts anderes, als dass ich gesund bleibe.