Frauenkörper ticken anders

Wo früher der männliche Körper als Norm galt und der weibliche Körper als Abweichung von dieser Norm, geht die Frauengesundheitsforschung heute spannende neue Wege. Denn Frauen und Männer erkranken anders, weshalb es einer Medizin bedarf, die beide Geschlechter gleichermaßen in den Fokus nimmt.
Text: Susanne Rosenberger
Fotos: Adobe Stock, Weiss & Weiss, Andreas Kolarik

Auch wenn mittlerweile längst klar ist, dass Frauen biologisch nicht unterlegen sind, werden sie immer noch benachteiligt – so auch in der Medizin: Frauen sind in Medikamentenstudien und in der medizinischen Forschung kaum vertreten, Krankheiten werden noch nicht ausreichend geschlechtsspezifisch behandelt. Dabei unterscheiden sich Frauen in ihrem Gesundheitsverhalten und ihren Krankheitsverläufen maßgeblich von Männern, denn sie weisen nicht nur Unterschiede in biologischen Dispositionen auf (u. a. Körper, Größe, Gewicht, Stoffwechsel, Hormonhaushalt), sondern auch bei der Fett-, Muskel- und Knochenmasse. Kurzum: Frauen haben andere Symptome, Krankheitsbilder und -verläufe.

Der kleine große Unterschied

Heute gilt es, durch eine geschlechtersensible Medizin (Gender Medizin) diese Unterschiede zu berücksichtigen. „Frauenspezifische Aspekte in der Gesundheitsforschung, Gesundheitsförderung, Prävention und Versorgung sind zentral für die Realisierung gesundheitsbezogener Chancengleichheit“, heißt es im Aktionsplan Frauengesundheit, der auf die Umsetzung zentraler Begriffe wie Chancengerechtigkeit, Stärkung des Selbstbildes von Frauen und die psychische Gesundheit abzielt. Mit dem „Frauengesundheitsbericht“ wurden 2022 nach über zehn Jahren erstmals wieder Informationen zu diesem Thema erhoben. Eine der wesentlichen Erkenntnisse daraus zeigt auf, dass Frauen zwar länger leben als Männer, jedoch mehr Lebenszeit in schlechter Gesundheit verbringen.

„Die Frau soll sich als Frau wohlfühlen – umfassend in Ästhetik, körperlicher und psychischer Gesundheit. Ohne Tabu.“
– Dr. Birgit Weiss

„In den letzten Jahren wurden wesentliche Verbesserungen im Bereich der Frauengesundheit verbucht“, bestätigt uns Dr. Birgit Weiss, „allein die Beachtung der Geschlechterunterschiede in Behandlungsstrategien, Medikamentendosierungen und der Vorsorgemedizin haben die Situation der Frau erleichtert. Natürlich sind Erfolge in der Tumormedizin oder bei schweren Stoffwechselerkrankungen markanter, aber auch im Kleinen lernen wir dazu, wie die Gesundheit und Lebensqualität der Frau zu stärken ist.“

Denn nicht nur biologische Unterschiede, sondern auch das soziokulturelle Geschlecht (Geschlechterrollen und -klischees) beeinflusst unsere Gesundheit. So erhalten Frauen häufig bei gleicher Symptomatik eine psychische Diagnose, während Männer eine physische Diagnose bekommen. „Immer wieder erzählen mir Frauen, dass ihre hormonellen Dysbalancen nicht ernst genommen und ihre Beschwerden als „psychisch bedingt“ abgetan werden“, verrät uns Dr. Angelika Graf, die besonders bedauert, dass zu schnell Antidepressiva oder andere Psychopharmaka verschrieben werden. In Deutschland wurde gerade eine große Studie veröffentlicht, die darauf hinweist, dass viele Krankenstände von Frauen durch eine fachgerechte, die hormonellen Dysbalancen ausgleichende Behandlung nicht notwendig wären.

Schmerzempfinden variiert

Wurden Frauen gesellschaftlich dazu sozialisiert, eine gewisse Leidensfähigkeit zu haben? Unbestritten ist mittlerweile, dass Frauen und Männer Schmerz unterschiedlich stark wahrnehmen. Frauen leider häufiger unter Kopf-, Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerzen, dabei sind sie auch häufiger von chronischen Schmerzzuständen (wie Fibromyalgie oder chronischer Borreliose) betroffen – Hormonschwankungen während des Zyklus spielen auch beim Schmerzempfinden eine starke Rolle. Männer hingegen werden durch das Testosteron eher vor Schmerzen geschützt.

Der weibliche Zyklus nimmt allerdings nicht nur Einfluss auf das Schmerzempfinden: „Es gibt eine wachsende Anzahl von Studien, die die Rolle der biochemischen Steuerungsmechanismen in Abhängigkeit vom weiblichen Zyklus erforschen“, so die Gynäkologin Dr. Graf, „dabei geht es auch um Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Hashimoto, Thyreopathie oder Lupus erythematodes, die bei Frauen viel häufiger vorkommen als bei Männern.“

Mehr Grundlagenforschung nötig

Bei der Medikamentenforschung sind Männer immer noch der Standard, rund 80 % der Arzneistoffe wurden ausschließlich an Männern getestet. Grund dafür, dass Frauen bis 1993 von Medikamentenstudien ausgeschlossen waren, sind mögliche Risiken durch eine Schwangerschaft (was auf den Contergan-Skandal in den 1950er und 60er Jahren zurückzuführen war). Obwohl die EU verlangt, beide Geschlechter in klinischen Studien zu berücksichtigen, variiert der Frauenanteil in den einzelnen Testphasen von Medikamenten heute sehr stark (in der Norm 10 bis 30 %) – dies ist darauf zurückzuführen, dass der weibliche Zyklus die Ergebnisse beeinflusst und dadurch die Forschungsarbeit erschwert.

„Die hormonellen Dysbalancen der Frauen werden häufig nicht ernst genommen und ihre Beschwerden als „psychisch bedingt“ abgetan.“ – Dr. Angelika Graf

Bei der Dosierung ist anzuraten, die Medikamente individuell anzupassen. Medikamente lösen bei Frauen nämlich doppelt so oft Nebenwirkungen aus, weil sie die Substanzen anders verarbeiten als Männer. Der Weg einer Tablette durch Magen und Darm dauert bei Frauen etwa doppelt so lange wie beim Mann, der die Wirkstoffe schneller in der Leber abbauen kann. Durch Anteil und Verteilung von Fett und Muskeln, verteilen sich die Medikamente auch anders im weiblichen Körper.

Psychische Komponente

Spricht man von Frauengesundheit, so müssen auch Themen wie das psychische Wohlbefinden, die sexuelle Gesundheit, Menstruationsgesundheit, Wechseljahre und Menopause, gynäkologische Versorgung und reproduktive Selbstbestimmung mitgedacht werden. „Durch eine Blutuntersuchung zur Bestimmung des sog. Hormonstatus kann ein hormonelles Ungleichgewicht sehr gut erkannt werden“, klärt Dr. Graf auf, „dabei sind vor allem die Verhältnisse der verschiedenen Sexualhormone zueinander in den jeweiligen Zyklusphasen von großer Bedeutung.“ Depressive Verstimmungen, Schlafstörungen und Erschöpfungszustände werden meist durch einen Mangel an Progesteron – dem „Hormon der weiblichen Seele“ – verursacht. Um hormonelle Dysbalancen auszugleichen, kommen bei der Salzburger Gynäkologin bioidente Hormone zum Einsatz, die von ihrem chemischen Aufbau und von der Wirkungsweise genau den körpereigenen Hormonen entsprechen und durch ihre niedrige Dosierung weitgehend Risiken und Nebenwirkungen ausschließen können.

Schluss mit falscher Scham

Die Balance zwischen körperlicher und psychischer Gesundheit ist fundamental, dieser Meinung ist auch Dr. Birgit Weiss, denn Probleme der Sexualität oder Inkontinenz dürfen aus falscher Scham nicht verschwiegen werden. „Das Wohlbefinden einer Frau beruht ganz wesentlich auf einer psychischen und körperlichen Balance, welche z. B. durch Harnverlust bei jedem Lachen oder permanentem Brennen in der Scheide massiv belastet ist“, so Dr. Weiss.

Die medizinische Laserexpertin Dr. Birgit Weiss bricht seit über zehn Jahren mit weiblichen Tabuthemen wie Harninkontinenz, Orgasmusverlust, Lost-Penis-Syndrom, Scheidentrockenheit oder vaginalem Juckreiz und verhilft damit ihren Patientinnen zu mehr Sicherheit und Lebensqualität. Ganz ohne OP können mit speziellen Laser-Behandlungen mehr als 70 % der behandelten Frauen mit Harninkontinenz zu einer vollständigen Symptomfreiheit der Blasenschwäche gelangen, 95 % führen sogar ein verbessertes Sexualempfinden mit Orgasmusfähigkeit an. „Viele Frauen wissen nicht, dass die Laser-Medizin wirksam gegen Formen der Harninkontinenz, vaginale Relaxation oder menopausale Beschwerden eingesetzt wird“, bedauert Dr. Weiss, die sich in ihrem Zentrum für Lasermedizin den aufbauenden Effekt der Lasertechnik zunutze macht, um schwaches Gewebe im weiblichen Genitaltrakt zu stärken und dadurch eine Symptomlinderung ohne Operation zu erzielen. Die Expertin empfiehlt jeder Frau: „Nehmen Sie Probleme der Beckenbodenschwäche oder sexueller Missempfindung nicht schamvoll hin, sondern wenden Sie sich zur Hilfe an Experten.“

Auf dem Weg zum besten Selbst

Wir sehen, dass sich unzählige Lebensfaktoren auf das Wohlbefinden, die Lebensqualität und die Gesundheit von Frauen auswirken. Der Frage, wie Frauengesundheit heute geht, widmen sich die SPIEGEL-Bestsellerautorinnen Anna Funck und Vanessa Blumhagen in ihrem neuesten Ratgeber „Gesund, stark, schön: So geht Frauengesundheit heute“ (2023). „Morgens schon dicke Augen, nach jedem Essen ein Blähbauch, keine Nacht mehr richtig durchgeschlafen und die Nerven zum Zerreißen gespannt: Viele Frauen sind weit entfernt von ihrem besten Selbst“, sagen die Autorinnen, die auf der Suche nach Lösungen spannende Ärzte, Heilpraktiker und Gesundheitsexperten interviewt und das gesammelte Wissen in ihrem Buch zusammengetragen haben.

„Wenn wir an ein paar Stellschrauben drehen, können wir unsere Power zurückbekommen“, ist Anna Funck überzeugt, „reinige ich meine Leber, brauche ich eventuell keine Brille. Nehme ich Bitterstoffe, bleibt mein Bauch herrlich flach nach dem Essen. Entgifte ich, habe ich bessere Nerven. Wer will das nicht.“ Ihre Co-Autorin Vanessa Blumhagen ergänzt: „Oft wird falsch therapiert. Wenn’s hinten zwickt, muss man vorne behandeln, sagt der Chinese. Unser Buch ist da ein absoluter Augenöffner.“