Criticus

Traumberuf Influencer?

Ein Kommentar von Charlotte Spencer-Smith,
Kommunikationswissenschaftlerin mit Schwerpunkt Social Media an der Uni Salzburg

criticus@diesalzburgerin.at

Heute träumen viele junge – und auch ein paar ältere – Menschen vom unbeschwerten Leben als Social Media-Star auf Instagram, TikTok oder YouTube. Der Beruf als Influencer verspricht Ruhm, Einfluss, Geld und einen selbstbestimmten Tagesablauf – oder zumindest geschenkte Produkte von Firmen, die sich damit authentische Werbung im Internet erhoffen. In den letzten Jahren hat sich eine Branche etabliert, die mittlerweile weltweit 21,1 Milliarden US-Dollar wert ist. Der Boom wird durch neue technologische Möglichkeiten, ein immer größer werdendes Online-Publikum sowie wirtschaftliche Instabilität, die klassische Anstellungsverhältnisse zunehmend unattraktiver macht, begünstigt.

Doch lassen sich als Influencer wirklich mühelos größere Geldbeträge verdienen? In ihrem Buch „(Not) Getting Paid to Do What You Love“ beleuchtet die Kommunikationswissenschaftlerin Brooke Erin Duffy die Alltagsrealität vieler Social Media-Creators, für die sich der Traum doch nicht so einfach verwirklichen lässt. Um im Internet eine eigene Präsenz aufzubauen und die Aufmerksamkeit von Unternehmen zu gewinnen, die bereit wären, für Sponsored Postings Geld auszugeben, bedarf es anfangs einer beträchtlichen Menge an unbezahlter Arbeit, die sich nur für die wenigsten später auszahlt. Während suggeriert wird, dass jeder im Internet ein Star werden kann, erfordert es in der Wirklichkeit unternehmerisches Geschick und ein umfassendes Verständnis davon, was in den sozialen Medien gut funktioniert und was eher nicht.

Wie die Journalistin Jo Piazza durch ihren Podcast „Under the Influence“ erfahren hat, kann auch im Influencerjob die Grenze zwischen Privatem und Beruflichem schnell verschwimmen. Als experimentelle Mommy-Bloggerin hat Piazza auf Instagram Bilder von ihrem Familienleben geteilt und dabei die eigenen Kinder zu Werbemodels für Kindermode und andere Produkte gemacht. Als ihr klar wurde, wie sehr sie die Privatsphäre ihrer beiden Kinder verletzt hatte – sogenanntes „Sharenting“ (Teilen von Kinderfotos im Netz durch Eltern) – brach sie das Projekt ab. Auch Influencer ohne Kinder müssen Grenzen setzen, da Follower sowie Sponsoren ein hohes Maß an Authentizität erwarten. Erzeugen doch private Ereignisse wie Hochzeiten oder die Preisgabe von persönlichen Schwierigkeiten wie Erkrankungen besonders viel Aufmerksamkeit im Netz.

Nicht zuletzt entspricht die Vorstellung eines selbstbestimmten Tagesablaufs nur bedingt der Realität. Viele Creators beschweren sich über die immer enger werdenden Rahmenbedingungen, die von den Social Media-Plattformen gesetzt werden. Die Sichtbarkeit eigener Inhalte hängt stark von den Algorithmen der Plattformen ab, die entscheiden, welche Postings den Usern empfohlen werden und welche nicht. Da beispielsweise der YouTube-Algorithmus Creators bevorzugt, die häufig Videos hochladen, wurden in den letzten Jahren mehrere Fälle von „YouTuber-Burnout“ dokumentiert, wo YouTuber mit dem täglichen Dreh neuer Videos nicht mehr zurechtkamen. Überdies können Creators immer Gefahr laufen, gegen die Richtlinien der Plattformen zu verstoßen, vor allem wenn es sich um Postings zu LGBTQIA-Themen oder die Darstellung des weiblichen Körpers handelt. Bikini- oder Yogafotos können von den Plattformen irrtümlich als Pornografie interpretiert und entfernt oder in den Feeds von Followern weniger sichtbar gemacht werden. Im schlimmsten Fall kann der eigene Account gesperrt werden, wodurch die mit Fleiß gewonnenen Postings und Follower verloren gehen.

Soziale Medien bieten zahlreiche Möglichkeiten zur Selbstentfaltung, den Austausch mit Gleichgesinnten und auch um selbstständig Geld zu verdienen. Doch wie jeder andere Job birgt der Beruf als Influencer Nachteile und Prekaritäten, da der Traum vom schnellen Geld und Ruhm meist eben nur ein Traum bleibt.

Foto: Patrick Daxenbichler