Frauenpower am Regiepult

Text: Natalie Zettl

Fotos: www.kaindl-hoenig.com, Landestheater/Tobias Witzgall

Sie ist 24 Jahre alt, dynamisch und selbstbewusst – und befindet sich mitten in den Proben für ihre eigene Inszenierung: Sarah Henker führt am Landestheater Regie und steckt mit ihrer Leidenschaft alle an.

Beim ersten flüchtigen Blick auf Sarah Henker kann man kaum glauben, dass die zarte junge Frau mit dem glatten blonden Bob Stücke inszeniert, dutzende Schauspieler koordiniert und gesellschaftlich schwierige Themen kreativ auf die Bühne bringt. Blickt man der jungen Frau allerdings in die Augen, so fängt man ihn sofort auf – den Funken des Feuers und der Leidenschaft, der Sarah Henker ans Regiepult gebracht hat.

Im Theater verwurzelt
Ihre Kindheit verbringt Sarah Henker nicht an einem Ort, sondern wechselt aufgrund ihrer weit verzweigten Familie zwischen Berlin, Leipzig, Dresden und Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem besucht sie ein Internat in Sachsen-Anhalt, behält Berlin aber im Herzen: „Das ist die Stadt, mit der ich tatsächlich ein Heimatgefühl ver-binde.“ Bereits als Kind sammelt sie erste Erfahrungen mit dem Theater: „Meine Mutter war lange Zeit Dramaturgin, mein Vater ist Schauspieler.“ Im Alter von fünfzehn Jahren kristallisiert sich dann heraus, dass Sarah Henker besser ans Regiepult als auf die Bühne passt – auch wenn die Jugendliche die Praxis-ausbildung in Schauspiel, Tanz und Gesang durchaus genießt. Aber, so erklärt sie schmunzelnd: „Ich hinterfrage zu viel.“ Es folgt das Studium der Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen, einer Kleinstadt in der Nähe von Frankfurt am Main. „Dass ich dorthin gegangen bin, war eher dem Studiengang geschuldet, nicht der Stadt“, so Sarah Henker. „Angewandte Theaterwissenschaften gibt es deutschlandweit an keiner anderen Universität.“ Letztendlich fühlt sie sich während ihres Studiums in Gießen sehr wohl: „Auch wenn ich generell lieber in Großstädten lebe – die Vertrautheit, die man in einer kleinen Stadt hat, ist schön: den Bäcker zu kennen, den Obstverkäufer, die Nachbarn.“

Glücklich in Salzburg
Nach Österreich verschlägt es Sarah Henker durch einen glücklichen Zufall: Den Universitätsabschluss frisch in der Tasche, geht sie auf Jobsuche und bewirbt sich breit-gestreut. „Für mich war immer klar, dass ich nach dem relativ theoretischen Studium wieder ans Theater zurück möchte, in die Praxis, sozusagen.“ Am Salzburger Landestheater findet Sarah Henker, was sie sucht: eine Stelle, die Interesse an eigener Regie- und Gestaltungsarbeit voraussetzt, die viele Chancen beinhaltet. „Deswegen bin ich, als die Einladung zum Gespräch kam, sofort hingefahren.“ Dort angekommen, ist es quasi Liebe auf den ersten Blick: „Das hat einfach von Anfang an gepasst.“ In der Spielzeit 2018/19 inszeniert Sarah Henker die „Amoralischen Einakter“ im Rahmen des Autorentheaterfestivals „Freispiel“ – und im Herbst 2019 kommt ihr neuestes Stück „We should all be feminists“ auf die Bühne. In der Mozartstadt fühlt sich Großstadt-Kind Sarah Henker inzwischen sehr wohl – obwohl die altehrwürdigen Gebäude Salzburgs durchaus gewöhnungsbedürftig für sie sind. „Man kommt hier jeden Tag an lebendiger Geschichte vorbei. Anfangs fühlte ich mich fast eingeschüchtert durch die Filmkulisse, als die ich Salzburg bisher wahrgenommen hatte – aber eigentlich ist ja gerade das Kulturgut, das hier über Jahrhunderte entstanden ist, etwas sehr Schönes.“

Ideenreich
Inspiration findet Sarah Henker in der Interaktion mit Menschen – wie sie es lächelnd ausdrückt, „im täglichen Leben“. Aber auch alles, was mit Erzählen zu tun hat, bringt die 24-Jährige auf Ideen: Sie liest viel, geht auch als Zuschauerin gerne ins Theater und lässt sich von ihrer Fantasie leiten. In ihrer Freizeit setzt sie auf Sport, „um den Kopf freizukriegen“, macht die Kletterhalle am Toprope unsicher und wandert mit großer Begeisterung auf die Berge des Umlandes. „Die Bergkulisse um Salzburg herum fasziniert mich immer wieder. In der Innenstadt vergisst man ganz gerne, dass sie da ist – aber etwas weiter draußen trifft einen ihre Schönheit dann mit voller Kraft.“

Feministin aus Überzeugung
In ihrer neuesten Inszenierung „We should all be feminists“ (Premiere am 20. September 2019) geht es um die gleichnamige Geschichte der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie, die sich als Feministin sieht und dabei an verschiedensten Stellen aneckt, jedoch nicht aufgibt. Denn, so lautet ein Auszug aus der Programmvorschau des Salzburger Landestheaters: „Über manche Dinge darf (und sollte!) man als Frau zornig sein, und ja, Kultur befindet sich im stetigen Wandel, und nein, beim Feminismus geht es eben nicht darum, wie sich denn die Männer dabei fühlen.“

An das gesellschaftlich schwierige Thema Feminismus wagt Sarah Henker sich ohne Angst: „Das Theater ist für mich ein Ort, an dem man gesellschaftliche Diskurse auf sehr produktive Art anstoßen kann. Schwierige Themen sind dort bestens aufgehoben.“ Auch für sie selbst ist Feminismus ein großes Thema – nicht nur als politische Einstellung, sondern auch als Filter, durch den man die Welt betrachten kann. „Die Auseinandersetzung mit dem, was es heißt, heute Frau zu sein, ist absolut essentiell. Und gerade in den Bereichen Regie und Intendanz sind Männer klassischerweise fast überall überrepräsentiert. Ich habe aber das Gefühl, dass da momentan vieles im Umbruch ist – zum Beispiel hat das Theatertreffen kürzlich eine Frauenquote eingeführt.“ Nicht nur, was Feminismus betrifft, würde Sarah Henker gerne alte, ungesunde Muster aufbrechen. Als Wunsch für die Zukunft äußert sie: „Dass die Leute aufhören, gegenseitig über sich in Kategorien zu sprechen, mit Vorurteilen, Überbegriffen et cetera. Ich glaube, für die Zukunft müssen wir alle, ob im Kleinen oder in der Weltpolitik, lernen, uns ganz einfach von Mensch zu Mensch beziehungsweise als Menschen über Menschen zu unterhalten.“