„Die Kunst ist die Triebfeder“

Text: Doris Thallinger

Fotos: www.kaindl-hoenig.com

Er malt, er zeichnet, er bildhauert, schnitzt, arbeitet mit unterschiedlichsten Materialien – und geht schier über vor Ideen. Nicht nur in der Heimat wird seine Kunst hoch geschätzt, die Werke des Johann Weyringer sind international zu finden, von Rom bis Nazareth. Bei einem Rundgang durch den Skulpturenpark, die Werkstätten, Bibliothek und Atelier gab Johann „Hans“ Weyringer Einblicke in sein bewegtes Leben.

Rundherum wird fleißig gewerkt – woran arbeitest du gerade?
Ein ganz großes Projekt, an dem ich derzeit arbeite, ist für die Kirche Santa Maria dell’Anima in Rom. Dort habe ich ja schon 2014 das Porträt des ehemaligen Papst Benedikt finalisiert. Ein Jahr darauf habe ich zwei Engel für den Eingangsbereich machen dürfen: einen Erzengel Michael und einen Posaunenengel, auf je zweimal neun Meter großen Glastafeln. Und in dem Querbalken über dem Eingangstor kommt nun die nächste Glasarbeit: das Apokalyptische Lamm. Das wird im Oktober für den Transport fertiggemacht – und dann ist da eine ganze Wand vom Hans Weyringer fertig!

Wie bist du dazu gekommen, dass du den emeritierten Papst Benedikt darstellen durftest?
Vor acht Jahren habe ich eine große Ausstellung in Attersee gehabt, in der Heimat von Xaver Brandmayr, des Rektors der Santa Maria dell’Anima. Der hatte zwar meine Arbeiten schon gekannt, aber die Ausstellung hat ihn dann dazu bewogen, dass er mich nach Rom eingeladen hat. Ihm ist es um eine Idee gegangen, wie man Papst Benedikt in der Kirche darstellen kann. In der Anima sind alle deutschsprachigen Päpste als Skulpturen abgebildet. Eine weitere Skulptur hat man aber nicht mehr untergebracht. Ich hatte damals schon mit dem Fenster als Entwurf angefangen. Die Idee hat ihm gefallen und dann wurde ich beauftragt.

Du hast im Zuge deiner Arbeit Papst Benedikt auch persönlich kennengelernt….
Ja! Ich habe gesagt, ich muss ihn schon persönlich sehen, ich zeichne ihn nicht nach einem Foto. Erst hat es nicht so ausgeschaut, als ob es klappen würde, aber nach knapp einem Jahr, im Mai 2014, habe ich dann ein Schreiben bekommen, dass ich zu ihm kommen und ihn zeichnen darf. Das war etwas ganz Besonderes. Es ist immer eine Freude, wenn man mit Leuten zusammenkommt, die so herzlich sind, aber auch so demütig, so viel Menschlichkeit zeigen und dabei so gescheit sind.

Du arbeitest viel mit religiösen Themen – hier in deinem Skulpturenpark stehen der Erzengel Michael, die Madonna, die Dreifaltigkeit folgt. Welche Bedeutung haben Glaube und Religion für dich?
Viele meinen, das kommt jetzt mit dem Alter! Aber ich habe ja schon 1986 die Kapelle zum guten Hirten in Thalgauegg gemacht. Religiöse Themen waren mir immer schon sehr wichtig, da hat es zum Beispiel die Karfreitag-Bilder gegeben. Es war mir schon immer klar und wird mir immer klarer: der Glaube, das Göttliche. Es gibt einen Schöpfer! Und ich habe das Glück, dass mir Gedanken und Ideen kommen, dass ich diese wahrnehme. Und dann fühle ich mich verpflichtet, dass ich diese Ideen auch umsetze. Ich habe den Begriff „Sünde“ immer leicht erklären können: Wenn ich das, was ich mitbekommen habe, nicht nütze; wenn ich etwas nicht gezeichnet oder gemacht habe. Das war für mich immer die größte Sünde. Ich kriege die Chance, mir so etwas auszudenken, ich habe das Grundhandwerk gelernt – und mir ist sehr klar, wo der Gedanke herkommt.

Wo kommt er her?
Vom Heiligen Geist. Darum mache ich nun auch eine Säule für die Dreieinigkeit.

Warst du immer schon so religiös?
Naja, ich habe – ich war davor bei den Internationalen Brigaden in Kuba – so einen Spleen gehabt. Ich habe mich damals als Revolutionär gefühlt und habe das alles, was die Kirche betrifft, nicht mehr begreifen können und bin damals aus der Kirche ausgetreten. Aber trotzdem – wo bin ich eingebettet? Das ist und war das Christentum und das ist Jesus Christus. Wegen dem bin ich in die Kirche gegangen, aber ich habe mich dann dort auch nicht „ganz“ gefühlt, als ob ich nur ein „Halber“ wäre. Und dann habe ich mir gedacht – da trete ich aus, nur weil mir ein paar einzelne Pfaffen nicht gefallen. Und dann war der Tag da, an dem ich zum Neumarkter Pfarrer gesagt habe, ich würd gern wieder eintreten. Ich habe dafür zwei Zeugen gebraucht, meinen Vater und meine Mutter. Meine Mutter ist eine tief religiöse Frau gewesen, ganz extrem sogar. Das war für sie dann natürlich das Glück ihres Lebens!

Eure ganze Familie ist demnach sehr religiös?
Ja, ein Bruder, der Richard ist Priester, Militär-Pfarrer. Und ein anderer Bruder, der Andreas ist Diakon. Und der hat wiederum einen Sohn, der auch Priester ist und gerade sein Doktorat am Kolleg Santa Maria dell’Anima macht.

Wie passen da, im Gegensatz zu den religiösen Themen und dem Glauben, dann zum Beispiel all die Akte, die du gemacht hast, dazu?
Damals habe ich auf niemanden und nichts Rücksicht genommen. Es wäre ja auch eine Sünde gewesen, wenn ich einen Akt nicht gezeichnet hätte! All meine Akte sind ja eine Huldigung an die Weiblichkeit, das zeigt in hohem Ausmaß von einer Offenheit und auch von Erotik, ja. Gute Kunst ist keine Pornografie, sagt man. Und es sind halt doch alle „meine Weiber“.

Wie bist du überhaupt zur Kunst gekommen? Wann hat dich zum ersten Mal die Muse geküsst?
Der Hans Weyringer wollte immer die Kunst – aber der Weg dorthin… Dass es die Kunst wird, war immer fix, seit ich vier, fünf Jahre alt war. Aber ich habe das nie jemandem gesagt. Ich habe das Glück gehabt, dass mein Vater ein Spitzen-Tischler war, diese Werkstatt hier haben wir zusammen gegründet. Das war die erste Grundlage, dass ich bei ihm durch eine gnadenlose Lehre gegangen bin. Was ich von ihm gelernt habe, ist heute noch zu spüren. In der Hauptschule war ich ein ganz schlechter Schüler, da war mir das Arbeiten eh lieber. Aber natürlich hab ich gewusst, wenn ich den anderen erzähle, dass ich Künstler werden will, dann geht das in die Hose. In der Berufsschule in Salzburg hat mir dann ein Lehrer erzählt, dass man Bildhauerei auf der Akademie für Angewandte Kunst auch ohne Matura machen kann. Darum hab ich halt nach dem Bundesheer und nach der Meisterprüfung die Aufnahmeprüfung gemacht – und bin tatsächlich genommen worden. Es sind einfach ein paar Sachen passiert, die haben offensichtlich sein müssen. In Wien ist es mir schon recht gut gegangen, ich habe die Matura nachgemacht und hab dann auch Architektur studiert.

Das klingt nach einer sehr turbulenten Zeit: erst das Studium, Familiengründung, die erste Ausstellung…
Da hab ich doch schon 3 Kinder gehabt! Ich war 23, die Sieglinde war nicht einmal 20 beim ersten Kind, dann ist gleich jedes Jahr eins gekommen… Erst beim vierten Kind habe ich ein Bad eingebaut – da haben wir ja noch in Sighartstein im Elternhaus meiner Mutter gewohnt. Klar war es nicht immer leicht, da hat die Sieglinde viel dazu beigetragen, dass es gut gegangen ist. Vielleicht wäre es auch gut gegangen, wenn mir jemand das Messer angesetzt und gesagt hätte, du musst hier sein und was anderes machen.
Allerdings war die Kunst immer so dominant und das Wissen „Ich will das machen“. Ich wäre dann wahrscheinlich gegangen, das muss ich so sagen. Die Kunst ist einfach die Triebfeder in allem.

Das heißt, die Kunst steht über allem? Nichts geht über die Kunst?
Doch schon. Der Himmelvater und auch die Menschen, die Menschlichkeit. Ohne die geht sowieso nichts. Aber ein Künstler wie ich könnte in einem weiten Bereich zölibatär leben, weil es immer nur um die Kunst geht – das zölibatär wollen wir aber nicht übertreiben… Aber mit diesem Segen, den ich habe, komme ich gut aus. Die Siegi hat dann auch weiter studiert, sie ist dann an der Uni Lehrerin geworden, sie ist eine Mords-Gescheite. Und da haben sich dann so
Parallelwelten entwickelt.

Wie lange seid ihr nun schon verheiratet?
Wir sind seit 1972 verheiratet, ich habe vier eheliche Kinder, die sind von 46 bis 35 Jahre. Und dann gibt es noch zwei extra, also habe ich sechs Kinder und ich darf ehrlich sagen, zehn wären noch besser als sechs! Ich habe auch fünf Enkerl, das sechste ist unterwegs. Das sind eh nicht viele, für das, was ich Kinder habe… Die Sieglinde wohnt mittlerweile wieder im Haus in Strasswalchen, vier Kilometer von hier entfernt, die Kinder sind natürlich auch alle weg.

Aber ihr seid noch verheiratet?
Jaja! Und auch nicht nur zum Schein. Aber man sieht ja, hier, der ganze Wahn, hier ist nur noch Werkstätte. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ein Mensch ohne Werkstatt leben kann!? Ich glaube, aus dem Wohnzimmer mache ich auch noch eine – damit habe ich dann 900 m² Werkstatt!

Seit 2016 bist du Ehrenbürger von Neumarkt am Wallersee, der „Weyringer-Stadt“. Hattest du nie den Gedanken, weg zu gehen, woanders zu leben?
Ja, vor zwei Jahren sind sie dahergekommen und wollten, dass ich Ehrenbürger werde. Ich hab sie nur gefragt, wie sie auf die Idee kommen? Moralisch bin ich ja kein Vorbild, da kann ich ja nicht Ehrenbürger werden, das kann ich gar nicht annehmen. Aber sicher ist es eine Ehre und es freut mich, dass manchen bewusst ist, dass jemand eben NICHT weggeht. In den 70er Jahren, da hat es immer geheißen, du musst in Metropolen gehen mit deiner Kunst. Aber ich bin dageblieben, es hat einfach so sein müssen, dass es auch von hier aus geklappt hat. Andererseits war es wohl gut – bei meinem Temperament… Als ich in Wien war, habe ich schon gemerkt, dass die Gefahr groß ist, Zeit zu verplempern. Aber Wien ist mir schwer abgegangen, als ich 1978 zurückgekommen bin, da habe ich am Tag die Vorhänge zugezogen und mich gefragt, warum ich bloß nicht in Wien bin.
Aber dann sind die Reisen gekommen. Damit habe ich vieles wettgemacht. Rom war immer schon sehr wichtig. 1985 kam die erste große Reise, drei Monate Südsee. Einfach, um zu malen. Ich male immer, wenn ich unterwegs bin – die Bilder bringe ich fix und fertig heim.

Wenn es einmal auf die letzte Reise geht: Glaubst du an ein Leben nach dem Tod und wie stellst du es dir vor?
Ich glaube an die Auferstehung, so wie Christus es gesagt hat. Und ich hoffe, ich komme in den Himmel – aber ich weiß es nicht. So ein Hundling, wie ich war, da kann es schon sein, dass sie mich vorher ein Zeiterl herbraten. Aber ja, ich glaube wirklich, dass es unseren Schöpfer gibt und dass ich dann da bin, wo ich hingehöre.