Endometriose – das Chamäleon unter den Krankheiten
Text: Astrid Schraffl
Fotos: deagreez , Yakobchuk Olena - stock.adobe.com, Pircher Thomas bild[ART]isten
Für viele nach wie vor ein Fremdwort, bedeutet Endometriose für betroffene Frauen oft einen jahrelangen Leidensweg – allein schon auf der Suche nach der richtigen Diagnose! Steht diese endlich fest, beginnt erst das ebenfalls langwierige Forschen nach der passenden Behandlung.
Endometriose ist eine Krankheit, die Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter betrifft und bei der Gebärmutterschleimhaut (lat. Endometrium) außerhalb der Gebärmutterhöhle wächst. Dieses Gewebe kann sich im Bereich des kleinen Beckens, der Eierstöcke, der Eileiter, im Enddarmbereich oder im Bereich der Harnblase ansiedeln und macht dort im Laufe des weiblichen Zyklus ähnliche Veränderungen durch wie die normale Gebärmutterschleimhaut.
Welche Symptome die Betroffenen haben, hängt hauptsächlich davon ab, wo die Endometriose auftritt. Das Hauptsymptom sind starke Regelschmerzen. Allerdings sind auch Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, beim Stuhlgang und beim Harnlassen keine Seltenheit, da die Endometriose in die Tiefe wachsen und dadurch die Funktion der Organe beeinträchtigen kann. Auch Blutungsstörungen wie sehr starke oder lange Blutungen oder Zwischenblutungen können von einer Endometriose verursacht werden, ebenso wie Erschöpfungszustände und ungewollte Kinderlosigkeit.
Schwierigkeit: Diagnose
Univ.-Prof. Mag. Dr. med. Andreas Widschwendter vom Universitätsklinikum Innsbruck ist Spezialist auf dem Gebiet der Endometriose und seine Praxis ein zertifiziertes Endometriosezentrum. Er erklärt, was die Diagnosestellung oft so schwierig macht: „Die Endometriose kann andere Erkrankungen bzw. Symptome imitieren und wird deswegen oft „das Chamäleon der Krankheiten“ genannt. Die Beschwerden können den Darm, die Blase oder auch – ganz exotisch – die rechte Schulter betreffen. Das macht die Diagnose komplex und schwierig. Die typisch zyklusbedingten Schmerzen sind natürlich bezeichnend, aber oft treten diese oder andere Beschwerden auch zyklusunabhängig auf. Die Ausprägung der Endometriose ist auch nicht eins zu eins umlegbar auf die Beschwerden. Manche Frauen haben massive Endometriose und es wird aufgrund von Symptomfreiheit nur zufällig diagnostiziert, z. B. bei unerfülltem Kinderwunsch, andere haben nur kleine Herde, aber gravierendste Schmerzen.“
Was die Diagnosestellung ebenfalls erschwert, ist nach wie vor das mangelnde Bewusstsein über die Krankheit in den Köpfen der Menschen – leider auch bei manchen Medizinern. Die Symptome der Patientinnen werden als solche nicht ernst genommen, Regelschmerzen als normal abgetan und bagatellisiert, weswegen es oft gar nicht erst zu einer Abklärung kommt. Prof. Widschwendter aber weiß: „Wenn die Schmerzen bei der Monatsblutung auf einer Schmerzskala von 1–10 in Richtung 5 oder darüber gehen, ist das nicht mehr normal und gehört abgeklärt.“
Endometriose – was dann?
Nach der Diagnosestellung gibt es mehrere Therapieoptionen. Die Basis bildet zumeist eine Hormontherapie, bei der versucht wird, die Endometriose so inaktiv wie möglich zu halten. Das kann z. B. die Einnahme von Gelbkörperhormonen oder von einer normalen Pille im Langzyklus sein, der Einsatz einer Hormonspirale oder eine medikamentöse Unterdrückung der Eierstockfunktion. Desweiteren kann auch eine Operation in Form einer Bauchspiegelung notwendig sein, wo die Endometrioseherde entfernt werden. Dritter Therapiepfeiler ist die Schmerztherapie, die eine sehr zentrale Rolle spielt. Das können ganz klassisch Schmerzmittel sein oder auch eine multimodale Schmerztherapie bei speziellen Schmerztherapeuten. Unterstützend können eine Ernährungsumstellung, Physiotherapie und eine psychosomatische Betreuung sehr gute Ergebnisse erzielen. Auch komplementärmedizinische Maßnahmen wie Akupunktur, TCM, Yoga oder Osteopathie können die Lebensqualität von Betroffenen deutlich verbessern.
Gemeinsam gegen Selbstzweifel
Neben einer guten medizinischen Betreuung ist es empfehlenswert, mit anderen Endometriose-Patientinnen in Kontakt zu treten und sich auszutauschen. Vor allem für die mentale Gesundheit ist es Gold wert, sich in einer Gemeinschaft verstanden zu fühlen. Hier setzt die EVA – Endometriose Vereinigung Austria an. Sie möchte die allgemeine Bekanntheit und Wahrnehmung der Erkrankung Endometriose verstärken. Sie unterstützen Patientinnen und deren Angehörige und bieten auf verschiedenen Ebenen einen Platz für Austausch, Information und Vernetzung. Regelmäßig finden Treffen statt, sowohl online als auch persönlich. Michaela Kahr leidet seit jungen Jahren an Endometriose und ist nach langem Leidensweg bei der EVA gelandet, wo sie inzwischen sogar Vorstandsmitglied ist. Sie berichtet von ihren Bemühungen für mehr Bewusstsein über die Krankheit.
„17 Jahre hat bei mir die Diagnosestellung gedauert. Ich wurde oft belächelt und meine dauernden Schmerzen seit meiner ersten Periode als normal abgetan. Jahrelang habe ich mich mit Schmerzmittel während der Regel und mit der Pille durchgehangelt. In all den Jahren hat nie ein Gynäkologe Endometriose auch nur erwähnt. Erst eine Arbeitskollegin brachte mich im Gespräch darauf und selbst dann sagten mir noch immer zwei Gynäkologen, dass es das wohl nicht wäre. Nach einer aufklärenden Operation stand endlich die Diagnose fest. Allerdings wussten meine Ärzte auch dann noch nicht so recht etwas damit anzufangen. In einem Endometriosezentrum fand letztlich ein ausführliches Diagnosegespräch statt, wo viel nachgefragt wurde und man sich die Zeit nahm, mir alles genau zu erklären. Das war für mich ein wahrer Segen, endlich ernstgenommen zu werden und zu begreifen, dass alle meine Beschwerden auf die Endometriose zurückzuführen sind und ich mir das nicht nur einbilde.“
Wichtige Aufklärung
Michaela Kahr hat inzwischen ihr Leben völlig umgestellt und schwört auf eine Kombination aus Physio- und Osteopathie, Akupunktur, TCM-Kräutern, Nahrungsergänzungsmitteln und individuell in der Apotheke zusammengestellten Tees.
Ehrenamtlich, so wie alle anderen Mitglieder, engagiert sie sich für die EVA, wo laufend neue Maßnahmen starten, um mehr Bewusstsein für die Krankheit zu schaffen. Im März findet z. B. ein kostenloser Kongress mit spannendem Vortragsprogramm statt.
Weitere Infos unter www.eva-info.at