Dem Altern ein Schnippchen schlagen

Wir wollen zwar alt werden, aber dabei nicht altern. Wir wollen lange leben und genauso lange gesund sein. Wünsche, die durchaus realistisch sind, wie jüngste Forschungen zeigen.
Text: Doris Thallinger
Fotos: Adobe Stock, Netflix, Inc., Dr. Roger Eisen, Sabine Rein/MY MAYR MED Resort

Longevity ist in aller Munde. Wörtlich übersetzt mit Langlebigkeit ist der Grundidee dahinter aber noch nicht Genüge getan. Denn nicht nur die Lebensspanne der Menschen soll verlängert werden, viel mehr die Gesundheitsspanne, sprich, die Lebensjahre, die man gesund, fit und aktiv verbringt, die vermehrt, besser noch maximiert werden. Healthy Longevity zielt also darauf ab, die gesunden Jahre im Leben eines Menschen zu steigern.

Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt stetig weiter, liegt derzeit bei 84,2 Jahren (Frauen) bzw. 79,4 Jahren (Männer). Die Frage lautet nun, ab welchem Alter entstehen Krankheiten und Leiden, die ein allzu langes Leben vielleicht gar nicht so erstrebenswert erscheinen lassen. Die Wohlstandsgesellschaft, die uns durch den medizinischen Fortschritt und allerlei Annehmlichkeiten ein längeres Leben beschert, fordert auch ihren Tribut: in Form von Zivilisationskrankheiten. Sprich, die Lebenszeit steigt zwar, jedoch der Anteil daran, den wir gesund verbringen, sinkt. In „Der Longevity Kompass“ erläutern Prof. Dr. Volker Limmroth und Dr. Gerhard Wirtz, dass Männer 20 % und Frauen gar 23 % ihrer Lebenszeit in einem fragilen Gesundheitszustand verbringen.

Das Ziel der Longevity-Bewegung ist es, zumindest das gleiche Alter zu erreichen – jedoch fitter und gesünder, nicht nur ohne Krankheiten, sondern im geistigen, psychischen und physischen Wohlbefinden. Dass sich dies auch auf die gesamte Lebenserwartung auswirkt, liegt auf der Hand.

Schicksal versus Eigenverantwortung

Dr. Roger Eisen

„Neueste Erkenntnisse aus der Epigenetik zeigen ganz klar, dass wir die Gene durch unseren Lebensstil an- und abschalten und damit Langlebigkeitsgene aktivieren können“, erklärt Dr. Roger Eisen, Ärztlicher Leiter im MY MAYR MED Resort in Bad Birnbach. Er beschäftigt sich bereits seit Jahrzehnten mit Anti Aging in der Medizin und Healthy Longevity. „In den letzten 10 Jahren hat sich immer deutlicher gezeigt, dass der Lebensstil wesentlich dafür verantwortlich ist, wie man altert. Ist man vor 30 Jahren noch davon ausgegangen, dass zu 80 % die Gene den Alterungsprozess beeinflussen, weiß man heute, dass dies tatsächlich nur zu 20 % der Fall ist. Zu 80 % ist der Lebensstil maßgeblich, wie rasch man altert.“

Wesentlich ist aus seiner Sicht, das Altern nicht als schicksalshaften Prozess anzuerkennen, sondern es wie eine schwere Erkrankung zu betrachten, die man behandeln kann, indem man alles daransetzt, seinen Lebensstil zu verändern.

„Lebensstil bedeutet Ernährung, Bewegung, Mindset, Regeneration, soziale Interaktion und natürlich das Vermeiden von Risikofaktoren wie Rauchen, Alkohol, Übergewicht und Zucker. Das ist die Basis. Wenn diese stimmt, kann man – sozusagen als i-Tüpfelchen mit Nahrungsergänzungen, Medikamenten und Therapien arbeiten“, so Dr. Eisen und verweist auf eine Studie, die besagt, dass sechs Lebensstiländerungen in Kombination die Lebenserwartung bei Männern statistisch um 23,7 und bei Frauen um 22,6 Jahre erhöhen kann.

Bryan Johnson: Der Mann, der die Zeit zurückdrehen will

Bryan Johnson, Tech-Millionär und Biohacker, sorgt mit seinem ambitionierten Anti-Aging-Projekt „Blueprint“ für Aufsehen. Er investiert Millionen in den Kampf gegen das Altern – mit dem Ziel, seinen Körper biologisch zu verjüngen.

Sein Tagesablauf ist streng durchgetaktet: Er nimmt täglich über 100 Nahrungsergänzungsmittel, folgt einer strengen veganen Diät und unterzieht sich zahlreichen medizinischen Tests. Zudem setzt er auf modernste Technologie wie KI-gesteuerte Gesundheitsanalysen.

Erste Ergebnisse scheinen vielversprechend: Untersuchungen zeigen, dass einige seiner Organe die biologische Altersuhr zurückgedreht haben. Derzeit altert er in 365 Tagen lediglich um 0,67 Jahre.

Ernährung und Kalorienreduktion

„Kalorienreduktion wirkt auf jeden Fall lebensverlängernd“, so Dr. Eisen, „Fasten ist die Basis eines jeden gesunden Lebensstils.“

Dabei muss es nicht immer die Fastenkur über einen längeren Zeitraum sein. „Wir können unseren Körper jeden Tag in den Fastenzustand bringen, dahingehend hat sich das Intervallfasten sehr gut etabliert und lässt sich mit 8 Stunden Nahrungsaufnahme und 16 Stunden Fasten auch im Alltag gut umsetzen.“ Im MY MAYR MED Resort wird neben der F.X.Mayr Kur und dem Leberfasten auch das sogenannte Vitalfasten, oder Mikrobiom-Fasten, angeboten. „Dies fußt auf der Erkenntnis, dass der Darm ein Ökosystem ist, das man aufbauen und erhalten soll. Beim Vitalfasten legen wir großen Wert auf die Zufuhr von Ballaststoffen, da die sekundären Pflanzenstoffe sehr wichtig sind.“ Auch Kaffee ist erlaubt: „Ohne Milch und Zucker ist Kaffee ein sehr gutes Antioxidans, das nach aktuellen Studien das Leben um ein bis zwei Jahre verlängern kann.“

Bei der täglichen Ernährung geht es um vier Regulationsthemen: WARUM esse ich WAS, WANN und WIEVIEL davon? „Eines der Hauptthemen ist das Warum, darum sollte man sich bei jedem außertürlichen Essen fragen: Bin ich tatsächlich nicht satt oder ist es der seelische Hunger aufgrund von Stress, Trauer, Frust? Das zu erkennen, kann schon sehr hilfreich sein.“

Das Frühstück sollte mit ca. 50 % der täglichen Kalorienmenge die größte Mahlzeit des Tages sein, gefolgt von 35 % zu Mittag und lediglich 15 % am Abend. Je früher die letzte Mahlzeit zu sich genommen wird, umso besser. Zwischen den Mahlzeiten sollte ein Abstand von 4 bis 5 Stunden liegen, damit der Insulinspiegel sich erholen kann. „Eine der wichtigsten Anti-Aging-Strategien ist, Insulinspitzen zu vermeiden: Nach jedem Krapfen altern wir ein kleines Stück. Insulin ist eines der schlimmsten Alterungshormone, es macht dick, schlapp, alt und fett!“

Die ideale Ernährung

Als Basis einer gesunden Ernährung empfiehlt Dr. Eisen eine pflanzenorientierte Ernährung mit viel Gemüse, Beerenobst, Nüsse, Kerne, Fermentiertes und Hülsenfrüchte. Fleisch sollte maximal ein bis zwei Mal in der Woche am Plan stehen, dann aber in sehr guter Bio-Qualität, da sich hierbei die Fettsäuren anders zusammensetzen als bei Fleisch aus Massentierhaltung. Gegen Fisch wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, doch leider sind Kaltwasserfische wie Lachs, Makrele etc. heute massiv mit Schwermetallen und Mikroplastik belastet.

Zudem verhindern tierische Eiweiße die Aktivierung der Langlebigkeitsgene und blockieren regenerative Prozesse, vor allem die Autophagie, sprich, den körpereigenen Mechanismus der Zellerneuerung.

Auch von Milch rät Roger Eisen ab: „Milch ist etwas für Kinder, bei Erwachsenen können durch den Milchkonsum sogar hormonabhängige Tumorarten, wie Mamma- oder Prostatakarzinom gefördert werden.“ Erlaubt hingegen sind fermentierte Milchprodukte, wie Joghurt, Kefir oder Buttermilch.

Bewegung und Sport

Der Mensch ist ein Bewegungstier – zumindest evolutionär gesehen. Vernachlässigt man die (alltägliche) Bewegung, droht der Körper zu degenerieren. „Ab 50 Jahren ist Krafttraining sogar noch wichtiger als Ausdauertraining“, erklärt Eisen. „Die Muskulatur nimmt mit dem Alter ab – jedoch brauchen wir ab 50, 60, 70 Jahren bestimmte Muskeln für Alltagstätigkeiten, aber auch als Sicherheit gegen Stürze und für unsere Stabilität.“ Idealerweise investiert man 5 Mal 30 Minuten pro Woche in Krafttraining, ganz unabhängig vom Alter.

Schlaf und Regeneration

„Der Killer schlechthin in unserer Zeit ist – neben Bauchfett – der Stress“, so Dr. Eisen, „seit 1995 hat der subjektiv empfundene Stressfaktor um mehr als 80 % zugenommen. Schuld daran sind nicht zuletzt die ständige Erreichbarkeit und die Fülle an Information, die fast pausenlos auf uns einprasselt. Wir füllen den Geist jeden Tag mit massiven negativen Impressionen. Das stresst uns enorm.“

Dazu kommen die „üblichen“ Alltagssorgen, Beruf, Überforderung. In der klassischen Stresssituation schüttet der Körper Cortisol aus – was beim Angriff eines Säbelzahntigers durchaus angebracht wäre. So aber wird aus dem kurzen, durchaus sinnvollen Stress ein chronischer, den wir Menschen nicht gut verkraften.

Umso wichtiger sind Entspannung und Regeneration. Dabei steht Schlaf natürlich an oberster Stelle: Am besten 8, mindestens aber 7 Stunden Schlaf benötigt unser Körper, um die Zellen, die während des Tages in Mitleidenschaft gezogen wurden, zu reparieren und den Körper zu regenerieren. Zu spätes Abendessen, blaues Licht (Handy, etc.) vor dem Einschlafen, zu kurze Schlafdauer verhindern diese allnächtliche „Inspektion“ und „Reparatur“.

Für einen erholsamen Schlaf empfiehlt Dr. Eisen entspannte Spaziergänge, moderates Training oder Meditation und vor allem, rechtzeitig ins Bett zu gehen: „Das Wachstumshormon, das uns regeneriert, wird vor Mitternacht und zwischen 4 und 6 Uhr morgens ausgeschüttet. Idealerweise nimmt man beide Phasen mit.“

Vom richtigen Zeitpunkt

„Es ist nie zu früh, um einen gesunden Lebensstil zu führen – und nur selten zu spät!“, so Eisen und führt eine Studie von Kara Fitzgerald ins Rennen, nach der sich Probanden, die auf gesunde Ernährung geachtet haben, täglich 30 Minuten Sport ausgeübt und Entspannungstechniken praktiziert haben – unterstützt von der gezielten Supplementierung mit Nahrungsergänzungsmitteln und Probiotika – nach nur zwei Monaten um 1,96 Jahre verjüngt hatten, was das biologische Alter betrifft.

Sabine Rein, Küchendirektorin im MY MAYR MED Resort, ist Verfechterin einer „Genuss-Therapie“ und tritt tagtäglich den Beweis an, dass gesunde Ernährung durchaus Genuss bereitet.

Ihre Top-Tipps:

• Die zwei bis drei Hauptmahlzeiten zwischen 8 und 16 Uhr einnehmen. Ab 16 Uhr ist der Stoffwechsel bereits im Feierabendmodus.

• Gut kauen und sich Zeit lassen beim Essen! Durch das Kauen wird Speichel gebildet, darin enthalten ist Speichelamylase, ein Enzym, das der Darm baucht, um Kohlenhydrate spalten zu können. Selbst Suppe sollte gekaut werden.

• So oft es geht, abends nur (Gemüse-)Suppe essen.

• Einen Cheat-Day pro Woche einplanen, an dem man essen darf, wonach das Herz begehrt. Sobald „alles“ erlaubt ist, verfliegt der Reiz.

• Jeden Tag zu ungefähr denselben Uhrzeiten essen.

• Hafer gibt dem Körper alles, was er braucht. Wichtig: Hafer muss immer gekocht werden, am besten in Wasser, mit einer Prise Steinsalz.

Supplementieren, um zu optimieren

„Wer sich gesund und pflanzenorientiert ernährt, wie empfohlen, ist grundsätzlich optimal mit Mikronährstoffen versorgt“, so Dr. Roger Eisen. Dennoch empfiehlt er, den Körper mit einem niedrig dosierten Multivitamin „All-in-one“ Präparat, mit Omega 3 gegen Entzündungen sowie Vitamin D für Knochen und Immunsystem und Vitalität zu unterstützen.

Darüber hinaus unterstützen Stoffe wie unter anderem Niacin, das Co-Enzym Q10, Spermidin den Energiestoffwechsel und Zellregeneration.

„Hochdosierte Oxidantien wie Zink, Selen, etc. sollten nur genommen werden, wenn tatsächlich Mangel besteht, ansonsten besteht die Gefahr, dass der Körper seine eigenen antioxidativen Systeme zurückfährt.“

Grundsätzlich sollte ein intensiver Check an erster Stelle stehen – auch im Sinne der Präventionsmedizin. Im MY MAYR MED Resort erfolgt daher eine ausführliche Eingangsuntersuchung, auf Wunsch eine ausführliche Laboruntersuchung, 3D-Körperscan und genauer Analyse der Körperzusammensetzung, um Risikofaktoren wie Viszeralfett, chronische Inflammation u.v.m. zu erkennen, sowie darüber hinausführend Vitalstoffmessungen.

„In der Präventionsmedizin werden die einzelnen Werte nicht nur gesondert betrachtet, sondern auch in Beziehung zueinander gesetzt. Mit diesen Ergebnissen kann man beispielsweise einen beginnenden Diabetes mellitus bereits 10 Jahre vor seinem tatsächlichen Auftreten erkennen und gegensteuern.

Tatsächlich könnten durch entsprechende Präventivuntersuchungen und Maßnahmen 80 % aller Herzinfarkte vermieden werden.“

Geheimnisse eines langen Lebens

Es gibt einige Regionen auf der Welt, in denen die Menschen überdurchschnittlich alt werden und eine außergewöhnlich hohe Anzahl an Hundertjährigen leben, die so sogenannten „Blauen Zonen“. Laut Autor und Forscher Dan Buettner sind dies: Okinawa/Japan, Sardinien/Italien, Ikaria/Griechenland, Nicoya-Halbinsel/Costa Rica, Loma Linda/Kalifornien (USA, Adventisten-Gemeinschaft).

Seine Untersuchungen zeigen die gemeinsamen Faktoren, die offensichtlich zur Langlebigkeit beitragen:

  • Gesunde Ernährung: In den Blauen Zonen wird überwiegend pflanzliche Nahrung konsumiert, reich an Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und gesunden Fetten (z. B. Olivenöl). Fleisch wird nur in Maßen gegessen.
  • Natürliche Bewegung: Die Menschen sind körperlich aktiv, aber nicht durch intensives Training – sie bewegen sich im Alltag viel, z. B. durch Gartenarbeit, Wandern oder Fahrradfahren.
  • Soziale Verbundenheit: Starke familiäre und gemeinschaftliche Bindungen sorgen für emotionalen Rückhalt und reduzieren Stress.
  • Sinn des Lebens: Die Menschen haben oft eine klare Lebensaufgabe oder einen „Lebenssinn“ („Ikigai“ in Japan oder „Plan de Vida“ in Costa Rica), was ihre psychische Gesundheit stärkt.
  • Stressreduktion: Entspannungstechniken wie Meditation, Nickerchen oder gemeinsames Feiern sind Teil des täglichen Lebens.

Ein weiterer Beweis, dass nicht nur genetische Veranlagung, sondern vor allem der Lebensstil eine entscheidende Rolle für ein langes und gesundes Leben spielt.

Die gute Nachricht: Wir sind jederzeit in der Lage, uns unsere eigene „Blaue Zone“ zu schaffen. Ein langes und gesundes Leben liegt in unserer Verantwortung.

Der Longevity-Kompass
Anleitung für ein langes und gesundes Leben

Prof. Dr. Volker Limmroth, Dr. Gerd Wirtz
Verlag: Ullstein Taschenbuch, ISBN 9783548070148

Du bist so alt wie dein schwächstes Organ
Wie du die Altersuhr von Herz, Hirn, Leber und Co. wieder zurückstellst

Prof. Dr. med. Bernd Kleine-Gunk, Bernhard Hobelsberger
Verlag: Gräfe und Unze, ISBN 9783833895593

Der Vital Code
Entschlüssle die Signale deines Körpers für ein langes und gesundes Leben

Dr. med. Carsten Lekutat
Verlag: Knaur MensSana HC, ISBN 9783548070148