Fast wie barfuß

Vivobarefoot bringt den ersten Barfußlaufschuh für die geteerte Langstrecke, und die Redaktion ließ es sich nicht nehmen, diesen völlig neuen Laufschuh so richtig zu testen.

Der letzte Kilometer meiner 20-Kilometer-Strecke liegt vor mir. Gut, dass das Wetter diesen Frühling, gelinde gesagt, mild – ehrlich gesagt eher saukalt – ist. Trotzdem schwitze ich, meine Füße sind schwer und meine Unterschenkel unglaublich müde, als ich wieder die Justizanstalt Urstein zu sehen bekomme. Meine Route führte mich, ausgehend von der Redaktion im Zentrum für Visionen, über die Salzach auf die Anifer Seite, dann über den Walkenhofweg durch die Wälder, vorbei am Schloss Anif nach Hellbrunn, die Hellbrunner Allee entlang, über Freisaal hinunter bis zur ARGEkultur. Von dort am Westufer der Salzach geradewegs zurück zum Ausgangspunkt. Das sind ziemlich genau 20 Kilometer, und ich spüre jetzt jeden davon in meinen Knochen. Ich bin ja auch den ganzen Winter nicht gelaufen, bis ein Päckchen für mich im Briefkasten lag. Aber immer der Reihe nach.

Wenn der Postmann dreimal klingelt…

…bin zumindest ich wach. Also torkelte ich durch den Flur und öffnete verschlafen die Tür. „Die Post kommt auch immer früher“, dachte ich und schnappte mir das kleine Päckchen, das der Briefträger mir hinhielt. Es war so leicht, dass ich glaubte, es sei leer. Doch die Jungs von Vivo würden bestimmt keinen Aprilscherz verschicken, auch wenn das Datum fast gepasst hätte. Nach dem Öffnen hielt ich die wohl minimalistischsten Laufschuhe, die ich je gesehen hatte, in der Hand. 150 Gramm wog der Primus Flow – ein Hauch von Nichts, gefertigt aus möglichst vielen recycelten Materialien und der widerstandsfähigsten Kunststoffsohle, die die Vivo-Macher finden konnten.

Mit ohne Schuhe

Also fiel ich nicht mehr zurück ins Bett, sondern drehte gleich eine kurze Runde mit den neuen Barfußschuhen, bevor es ins Büro ging. Hündin Milla war sofort Feuer und Flamme für diese Idee. Der Primus Flow war mir etwas zu groß, weswegen ich Socken anzog – was sich später noch als Vorteil erweisen sollte.

Es war meine erste Laufrunde nach der Winterpause. Wenn es draußen kalt ist, bin ich lieber im Gym. Letzten Sommer hatte ich dafür schon kurze Strecken mit meinen Vibram FiveFingers Barfussschuhen absolviert und mir den Forefoot Strike, also das Laufen auf den Zehenballen, angewöhnt. Ich fühlte mich großartig.

Am nächsten Tag spürte ich ein leichtes Ziehen in Waden und Oberschenkeln, und am übernächsten Tag konnte ich kaum noch gehen. Der Muskelkater war fast lähmend, auf jeden Fall sehr schmerzhaft und ich fragte mich, wie ich wohl 20 Kilometer auf dem Vorfuß schaffen sollte. Am Nachmittag traf ich mich online mit Ben Le Vesconte, dem Health-Experten von Vivobarefoot, der mich lachend darauf aufmerksam machte, die ersten Wochen in meinen neuen Vivos nur zu gehen und nicht gleich zu laufen.

Auch meine Vorfußlauftechnik, auf die ich so stolz war, ist für diesen Laufschuh falsch, denn der richtige Barfußläufer setzt mit dem ganzen Fuß auf – zuerst den Vorfuß, dann die Ferse –, erklärte mir Ben: „Wir laufen barfuß genauso wie die Massai springen: Sie ziehen ihre Zehen an und peitschen sie erst im letzten Moment vor dem Aufkommen in den Boden. Die Ferse berührt noch leicht die Erde, bevor der Massai sich nach oben katapultiert. So arbeiten unsere Fußmuskeln am effizientesten.“

Ich lud mir also den „Running Fundamentals Course“ von Vivobarefoot herunter. Die beiden Trainer Ben und Dex vermitteln hier Schritt für Schritt die richtige Lauftechnik. Nach einer Woche, in der ich Milla mit meinem neuen Primus Flow nur gehend Gassi führte, traute ich mich auch an die neue Technik heran. Nach einigen Laufrunden, die ich aus Mitleid mit meinen Beinen auf drei Kilometer begrenzte, war sie mir ins Blut übergegangen. Es fühlte sich ganz natürlich an, wenn die Ballen zuerst den Boden berühren, dann die Ferse leicht den Untergrund küsst und schließlich die Zehen sich wieder vom Boden abstoßen. Langsam erhöhte ich die Streckenlänge und pirschte mich an meine „Fast-Halbmarathon-Distanz“ von 20 Kilometern heran.

Im „Running Fundamentals Course“ vermitteln Ben und Dex Schritt für Schritt die richtige Lauftechnik.

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Auf den Hund gekommen

Kann es sein, dass wir unser ganzes Leben etwas Falsches gelernt haben? Beim Gehen sollte man mit der Ferse aufsetzen – aber wie sieht es beim Laufen aus?
Ich wiege 75 Kilogramm. Wenn ich als Fersenläufer barfuß liefe, würden bei jedem Schritt 187,5 Kilogramm auf meine Ferse und mein Knie einwirken – ungefedert. Welche Auswirkungen das hat, lässt sich radikal an der Zunahme der Knieprobleme seit der Erfindung gepolsterter Laufschuhe um 1970 feststellen. Diese haben sich seitdem verdoppelt.

„Wir haben in unseren gepolsterten Schuhen gelernt so zu laufen, wie wir eigentlich gehen. Barfuß zu laufen bedeutet natürlich zu laufen.“ – Ben le Vesconte, Healthexpert bei Vivobarefoot

Ich beobachte meine Hündin beim Laufen. Ihre Hinterfüße bestehen eigentlich nur aus Zehen und Ballen. Was unserem Knöchel entspräche, sitzt weit oben am Bein und federt jeden ihrer Sprünge und Schritte ab. Das Gewicht des Körpers stößt nirgends ungefedert direkt in ein Gelenk wie das Knie hinein. Das allein überzeugt mich: Man sollte beim Laufen nicht über die Ferse abrollen – egal, was manche Orthopäden oder Laufcoaches sagen.

Trainieren bis zum Wadenversagen

Gleich vorweg: So schlimm war es nicht. Jedoch muss man sich Zeit nehmen und sich daran gewöhnen, dass einen nur 5,6 Millimeter vom Boden trennen. Die Sohle ist dabei extrem flexibel und beweglich, bietet perfekten Schutz vor spitzen Steinen und lässt trotzdem so viel Gefühl für den Boden zu, dass man beinahe glaubt, barfuß unterwegs zu sein. An sonnigen Tagen spürt man die Wärme des Bodens, ist der Asphalt aufgerissen, merkt man sofort jede Rille – man verschmilzt richtig mit dem Untergrund.

Dazu kommt, dass die breite, anatomisch geformte Zehenbox den großen Zeh nicht einengt und dieser daher beim Abrollen seine gesamte Kraft entfalten kann. Laufen wird so vor allem ein Training für die gesamte Fußmuskulatur. Ich fing an, meine Füße nach dem Laufen intensiv zu massieren – dieses Bedürfnis hatte ich nie, als ich noch normale Laufschuhe trug. So komme ich mit meinen Vivos nicht nur intensiver in Kontakt mit dem Boden, sondern anscheinend auch mit meinen Füßen.

Der große Tag

Heute, am 17. Mai, ist es so weit. Im Zentrum für Visionen wurde tags zuvor das stylische Train&Swim Fitnessloft eröffnet, und ich habe somit die Möglichkeit, nach meiner 20-Kilometer-(Fast)Barfuß-Runde dort ausgiebig zu duschen und noch ein paar Entspannungslängen im 15-Meter-Rooftop-Indoor-Pool zu machen.

Barfuß-Vorbild Milla

Es ist 8 Uhr an einem kühlen, bewölkten Tag. Bei etwa 10 Grad starte ich, Milla natürlich an meiner Seite. Sie ist ja mein Vorbild in Sachen Barfußlauf, und wir nehmen die eingangs erwähnte Runde in Angriff. Trotz der dünnen Sohle und der sensorischen Verbindung mit der Straße fühlt man sich jederzeit ausreichend gut gefedert. Bei Vivobarefoot verfolgt man den Ansatz, dass sich der Asphalt der Straße im Schuh wie trockenes Gras anfühlen soll. Ich stelle mir das zwar anders vor, aber die Dämpfung ist auf jeden Fall ähnlich wie auf trockenem Erdboden, und das reicht, um sich beim Laufen wohlzufühlen.

Wer mit Vivos wirklich trainiert, sollte sie mit Socken tragen, denn so wird der Schweiß jederzeit aufgesogen und sie riechen dadurch viel seltener nach totem Tier. Somit spart man sich Waschgänge, und ich bin einfach bekennender Sockenträger – auch wenn es sich ohne wahrscheinlich noch barfußiger anfühlen würde.

Mit ausreichend Training sind 20 Kilometer kein Problem in Barfußschuhen. Laufcoach Ben versicherte mir, dass auch ein kompetitiver Marathon ohne Probleme zu bewältigen sei: „Damien, Galahad (die Gründer von Vivo Barefoot) und ich liefen 2009 den New York Marathon. Galahad ließ seine Vivos an der Startlinie zurück, Damien und ich liefen etwa 19 Kilometer in Vivos und den Rest barfuß.“

Meine Füße schmerzen nach den 20 Kilometern, und man merkt, dass Barfußlaufen für den Bewegungsapparat wesentlich anstrengender ist als das Laufen in klassischen Laufschuhen. Somit werde ich es mit meinem Primus Flow in Zukunft wohl so halten wie Profiboxer Alexander Peil, die britische Olympionikin Montell Douglas oder Novak Djokovic, die ihre Barfußschuhe zum täglichen Training verwenden, aber im Wettkampf auf Standardmaterial zurückgreifen. So profitiere ich vom verstärkten Training und schone meine Muskulatur weitestgehend, wenn es darum geht, die anderen weit hinter mir zu lassen. Damit das noch besser funktioniert, habe ich mir auch für den Arbeitsalltag ein paar Vivos bestellt.

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Beste Trainingsausichten

Mit TRAIN & SWIM, dem brandneuen FitnessLoft im Zentrum für Visionen ist eine neue Dimension des Trainings entstanden. Auf rund 700 m² erwarten Sie hochmoderne Trainingsgeräte für Cardio- und Krafttraining und ein 15-Meter-Rooftop-Indoor-Pool.

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Vivo Barefoot

Die Schuhe für diesen Test wurden von Vivobarefoot zur Verfügung gestellt. Danke an das gesamte Vivo Team und im speziellen an Health Coach Ben Le Vesconte.

Vivo Barefoot

Text: Dominic Schafflinger

Fotos: Vivobarefoot

2025-05-27T15:21:43+02:00

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