Eine Frage des Lebenswandels?
Text: Doris Thallinger
Fotos: Privat, maniki, freshidea, Africa Studio -–stock.adobe.com, B. BOISSONNET / BSIP
Jugend- und Altersdiabetes – das war einmal. Tritt Diabetes Mellitus Typ 1 als Autoimmunerkrankung zwar nach wie vor ab dem Kleinkindalter auf, werden die Patienten, die an der Unterform Typ 2 erkranken, immer jünger – und immer mehr.
Die Zellen unseres Körpers benötigen Zucker, dieser liefert die Energie, die Muskeln und Organe brauchen, um zu funktionieren. Die Glukose wird über die Nahrung aufgenommen und gelangt über den Darm in den Blutkreislauf und weiter zu den Zellen. Damit der Zuckerstoffwechsel reibungslos funktioniert, ist das körpereigene Hormon Insulin zuständig, das – bei gesunden Menschen – in der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) produziert und von dort in den Blutkreislauf abgegeben wird.
Leidet man jedoch unter Diabetes Mellitus, wie insgesamt geschätzt rund 600.000 Menschen in Österreich, kann der Körper entweder aufgrund einer Autoimmunkrankheit nicht selbstständig Insulin produzieren (Typ 1-Diabetes) oder aber die Körperzellen nehmen das Insulin nicht auf, das daraufhin im Blutkreislauf verbleibt und den Zuckerspiegel im Blut ansteigen lässt (Typ 2-Diabetes).
Angeborene Autoimmunerkrankung
Nur rund 10 Prozent aller Diabetes Mellitus-Fälle sind genetisch bedingt, fallen also unter Diabetes Typ 1. Die Bauchspeicheldrüse produziert kein oder zu wenig Insulin, die Patienten leiden unter absolutem Insulinmangel. Zumeist tritt die Erkrankung bereits im Kleinkindalter auf, aber auch Operationen oder Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse können in seltenen Fällen zu absolutem Insulinmangel führen.
Prinzipiell kann diese Form von Diabetes nur durch Insulinverabreichung therapiert werden, klassisch mit dem Insulin-Pen, mit dem sich der Patient die notwendige Dosis Insulin unter die Haut spritzt. „Insbesondere Kinder werden heute oft auf Insulinpumpen umgestellt. Das sind automatische Verabreichungssysteme, die am Körper getragen werden, und über eine Kanüle kontinuierlich Insulin abgeben, um den 24-Stunden-Bedarf an Insulin zu decken“, erklärt Dr. Klaus Steiner, Facharzt für Innere Medizin im Ärztehaus Rupertgasse. „Die aktuellste Variante, die derzeit am Entstehen ist, ist das ‚Closed Loop-System‘, das die Insulinabgabe automatisch an den Glukosewert anpasst. Das Stichwort lautet: künstliches Pankreas – in den nächsten Jahren wird es sicher spruchreif werden, dass der Patient nur noch maximal zu den Mahlzeiten Insulin verabreichen muss, den Rest regelt dieses System.“ Ziel sei es, die Lebensqualität eines Nicht-Diabetikers zu erreichen. Denn: Heilung gibt es derzeit nicht: „Die einzige Heilung aus heutiger Sicht wäre eine Bauchspeicheldrüsentransplantation, die aber nur in Ausnahmefällen gemacht wird. Geforscht wird derzeit an der Stammzellentransplantation: Stammzellen werden in die Bauchspeicheldrüse implementiert, siedeln sich dort an und produzieren Insulin. Im Moment ist dies nur eine experimentelle Möglichkeit, aber dadurch wäre eine Heilung möglich“, so Steiner.
Lifestyle-Krankheit
90 % aller Diabetes Fälle fallen unter Typ 2. Was früher als Altersdiabetes bekannt war, betrifft zunehmend mehr und vor allem immer jüngere Menschen, bis hin zu Jugendlichen. Laut einer vorsichtigen Prognose der Österreichischen Ärztekammer sind bis 2030 bereits 800.000 Erkrankte zu erwarten, wobei die Dunkelziffer hoch ist – entwickelt sich die Krankheit schleichend und anfangs symptomlos.
Der Grund für diese erschreckende Entwicklung: unser Lebensstil. Übergewicht durch zu viel und falsche Ernährung sowie Bewegungsmangel lässt das Risiko, an Diabetes Mellitus Typ 2 zu erkranken, empfindlich ansteigen. Weitere Risikofaktoren: Vererbung, Alter, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Rauchen, Stress.
Die Krux an dieser Form Diabetes Mellitus: Die Symptome werden oftmals erst spät erkannt bzw. richtig eingeordnet, wie z. B. Müdigkeit, Leistungsabfall, verstärktes Durstgefühl und anfangs sogar Gewichtsverlust. Umso wichtiger sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, denn, auch wenn man die Krankheit noch nicht spürt, richtet der erhöhte Blutzucker unbemerkt Schäden an und führt zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen.
Schock-Diagnose
So ist der erste Schock meist groß, wenn unerwartet die Diagnose „Diabetes mellitus“ lautet. Hoffentlich so groß, dass er die Betroffenen – sofern in einem Frühstadium erkannt – dazu bewegt, ihr Leben radikal zu ändern. „Bevor man Medikamente verschreibt, sollte man zumindest drei Monate lang versuchen, die Krankheit mit Lebensstilmaßnahmen zu behandeln, sprich die Ernährung umstellen, konsequent abnehmen, Sport und Bewegung betreiben“, rät Dr. Klaus Steiner und berichtet von Patienten, die durch radikale Gewichtsabnahme und Lebensstilveränderungen Diabetes im Frühstadium rückgängig machen konnten.
Erst im nächsten Schritt startet der behandelnde Arzt eine medikamentöse Therapie: „Die Erstlinienmedikamente sind nach wie vor Metformin oder Glucophage. Sicher sehr gut wirken darüber hinaus SGLT2-Hemmer, die derzeit ziemlich hochgejubelt werden“, so Steiner. „Auch GLP-1-Analoga senken wirkungsvoll den Blutzucker, müssen aber unter die Haut gespritzt werden.“ Erst als letzter, wenn notwendiger Schritt wird bei Diabetes mellitus Typ 2 die Verabreichung von Insulin als Therapie eingesetzt.
Zucker und seine Folgen
Die Gefahren der Zuckerkrankheit lauern oft erst Jahre später, manifestieren sich zum einen in Schädigung der großen (makrovaskulären) Blutgefäße und bringen koronare Herzerkrankungen, Schlaganfall sowie Verengungen an den Beingefäßen mit sich. Der zweite Bereich sind Erkrankungen der kleinen (mikrovaskulären) Blutgefäße, woraus Augenerkrankungen bis zur Erblindung, Nierenschäden sowie Schädigung der Nerven und Nervengefäße entstehen.
Ernährungstipp von Maria Anna Benedikt, Praxis für Medizinische Ernährungsberatung:
Wichtig ist es, auf regelmäßige Mahlzeiten zu achten – ich empfehle 3 Mahlzeiten und die Tendenz zu Low Carb-Ernährung. Ein guter Fahrplan ist das 3-Tellerprinzip:
1. 250 g Gemüse und Salat
2. 150 g Fleisch oder Fisch (Handtellergroß) oder 200 g Hülsenfrüchte gekocht (Tellerportion) oder 2 Eier, dazu 150–250 g Milchprodukte mager oder 70 g Magerkäse
3. Beilagen: 150 g Kartoffeln oder 40–50 g Nudeln, Reis ungekocht – entspricht ca. 150 g gekocht
Ergänzend zum Kochen: gute Pflanzenöle wie Olivenöl, Rapsöl, für Salate Kürbiskernöl, Walnussöl, für Rohkost Leinöl
Obst in frischer Form als Dessert
1 Handvoll Nüsse oder 1 EL Nussmus – ergänzend für Salate, Gemüse, in Joghurt gerührt.