
Criticus
Text: Rainer Kolator
Fotos: Privat
Trost
Der E-Scooter-Boom: Risk & Fun
Ein Kommentar von Rainer Kolator
E-Scooter vermitteln ein Fahrgefühl mit starkem „Fun & Coolness“-Faktor. Wer schon einmal mit einem E-Scooter unterwegs war, wird mir da ohne weiteres zustimmen. Die Dinger ziehen einigermaßen ab, sind wendig und außerdem so sympathisch „E“. Selbst benötigt man wenig „E“-nergie, der Scooter fährt ja wie von selbst. Dass die hippe neue Mobilitätsform aber nicht nur Fun, sondern auch Risiken mit sich bringt, wird dabei oft vergessen.
Ein reales Beispiel gefällig? Eines Abends in einer Großstadt: Zwei junge Frauen versuchen nachts auf einem
E-Scooter eine Straße zu überqueren. Dabei verfängt sich das Vorderrad in einer Straßenbahnschiene, beide stürzen zu Boden. Die 20-jährige Fahrerin knallt mit dem Gesicht auf den Asphalt und verletzt sich schwer. Wahrscheinlich war die Fahrerin alkoholisiert, teilt die Polizei mit. Im oben beschriebenen Unfallgeschehen haben sich viele der aktuellen Probleme von E-Scootern mit ungünstigem Ausgang kaleidoskopisch verdichtet. Fangen wir mit dem statistisch kleinsten Problem an: Nur bei drei Prozent der E-Scooter-Fahrten hat das Kuratorium für Verkehrssicherheit zwei Personen gemeinsam am Scooter beobachtet. Diese Situation kommt also nicht so oft vor. Trotzdem gilt: Nie zu zweit auf einem Scooter fahren! Leider bestätigt die entstandene Kopfverletzung die bereits international beobachtete hohe Wahrscheinlichkeit einer Verletzung am Kopf bei E-Scooter-Unfällen. Die Chance auf eine Kopfverletzung liegt beim E-Scooter nämlich bei knapp einem Drittel der schwereren Verletzungen. Sie ist damit deutlich höher als beim Radfahren! Der richtige Tipp dazu ist: E-Scooter zum eigenen Schutz mit Helm fahren. Die Wirklichkeit: Das KFV hat 2019 nur eine Helmtragequote von ca. drei Prozent beobachtet.
Die Ursachen für die vielen Kopfverletzungen liegen ohne Zweifel in den ungünstigen fahrdynamischen Eigenschaften der E-Scooter mit ihren kleinen Reifen, dem schmalen Lenker und dem – wegen der stehenden Person am Scooter – hohen Schwerpunkt des Systems Roller und Mensch. Dass die Straßeninfrastruktur (zum Beispiel Kantenhöhen) nicht für die kleinen Räder der E-Scooter bemessen worden ist, muss nicht extra betont werden. Schon bei guten Verhältnissen lauern also versteckte Gefahren. Zusätzlich gibt es aber auch noch offene Asphaltnähte, Unebenheiten im Straßenbelag, unregelmäßige Pflasterungen und viele andere Abnutzungssituationen auf der Straße, die im Verkehrsalltag auch bei bester Wartung nicht völlig vermieden werden können. Obwohl E-Scooter in Österreich und Nachbarstaaten rechtlich dem Fahrrad gleichgestellt sind, zeigt sich, dass der E-Scooter von vielen noch nicht als vollwertiges „Fahrzeug“ angesehen wird, bei dem das Verkehrsrecht gilt. Viele E-Scooter sind illegal am Gehsteig unterwegs. Geplante Abbiegevorgänge werden kaum angezeigt. Und natürlich verstößt das alkoholisierte Fahren eines E-Scooters genauso gegen geltende Gesetze wie beim Fahrradfahren. Es gilt die Grenze von 0,8 Promille! Nach statistischen Auswertungen dürfte Alkohol bei Unfällen mit E-Scootern leider eine deutlich größere Rolle spielen als im übrigen Verkehrsgeschehen.
E-Scooter sind innovativ und bleiben im Trend. Wir müssen uns halt noch an sie gewöhnen und unverkrampft einen vernünftigen Umgang lernen. Jedenfalls sollten wir uns ein altes Schlagwort wieder ins Gedächtnis rufen: „Gleiten statt Hetzen!“ Und wer sein schlaues Hirn schützen will, sollte das mit einem coolen Helm tun. Für Kinder bis 12 ist das übrigens Pflicht!