Von außen betrachtet
Text: Doris Thallinger
Ein Freitagnachmittag Ende April. Nach wochenlangem, viel zu kaltem und regnerischem Wetter der erste sonnige Tag. Am Salzburger Mirabellplatz tummeln entsprechend viele Menschen – fast ein jeder mit einem Weinglas in der Hand. Kein Wunder, denn man befindet sich am jährlichen Winzermarkt am Mirabellplatz, auf dem Winzer aus ganz Österreich auf Weinliebhaber aus ganz Salzburg und Umgebung treffen. Aber eben nicht nur: Etwas abseits stehen zwei junge Männer und betrachten das Spektakel eine Zeit lang.
Schließlich wagen sie sich an eine Gruppe heran, um die Frage zu stellen, die ihnen unter den Nägeln brennt. Ob es in Österreich normal sei, mitten am Tag Alkohol zu trinken, wollen sie in reinstem US-Englisch wissen. Dass untertags getrunken wird, hat sie schon erstaunt, dass aber scheinbar jeder, also wirklich jeder zu dieser Zeit Wein trinkt, entsetzt sie schon fast. Auch die Erklärungen, dass dies (meist) nur am Freitag der Fall sei und sie sich eben auf einem Winzermarkt befinden, leuchten den beiden nicht wirklich ein. Man sieht ihnen ihre Gedanken nur zu deutlich an: Welch eigenartiges Völkchen, diese Österreicher!
Und – aus ihrem Blickwinkel betrachtet – haben sie wohl nicht ganz unrecht. Die Österreicher sind einem guten Tropfen alles andere als abgeneigt. Mit durchschnittlich 11,9 Litern reinem Alkohol, der jährlich pro Kopf konsumiert wird, liegt Österreich im weltweiten Vergleich auf Platz 17. Der weltweite Durchschnitt liegt allerding bei 5,8 Litern pro Kopf und Nase. Nur so zum Vergleich.
Doch wie wusste schon Paracelsus: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“ Oder, wie wir heute leicht abgewandelt anwenden: Die Dosis macht das Gift. Wie viel ist also zu viel? Dieser Frage widmete sich kürzlich die Österreichische Dialogwoche Alkohol. Gerade in unseren Breitengraden, in denen Alkohol zum Kulturgut zählt und gesellschaftlich (noch) eher akzeptiert ist als Abstinenz, soll angeregt werden, sich über den eigenen Alkoholkonsum Gedanken zu machen. Denn im Gegensatz zur hohen Akzeptanz von Alkohol ist die Alkoholsucht ein Tabuthema. Dabei leiden Schätzungen zufolge rund 5 % der Österreicher an einer Alkoholabhängigkeit, weitere 10 Prozent konsumieren Alkohol in gesundheitsgefährdendem Ausmaß. In Summe sind das rund eine Million Menschen in Österreich mit problematischem Trinkverhalten.
Und mit diesen Zahlen will ich überhaupt nicht als Moralapostel auftreten oder gar irgendjemandem sein kühles Bier oder sein verdientes Achterl madig machen! (Wer mich kennt, würde mir das auch nicht abnehmen – denn auch ich weiß mein Glas Wein oder Prosecco absolut zu schätzen!) Nur: Ich möchte nicht zu den 15 Prozent gehören, die Gefahr laufen, sich über kurz oder lang mit Alkohol zu ruinieren. Also: Genießen, aber in der richtigen Dosis! (Und danach das Auto stehen lassen!)