„Die Mitte des Lebens ist nicht immer ein ausgeglichener Ort“
Text: Doris Thallinger
Fotos: Annett Louisan, Thomas Faehnrich, Christoph Koestlin
Ganze fünf Jahre haben die Fans der Ikone des deutschen Chanson-Pops darauf gewartet: Im Frühjahr ist nun Annett Louisans Doppelalbum „Kleine große Liebe“ erschienen. Am 1. November macht sie Station in Salzburg.
Ein verschmitztes Lächeln, ein tiefer Blick aus großen Kulleraugen, zart und unschuldig wie eine Elfe, schlägt sie zu: mit pointierten Liedtexten, frech, auch mal ein wenig anrüchig. Das süße Aussehen täuscht nicht darüber hinweg, dass Annett Louisan sich kein Blatt vor den Mund nimmt und die Dinge gern beim Namen nennt.
Genau wie vor ihrer Schaffenspause ist sie heute, wie damals vor fünf Jahren, wieder ganz groß da, mit voller Kraft, geballter Energie – und gleich einem Doppelalbum, das im vergangenen März erschienen ist.
Kleine große Liebe
„Das Album war überreif, das gebe ich zu, aber ich bin froh, dass ich mir die Zeit genommen habe.“ Es habe sie durch eine ganz besondere Phase begleitet – während der Übergangsjahre von einem Lebensabschnitt in den nächsten. „Das kann ziemlich wackelig sein“, lacht sie, „die Mitte des Lebens ist nicht immer ein ausgeglichener Ort.“
Als „Begleiterscheinung“ aus dieser Zeit ist schließlich das Doppelalbum „Kleine große Liebe“ hervorgegangen. Zwei verschiedene Alben, die letztendlich doch inhaltlich zusammen gehören und ein großes, ganzes Bild ergeben. Mit neuen Sounds, neuen Arrangements – und einer neuen Art Annett Louisan. Nicht mehr ganz so (vermeintlich) zuckersüß und mädchenhaft, sondern reifer, geprägt von neuen Erfahrungen und den „Wachstumsschmerzen“ des Erwachsenwerdens.
Die Reaktionen der Fans sind positiv: „Ich bin wirklich gerührt. Seit meinem Debütalbum habe ich nicht mehr so wundervolles Feedback bekommen. Ich war sehr erstaunt darüber, dass die Fans auch die neuen Songs so gut aufgenommen und mir die Weiterenterentwicklung zugestanden haben.“
Denn verändert und weiterentwickelt hat sich nicht nur die Musik – auch Annett Louisan ist nicht mehr ganz dieselbe, die sie einmal war. „Für mich war es eine entscheidende Zeit, in der ich mich viel mit mir selbst befasst habe, mit meiner Herkunft und meiner Vergangenheit. Ich habe mich ganz bewusst gefragt: ‚Was will ich eigentlich in den nächsten 20 Jahren machen?‘“
Leben heißt Veränderung
Dass Annett sich und ihr Leben verändert hat, mitunter auch ihre Träume und Ziele korrigieren musste, dass die Zeit des Hedonismus und der ausgelassenen Partys ein Ende gefunden hat, das liegt wohl auch nicht zuletzt an der Geburt ihrer Tochter Emmylou Rose, die am 25. Juli 2017 zur Welt gekommen ist.
Auf Tournee ist Töchterchen Emmylou Rose selbstverständlich mit dabei, streng genommen ja bereits zum zweiten Mal, stand Annett Louisan doch 2017 noch auf der Bühne, als sie bereits schwanger war. „Wir haben einen geräumigen Nightliner, mein Mann oder meine Mutter kommen auch mit und abends, wenn ich auf der Bühne stehe, schläft meine Tochter. Aber das alte Tourleben von früher ist erst einmal vorbei. Auch in dieser Beziehung ist eine neue Zeit angebrochen.“
Geboren am 2.4.1977 in der ehemaligen DDR, zieht Annett Louisan nach dem Mauerfall mit zwölf Jahren mit ihrer Mutter nach Hamburg. Dort studiert sie Malerei an der Kunsthochschule und finanziert sich bereits damals ihr Studium als Backgroundsängerin. Bald entwickelt sie ihren ganz eigenen Stil und wird DIE Stimme des deutschsprachigen Chansons. Ihr erstes Album „Bohème“ (2004) erreicht Gold- und Platinstatus, zahlreiche weitere Alben und Auszeichnungen folgen. Im März 2019 veröffentlicht sie nach fünf Jahren Pause das Doppelalbum „Kleine große Liebe“, mit dem sie 2019 und 2020 in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Tournee ist.
Annett Louisan ist in zweiter Ehe verheiratet mit dem Songwriter und Musikproduzenten Marcus Brosch und seit 25. Juli 2017 Mutter einer Tochter.