Gesundheitsmythen aus dem Nähkästchen

Text: Natalie Zettl

Fotos: nicoletaionescu, Ignácio Carósio Font, sewcream - istockphoto.com

Kalte Füße führen zu einer Erkältung. Das eisgekühlte Getränk verursacht Halsschmerzen. Viele althergebrachte Gesundheitsweisheiten spuken noch heute in unseren Köpfen herum und verunsichern uns. Was davon stimmt – und was nicht?

Oft neigt man dazu, über Generationen weitergegebene „Weisheiten“ einfach zu übernehmen. Schließlich wird sich Oma schon etwas dabei gedacht haben, wenn sie ihren Weißwein stets auf Zimmertemperatur getrunken hat. Tatsächlich stellt sich jedoch die Frage, was davon wirklich stimmt – und was inzwischen eindeutig widerlegt wurde.

Kalte/nasse Füße begünstigen eine Erkältung.
Das stimmt mehr oder weniger: Zwar verursachen kalte oder nasse Füße alleine keine Erkältung, wenn der Körper friert, ziehen sich jedoch die Blutgefäße zunächst in den Extremitäten enger zusammen, in der Folge werden auch Ohren und Nasenspitze kalt. Dadurch werden diese Bereiche weniger gut durchblutet – und infolgedessen haben Viren leichteres Spiel, beispielsweise die Nasenschleimhaut zu besiedeln.

Von kalten Getränken bekommt man Halsweh.
Das kann man so nicht pauschalisieren. Josef Schlömicher-Thier, Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, erklärt: „Wenn ich über eine gesunde Schleimhautbeschaffenheit verfüge, habe ich normalerweise eine gute Toleranz gegenüber der Temperatur von Getränken, da der produzierte Mundspeichel puffert, löscht und kühlt. Ist allerdings der Speichelfluss verringert oder ist die Mund- und Rachenschleimhaut durch Säure vorgeschädigt, können kalte Getränke in der Tat schaden. Sie lösen durch die übersteigende Reizung der Fühlkörperchen in der Schleimhaut Schmerzen und Halsmuskelverspannungen aus. In der Folge können sie über die Magenreizung Reflux verursachen und somit wiederum die Mund-, Rachen- und Kehlkopfschleimhaut reizen.“

Milch verschleimt die Atemwege.
In Zeiten, in denen Laktoseintoleranz beinahe so etwas wie eine „Modeerscheinung“ geworden ist, glaubt man diesen Mythos nur allzu gerne. Auch von der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) wird er unterstützt.
Aber: Eine australische Studie machte den Praxistest und verabreichte zwei Gruppen von erkälteten Personen sowohl Milch als auch ein Placebo. Das Ergebnis: Danach fühlten sich beide Gruppen gleichermaßen verschleimt.

Zähneputzen nach dem Essen beugt Karies vor.
Der weit verbreitete Lehrspruch „Nach dem Naschen, nach dem Essen, Zähneputzen nicht vergessen“ ist zwar naheliegend, aber falsch: Durch das unmittelbar auf das Essen folgende Putzen werden nicht nur Bakterien vertrieben, sondern durch die Reibung auch Zahnschmelz zerstört – und diesen benötigen wir als „Schutzschild“ für die Zähne. Daher: Nach dem Essen am besten eine halbe Stunde warten und erst dann die Zähne sanft (!) putzen.

Beim Sprung in kaltes Wasser droht der Herzstillstand.
Diese Volksweisheit ist mit Vorsicht zu genießen: Menschen mit einer Vorerkrankung im Herzbereich sollten abrupte Temperaturwechsel tatsächlich vermeiden, da dabei der Kreislauf und das Herz zu sehr beansprucht werden können. Gesunden Personen schadet ein Sprung ins kalte Nass allerdings in der Regel nicht.

Kirschen und Wasser verursachen Bauchschmerzen.
Dieser Gesundheitsmythos stammt noch aus alter Zeit – und war damals teilweise wahr: Bis Mitte des 20. Jahrhunderts enthielt Trinkwasser oftmals Bakterien, die in Kombination mit dem Obst im Magen zu gären begannen und so zu Bauchschmerzen und Blähungen führen konnten. Bei der heutigen hohen Qualität unseres Trinkwassers müssen wir uns um diese Gefahr jedoch keine Sorgen mehr machen.

Am Abend essen macht dick.
Viele Menschen glauben das – und argumen-tieren, dass im Schlaf der Stoffwechsel ruht und daher bei regelmäßigem spätem Essen Extrapfunde entstehen. Das konnte jedoch nicht belegt werden: Es scheint egal zu sein, wann man sein Essen zu sich nimmt. Entscheidend sind Menge und Qualität sowie individuelles Wohlbefinden.
Wem also abends das spät gegessene Schnitzel schwer im Magen liegt, der sollte seine Nahrungsgewohnheiten vielleicht überdenken.

Beine übereinanderschlagen verursacht Krampfadern.
Das ist ein Mythos, der noch nie durch Untersuchungen bestätigt werden konnte – die Sitzposition scheint somit ziemlich sicher keinen Einfluss auf die Venen zu haben. Experten bestätigen: Die Vene in der Kniekehle ist in einer knöchernen Rinne gut versorgt und kann nicht so einfach abgedrückt werden. Vorher würden wir die Sitzposition als unangenehm empfinden und uns reflexartig bewegen.
Fazit unseres kleinen Reality-Checks: Nicht alles, was aus alter Zeit überliefert wurde, stimmt. Bevor man also aus Angst vor zusätzlichen Kilos hungrig ins Bett geht oder beim Genuss frischer Kirschen lieber durstig bleibt: besser die aktuelle Forschung zu Rate ziehen.