Designklassiker: Zeitloses Wohnen

Ikonische Sessel, elegante Stehleuchten oder flexible Regalsysteme – Designklassiker setzen Akzente, die Jahrzehnte überdauern.
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: Martin Ogolter, Daniel Sutter, Neumayr/Christian Leopold, Mikael Lundblad, Studio AKFB, Das Licht/Daniel Ebner Photography, Gabriele Schwab Photography, USM U. Schärer Söhne AG, Flos B&B Italia Group S.p.A., Marc Eggimann, Vitra International AG, Minotti S.p.A.

Designklassiker sind weit mehr als nur Möbelstücke – sie sind Ausdruck von Stilbewusstsein und persönlichem Geschmack. Die Genialität ihrer Formensprache und Funktionalität ist schwer in intellektuellen Kategorien zu ermessen. „Wäre es einfach, zeitlose Schönheit zu definieren, wäre jede Möbelkreation unsterblich“, sagt Möbel Maier Chef Marco Hornegger: „Während sich Designklassiker aufgrund ihrer Schlichtheit und hochwertigen Verarbeitung als Erbstücke eignen, hat man sich an Trendobjekten oft nach kurzer Zeit sattgesehen.“ Viele Ikonen des Designs sind seit Jahrzehnten beliebt: So entstand die PH5 Hängeleuchte von Poul Henningsen im Jahr 1958 und der Barcelona Chair von Bauhauslegende Mies van der Rohe aus dem Jahr 1929 ist fast 100 Jahre alt.

Sehnsucht nach Unvergänglichkeit

„Mit Designklassikern lassen sich durchdachte Wohnkonzepte auflockern und spannende Kontraste herstellen“, erklärt Hornegger. „Heute möbliert man den großen, offenen Wohnbereich sehr reduziert und plant die Designsprache des gesamten Hauses aus einer Hand. Hier bietet es sich an, bewusst Freiräume offen zu lassen, die man dann mit seinen Lieblingsklassikern füllt.“ So bleiben beispielsweise Sofa und Couchtisch im Plan unberücksichtigt, und man entscheidet sich später ganz intuitiv beispielsweise für eine Camaleonda Couch mit Noguchi Coffee Table.

„Leuchten wie die Glo-Ball von Jasper Morrison aus dem Jahr 1998 sind moderne Designklassiker. Junge Menschen, die in designaffinen Haushalten großgeworden sind, tendieren oft zu neueren Klassikern.“

Lichtplanerin Christine Rüffler
DAS LICHT Salzburg

Wer nicht komplett neu plant, sondern nur ergänzt, ist mit Designklassikern ebenfalls gut beraten. Denn heute ist vieles erlaubt, ist sich Area-Einrichtungsexpertin Katharina Schmid sicher: „Es geht um Gemütlichkeit. Es ist die Sehnsucht nach mehr Haptik und Farbe. Im urbanen Bereich werden die Wohnräume kleiner, ein Möbelstück muss unterschiedliche Funktionen erfüllen und beim Umzug wieder in die neue Lebenswelt passen.“ Das USM Haller Regal ist seit 1963 der Inbegriff für diese Flexibilität, von dem man weiß, dass man auch in 30 Jahren noch Ersatzteile bekommt. „Wir hatten eine Studentin, die sich für ihren Plattenspieler ein kleines USM-Möbel gekauft hat. Sie entschied sich bewusst dafür, weil es über die Jahre mit ihr wachsen kann“, erinnert sich Katharina Schmid.

Ikonisches Licht

„Im Bereich der Designleuchten kommt man am Hersteller Flos nicht vorbei. Er vereint viele der italienischen Designklassiker der 50er- und 60er-Jahre. 1961 gab es die erste Möbelmesse in Mailand. Designer wie die Castiglioni-Brüder gingen komplett aus sich heraus und schufen völlig neue Interpretationen wie die ikonische Arco-Stehleuchte aus dem Jahr 1962“, erklärt „Das Licht“-Expertin Christine Rüffler. Ebenfalls unvergänglich ist das reduzierte Design der Gubi Gräshoppa von Greta Grossman oder die Artischockenleuchte von Louis Poulsen. Wer einen günstigen Einstieg in die Welt der Designleuchten sucht, greift zu Schreibtischleuchten wie der Artemide Tolomeo oder der Tizio.

„Wer sich für Designklassiker interessiert, sollte das Vitra Designmuseum in Weil am Rhein besuchen. Hier findet man eine unglaubliche Auswahl an weltberühmten Designklassikern.“

Katharina Schmid
Geschäftsführerin Area Salzburg

Den Gedanken bewahren

Während Leuchten Klassiker im Großen und Ganzen unverändert produziert werden, nutzt man bei Möbelstücken moderne Materialien, Verarbeitungsmethoden und interpretiert so manches Stück vorsichtig neu. „Es geht immer darum, den Gedanken des Designers zu bewahren, aber Nachhaltigkeit spielt heute eine größere Rolle“, erklärt Katharina Schmid: „So produziert man den Eames Lounge Chair aus dem Jahr 1956 heutzutage nicht nur in zwei Größen, sondern verwendet neben der klassischen Anilinleder- und Palisanderholz-Kombination unzählige ressourcenschonende Stoff- und Holzvarianten.“ Manche Klassiker bekommen auch ein sanftes Update verpasst. So hat Thonet gemeinsam mit jungen Designern wie Sebastian Herkner seine Stahlrohrklassiker aus den 1920ern neu interpretiert. Manche Klassiker erleben auch wieder ein Revival: So wurde die legendäre Camaleonda-Couch aus den 70ern vor einigen Jahren wieder ins Sortiment von B&B Italia aufgenommen und das Material auf den aktuellen, umweltfreundlichen Stand gebracht. „Im alten, dem Verfall anheimgegebenen Kongresszentrum in Bad Gastein stehen noch originale Camaleonda-Sofas. Es ist etwas Besonderes, wenn man sieht, wie ihr Orange noch immer aus dem Dreck und Staub herausleuchtet“, erzählt Katharina Schmid.

„Es gibt zwei Arten von Klassikern: Die einen werden aufgrund ihres Designs zu Klassikern, die anderen aufgrund ihrer Innovation. Meistens bleiben erstere im Gedächtnis.“

Marco Hornegger
Geschäftsführer Möbel Maier, Radstadt

Klassiker von morgen

Obwohl viele Klassiker schon einige Jahre auf dem Buckel haben, passen sie gerade heutzutage wieder ins Wohnbild. „Die aktuelle Formensprache der Möbel nähert sich wieder Klassikern aus den 20er- bis 50er-Jahren an. Es ist die Rückbesinnung auf Metall – wie die Rahmen des String-Regals von 1949 oder das Tisch-Set B9 aus dem Jahr 1925/26 von Marcel Breuer“, analysiert Marco Hornegger. Und so ist auch der Boden für zukünftige Designklassiker bereitet. Gerade in der Lichtgestaltung macht moderne Technologie neue und spannende Designs möglich. „Die Occhio Mito ist für mich so ein zukünftiger Klassiker“, so Rüffler. „Sie kombiniert hochwertiges Design mit innovativer Bedienung und modernster LED-Technik. Neben einem Eames Lounge Chair würde ich die Occhio Gioia lettura aus der gleichen Produktfamilie stellen.“

Für Möbel Maier-Chef Hornegger ist die Minotti Hamilton von Rodolfo Dordoni ein moderner Klassiker. „Aber auch das Sofa Mera von Rolf Benz – unglaublich simpel im Design und trotzdem mit viel Funktion.“ Spannend wird es auch, wenn man unterschiedliche Materialien kombiniert – etwa den Eileen Gray Beistelltisch E1027 mit einem modernen Loungesessel von Moroso. Ein bewusst gesetzter Designklassiker kann als Eyecatcher fungieren, ohne den Raum zu dominieren. Auch bei Esstischen kann die Mischung spannende Kontraste schaffen: „Der Tulip Table von Eero Saarinen (1957) ist das perfekte Beispiel für eine Ikone, die gerade heute wieder in moderne Wohnwelten passt“, so Hornegger.

Designklassiker verleihen Wohnräumen Individualität und Eleganz. Sie sind nicht nur zeitlose Möbelstücke, sondern auch eine Hommage an vergangene Jahrzehnte. „Ein Klassiker macht ein Zuhause lebendig“, so Hornegger: „Es ist die perfekte Mischung aus Geschichte, Funktionalität und ästhetischem Anspruch.“ Wer in ein ikonisches Möbelstück investiert, investiert in ein Stück Wohnkultur, für das es immer Ersatzteile geben wird – eine Wertanlage, die Generationen überdauert.