Editorial

Gemeinsam einsam – wenn das Display heller leuchtet als die Emotion

Ein Konzert. Die Musik dröhnt, das Licht tanzt, die Menge steht dicht an dicht. Es wird getanzt, gesungen, gefeiert – oder sollte es zumindest. Nur: der Blick geht nicht zur Bühne, nicht zum Musiker, nicht zueinander. Er geht aufs Handy. Hunderte Displays leuchten in der Dunkelheit wie Schutzschilder gegen den Moment. Es wird gefilmt, fotografiert, gestreamt, gepostet. Nicht für den Moment, sondern für das Danach. Für andere. Für Likes.

„Gemeinsam einsam“ – selten ist dieses Paradoxon so greifbar wie in solchen Augenblicken. Obwohl wir physisch eng beieinander stehen, sind wir emotional meilenweit entfernt. Jeder für sich, gefangen in seiner digitalen Blase. Die Musik ist echt, die Menschen sind da – doch etwas fehlt: die Präsenz. Die echte Emotion.

Wir feiern nicht mehr miteinander, sondern für andere. Statt im Hier und Jetzt zu leben, konstruieren wir Erinnerungen, noch bevor sie überhaupt stattfinden. Nicht, um sie zu behalten, sondern um sie zu teilen. Nicht um zu fühlen, sondern um zu zeigen, dass wir da waren. Dabei verlieren wir das Wesentliche: das Erleben selbst. Wir teilen den Moment mit der Welt – und verpassen ihn dabei mit denen, die direkt neben uns stehen.

Und wofür? Für ein „Wow“, einen Daumen nach oben, einen kurzen digitalen Applaus. Statt mit unseren Liebsten zu tanzen, drehen wir ihnen den Rücken zu für den perfekten Winkel. Statt den Refrain mitzusingen, prüfen wir, ob das Licht auf dem Video stimmt. Und irgendwann stellen wir fest: Wir waren zwar dort, aber wir waren nicht wirklich da.

Die Szene ist symptomatisch für unsere Zeit. Das Konzert ist nur der sichtbarste Ort: Wir verlieren den Kontakt zu dem, was direkt vor uns liegt. Zur Musik, zu den Menschen neben uns – zu uns selbst. Wir posten, während wir schweigen. Wir teilen, während wir vereinsamen. Wir sind da – aber nicht präsent.

Wie ein Salzburger Gastronom unlängst treffend formulierte: Wir müssen den Menschen wieder zeigen, was es heißt, wirklich auszugehen und Spaß zu haben. Miteinander zu reden, zu lachen, zu tanzen, zu flirten, neue Menschen kennenzulernen. Nicht um etwas zu beweisen, sondern um es zu erleben. Nicht für die digitale Galerie, sondern für die eigene Erinnerung. Natürlich ist es legitim, besondere Momente festzuhalten. Aber wenn das Festhalten zum Selbstzweck wird und das Erleben verhindert, sollten wir uns vielleicht fragen: Für wen halten wir diesen Moment fest – und für wen lassen wir ihn los?

Ihre Doris Thallinger
Chefredakteurin