„Ich bin wie ein Perpetuum mobile“
Text: Eva Pittertschatscher
Fotos: www.kaindl-hoenig.com
Frech, freudig, fuchsig, so wird Elisabeth Fuchs oft beschrieben. Hundert Konzerte organisiert und dirigiert die einst jüngste Dirigentin Österreichs mit ihrem Orchester im Jahr.
Rund 80.000 Menschen erreicht die 42-Jährige mit der Philharmonie Salzburg und den Kinderfestspielen. Vor etwa einem Jahr wollte Lisi Fuchs fast aufgeben. Wir haben das vermeintliche Energiebündel getroffen und mit ihr über Musik, Zufälle, Glauben und die Zukunft geplaudert.
Dein Orchester wird dieses Jahr 20 Jahre alt. Kannst du dich noch an dein allererstes Konzert mit der damals Jungen Philharmonie erinnern?
Das allererste Konzert war eine öffentliche Generalprobe für Schulklassen, das war am 5. November 1998. Es waren tatsächlich 600 Schüler im Konzert und ich erzählte ihnen mit 22 von Dvořák, Schubert und Mozart. Im Nachhinein finde ich das unglaublich! Ich hab´ das eigentlich aus einer wirtschaftlichen Not heraus organisiert, hab´ mich gefragt, wo ich noch Geld akquirieren kann für das Orchester. Die Lehrer fanden es, glaub´ ich, auch super, dass eine 22-Jährige den 16-Jährigen authentisch erzählt, was klassische Musik ist.
Wie hat sich die Philharmonie Salzburg seit ihren Anfängen verändert und weiterentwickelt?
Die Grundstruktur hat sich verändert. Als ich das Orchester mit 22 Jahren gegründet hab´, hab´ ich mir Gleichgesinnte gesucht. Die Musiker waren zwischen 17 und 27 Jahre alt, das war die Basis. Einige dieser Musiker sind noch heute dabei! Heute sind wir 120 Musiker zwischen 17 und 50 Jahren. Wir spielen aber nie mit allen, bei großen Konzerten sind wir 70, 80 auf der Bühne, bei kleineren an die 40. Und als wir vor 20 Jahren anfingen, gab es zwei Konzertprojekte pro Jahr. Wir waren immer sehr studentisch und unbürokratisch, das ist jetzt noch immer so, aber wir arbeiten in einem sehr kleinen und guten Team. Ja, und wir fördern heute auch junge Musiker und geben ihnen die Möglichkeit, als Akademisten Erfahrungen im Orchester zu sammeln. Auch machen wir heute natürlich nach wie vor viele klassische Konzerte, aber auch viele coole Crossover-Projekte. Vor fünf Jahren haben wir außerdem beschlossen, den Musikern als Netzwerk zu dienen – sie spielen als Ensembles und unterrichten. Ganz lange habe ich mit dem Orchester überhaupt nichts verdient und musste mir nebenbei immer einen Job suchen. Zuerst hatte ich die Studienbeihilfe, ich hab´ gekellnert und dann hab´ ich fünf Jahre lang Mathematik unterrichtet. Später wurde ich bei der Kulturvereinigung angestellt.
Mit Ende des Jahres legst du die künstlerische Leitung der Kulturvereinigung nach zehn Jahren zurück. Dann hast du mehr Zeit für dein Orchester und die Kinderfestspiele. Welche Pläne hast du?
Musikvermittlung für alle ist mir nach wie vor ein großes Anliegen. Ich werde mich weiterhin um den Nachwuchs des Publikums, damit meine ich aber nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch Erwachsene, bemühen, aber auch um junge Talente kümmern. Mein Orchester wird dieses Jahr 20 Jahre alt. Das feiern wir! Wir sind nicht mehr superjung, aber trotzdem noch sehr jugendlich gelaunt. Die Freude an der Musik möchte ich weiterhin weitergeben. Im Konzertsaal und an ungewöhnlichen Orten mit ungewöhnlichen Programmen. Und ich möchte ganz viel dirigieren, vorzugsweise die große klassische und romantische Literatur und unglaublich gerne große Oper.
Wie würdest du dich selbst beschreiben?
Ich bin schnell, effizient, ehrlich, direkt, bodenständig, sozial und sehr extrem – extrem lustig und extrem anders. So, wie die Musik auch, darum liebe ich Mahler und Brahms, deren Musik ist auch voller Extreme, da kann ich richtig eintauchen in die Welt. Und ich bin leider nicht diplomatisch, was oft hinderlich ist. Und ich habe eine Elendsenergie!
Letztes Jahr war deine Energie aber sehr am Ende…
Ja, im April vor einem Jahr war definitiv eine schwierige Phase und Phase der Veränderung. Ich musste viele Entscheidungen treffen und das hat mich sehr viel Energie gekostet. Aber am Ende des Tunnels ist immer Licht, die neue Phase ist mehr als eingeleitet und mein Lebensmittelpunkt bleibt Salzburg, darüber bin ich sehr froh.
Woher hast du dann die Motivation genommen weiterzutun? Woher nimmst du allgemein deine Kraft und deinen Mut?
Ich liebe Begegnungen mit spannenden Menschen und nehme mir davon viel mit. Und von der Musik natürlich! Ich bin wie ein Perpetuum mobile, wenn ich etwas beginne, fließt es einfach und alles fließt mit hinein. Und ich glaube an Gott. Sein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden, das ist mein Satz. Ich bete jeden Tag und lebe meinen Glauben auch in allem, was ich tue.
Ich gehe sehr gern in die Kinderkirche. Ich lese mit den Kindern auch die Kinderbibel, ich finde, das sind einfach gute Geschichten. Jesus ist für mich eine Art Bruder, der viele Wunder vollbracht hat, und der sagte, ihr könnt noch viel mehr Wunder vollbringen. Für mich hat Gott uns alle mit Talent ausgestattet und auch mit einem Lebensplan. Jeder von uns sollte seine Talente finden und damit wirken für die Menschen.
Suchst du auch einmal aktiv nach Ruhe und Stille?
Ich bin gerne im Wald oder am Berg. Wenn ich alleine zu einem Gastdirigat verreise, kann ich gut nachdenken. Ich vermiete auch meine Wohnung jedes Jahr während der Festspielzeit für vier Wochen und dann sind meine Kinder und ich weg. Heuer werden wir uns wahrscheinlich einen Wohnwagen mieten und einfach mal schauen, wohin es uns treibt. Bei mir ist ja auch das Büro im Wohnhaus. Für mich gibt es kaum eine Trennung von Beruflichem und Privatem und das bin ich als Gasthauskind auch schon immer gewöhnt.
Woher hast du dein musikalisches Talent? Wann und wie hat es begonnen mit der Musik?
Das mit der Musik ist mir in die Wiege gelegt worden und vieles hat sich zufällig ergeben. Meine Mama ist schon auch grundmusikalisch, singt und spielt Klavier. Man hat meine Musikalität auch bemerkt, ich wurde aber nicht gepushed. Bei uns am Land gab es viele, die ein Instrument spielten und so wie ich bei der Blasmusik waren. Meine Eltern haben uns sehr viel ermöglicht, Bildung war ihnen ganz wichtig, obwohl wir nicht viel Geld hatten. Ich habe eine Klarinette und ein Klavier bekommen, aber auch Schifahren und Tennis förderte man. Auch in Mathe und Sport erkannten sie meine Begabung. Knackpunkt war die Entscheidung zwischen einem Sport- und einem Musikgymnasium. Im Nachhinein find ich es super, dass ich in nichts hineingetrieben wurde, so konnte alles frei wachsen.
2004 hast du überlegt, aus Salzburg wegzugehen, um international Karriere zu machen. Doch dann kam eine Einladung der Salzburger Festspiele zum Debüt für dich und deine Philharmonie und du bist geblieben. Hast du deine Entscheidung jemals bereut?
Nein, überhaupt nicht! Sicher, meine Karriere wäre anders verlaufen. Aber ich finde meine bisherige Laufbahn wahnsinnig schön… Ich habe mir Salzburg als Stadt ausgesucht und möchte hier nachhaltig etwas tun. Und die Ideen hören nicht auf, es sprudelt und man ist hier scheinbar auch nicht Lisi Fuchs überdrüssig…
Was ist dir neben deinem Orchester und den Kinderfestspielen wichtig?
Ich hab´ zwei Kinder, bin alleinerziehend, und es ist das Wichtigste auf der Welt für mich, diesen beiden Kindern eine gute Basis zu geben, damit sie ein gutes Leben führen können. Es ist mir sehr wichtig, dass sie sehr intensive und qualitätsvolle Zeit bekommen, Zeit, wo es nur mich und die Kinder gibt.
Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Ich schau wirklich sehr freudig in die Zukunft. Jedes Mal, wenn ich eine Brahms-Partitur lese, finde ich etwas Neues und immer wieder entwickle ich neue Konzepte, um die Leute zu gewinnen. Das kritischste Publikum sind die Kinder und die Jugendlichen, das ist eine Herausforderung.
Vor allem seh´ ich mich noch lebendig, ich würde in zehn Jahren einfach gerne noch am Leben sein. Ich seh´ mich in Zukunft in jedem Fall weiter in Salzburg und die Philharmonie Salzburg und die Kinderfestspiele leiten und es werden bestimmt noch andere Projekte hinzukommen.
Was sollen deine letzten Worte sein?
Am Ende zählt nur, wie viel man geliebt hat im Leben.
Elisabeth Fuchs wird 1976 als Wirtshaustochter in Kirchdorf a. d. Krems/Wartberg a. d. Krems in Oberösterreich geboren.
Sie ist alleinerziehende Mutter zweier Kinder, Hannah (3) und Michael (8). Elisabeth Fuchs ist Dirigentin, Gründerin der Philharmonie Salzburg (1998) und der Kinderfestspiele (2007). Bis Ende 2018 ist sie künstlerische Geschäftsführerin der Salzburger Kulturvereinigung. Die Wahlsalzburgerin studierte Musik und Mathematik auf Lehramt an der Paris Lodron Universität Salzburg sowie Orchesterdirigieren und Chordirigieren am Mozarteum Salzburg.
Musikalisch prägten sie Balduin Sulzer, Franz Welser-Möst, Herbert Böck, Karl Kamper, Michael Luig und Dennis Russell Davies.