BYD im Langzeittest – wie gut sind die Chinesen wirklich?
Der Autohersteller BYD liefert sich regelmäßig mit Tesla einen Kampf um Platz Eins der größten Elektroautobauer der Welt und expandiert seit 2023 mit voller Kraft in Österreich und Europa. Wir haben den SUV Atto 3 und den Kleinwagen Dolphin intensiv getestet und sind der Meinung, dass BYD den Europäern nicht nur beim Preis gefährlich wird.
Text: Dominic Schafflinger
Fotos: BYD
Seit Jahresanfang 2023 rollt BYD seine Elektroautoflotte auch in Europa aus. Zum Auftakt im Frühjahr ging der chinesische Autobauer mit der Premium-Limousine Han, dem mächtigen 7-Sitzer-SUV Tang und dem kleinen Familien-SUV Atto 3 an den Start. Im Herbst schossen die Elektroexperten dann den Kleinwagen Dolphin und den Sportwagen Seal nach. Den gibt es auch als SUV-Version, die optisch stark an den Porsche Cayenne erinnert. Somit hat BYD inzwischen sechs Elektromodelle im Angebot.
Der Preiskampf ist eröffnet
Elektromotoren und Batterien sind definitiv die Antriebsart der Zukunft, da politisch massiv unterstützt, und der Preiskampf um die Vorherrschaft am Markt beginnt gerade erst. 2024 dürften die Kunden erst so richtig davon profitieren. Anzunehmen ist, dass es mitnichten alle Elektroautobrands schaffen werden, denn der Preisdruck wird wohl den Markt bereinigen. Dass BYD dieser Preisschlacht zum Opfer fällt, ist allerdings nicht anzunehmen. Das Unternehmen, dessen Kürzel für ‚Build your Dreams‘ steht, ist seit Jahrzehnten am Automarkt, fertigt zusätzlich Elektrobusse, Schienenfahrzeuge, Solartechnologie, Elektronikkomponenten und verfügt über eine eigene Batterietechnologie. Im Gegensatz zu VW oder BMW sind E-Autos für die Chinesen schon lange kein Verlustgeschäft mehr, das stärkt die Marktposition. BYD bietet in Europa mit dem Mittelklasse SUV Atto 3 und dem Dolphin zwei Modelle an, die den deutschen Autobauern preislich das Fürchten lehren. Den Atto gibt es um 35.000 Euro und der Dolphin ist mit 26.000 Euro ein echtes Elektroschnäppchen. Bleibt die Frage der Qualität! Können die Chinesen inzwischen auch hier mit den Europäern mithalten? Um diese Fragen zu beantworten, hatte die Redaktion der SALZBURGERIN beide Autos im Langzeittest.
Unterwegs im Atto 3
Unser erstes Testauto ist der Atto 3. Außen verfügt er über einen stromlinienförmigen Softwashed Look. Die Frontlichter erinnern an Telsa, ohne ihn aber zu kopieren. Er könnte ruhig mehr Kanten haben, aber das ist Geschmackssache. Im Inneren dominiert eine farbenfrohe, fließend verspielte Verarbeitung. Die Kombination aus Weiß und Blau mit roten Ziernähten ist anfangs vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, aber wir fanden nach einiger Zeit wirklich Gefallen daran. Es wurden viele weiche Materialien verwendet und der Innenraum fühlt sich gut und hochwertig an, nichts wackelt oder wirkt billig. Lustig sind die als Gitarrenseiten inszenierten Türablagefächer, die drei Gummibänder sind sogar richtig gestimmt und können bespielt werden. Die Vordersitze sind leider auf Langstreckenfahrten etwas ungemütlich und zu schmal, um den ganzen Schultern angenehm Platz zu bieten. Auf der Hinterbank hat man hingegen genügend Platz, die Kniefreiheit ist exzellent, nur nach oben könnte es für Fahrgäste ab 1,90 m etwas eng werden. BYD unterstreicht seine Familienfreundlichkeit nicht nur durch den freundlichen Innenraum, auch die ISOFIX Halterungen am Beifahrersitz sind für junge Familien sicher optimal. Leider ist der Kofferraum ein wenig zu klein, um zu viert wirklich entspannt auf Urlaub zu fahren.
Die 204 PS Frontantrieb beschleunigen den 1750 kg schweren Elektro SUV in gemütlichen 7,3 Sekunden von 0 auf 100, hier spielt er in der Liga des ID3. Die Batterie bringt einen laut WLTP bis zu 420 Kilometer weit, in der Praxis kommen wir im herbstlichen Österreich eher auf 380 Kilometer. Mit 60,5 kWh Größe ist die Batterie in etwas mehr als 29 Minuten von 30 auf 80 Prozent am 88 kW Supercharger geladen und das klappt hervorragend, subjektiv hatten wir das Gefühl, dass der Atto noch schneller ist. Die Strecke von Salzburg nach Wien schafft er problemlos ohne aufzuladen und somit hat man genügend Reichweite für die wichtigsten Ausflüge. Der Atto wie der Dolphin werden nur an der Frontachse angetrieben und das merkt man auch. Sobald man sportlicher um die Kurven reitet, tendieren sie zum leichten Untersteuern.
Ein Dolphin zum Verlieben
Als nächstes ist BYDs Kleinwagen dran. Außen wirkt er auf den ersten Blick etwas klobig, allerdings gleichen die Chinesen das mit einem ausgeklügelten Beleuchtungskonzept wieder aus. Frauen finden den Dolphin von Natur aus süß. Innen wurde wesentlich mehr Hartplastik als im Atto verbaut. Verständlich, denn irgendwie muss sich der günstige Preis ja rechnen. Auch der Dolphin bietet auf der Rückbank reichlich Platz und Fußfreiheit, dafür muss man wieder Einschränkungen beim Kofferraum hinnehmen. Schön wäre es gewesen, wenn die Ingenieure die Rückbank einfach verschiebbar gestaltet hätten. Aber die legten wohl Wert auf etwas anderes, nämlich auf ein so einfaches Fahrerlebnis wie nur möglich. Das Minimum an Knöpfen und Einstellungsmöglichkeiten wurde aber unglaublich intelligent gelöst. Es ist die Freude der absoluten Einfachheit, die sich durch die Bedienung zieht.
Die 95 PS starke Active Ausstattung ist leider nur für reine Stadtfahrer zu empfehlen. Wer das Auto auch Überland nutzen möchte, muss auf 204 PS aufstocken, dann fährt er sich aber derart angenehm, dass man ihn nicht mehr missen möchte. Bei Batteriegröße, Beschleunigung und Reichweite ist der Dolphin mit dem Atto gleich auf. Interessant, da er 100 Kilo leichter ist und beinahe den gleichen CW-Wert aufweist, sollte er im Verbrauch eigentlich vorneweg fahren.
Software
Es gibt nicht viele Autobauer, die in der Lage sind, eine so intelligente Softwarelösung wie BYD zu entwickeln. Ein kleines Display hinter dem Lenkrad zeigt alle relevanten Fahrdaten an, der Rest läuft über den großen Touchscreen in der Mitte, der je nach Wunsch im Hoch- oder Querformat betrieben wird. Es ist unglaublich einfach, einen BYD zu bedienen, so verzettelt man sich während der Fahrt nicht in lästigen Untermenüs, sondern kommt sofort zu den benötigten Funktionen. Die Software ist auf höchstem Niveau. Während BYD in Sachen Benutzungsfreundlichkeit an etlichen deutschen Konkurrenten vorbeizieht, kann man das vom teilautonomen Fahren nicht behaupten, denn hier gab es etliche Situationen, in denen auf der Autobahn das große Schlangenlinienfahren begann, weil der Bordcomputer sich bei der Spurberechnung unsicher war. Ebenfalls verbesserungswürdig ist die Ladeplanung, da der BYD immer nur die nächsten Stromladetankstellen anzeigt, ohne sie schon vorweg in die Route integrieren zu können. Toll und nicht selbstverständlich ist die serienmäßige 360-Grad Kamera, die das Einparken zum Kinderspiel macht.
Wärmepumpe hui, Heizung pfui
Alle BYDs kommen mit eingebauter Wärmepumpe daher, die eine gleichmäßige Temperatur der Batterie garantiert und Abwärme in Strom umwandelt, so wird auch der Akku geschont, sobald man heizt oder die Klimaanlage einschaltet. Über App kann man das Auto sogar vorklimatisieren. Trotzdem überzeugte uns die Heizung nicht, da sie sich mit allen Mitteln dagegen sträubte, das Auto richtig warm aufzuheizen. Das ist gerade im winterlichen Österreich ein Muss. War das Auto dann letztendlich – bei vom Bordcomputer kolportierten 28 Grad (gefühlten 22 Grad) – einigermaßen warm, blieb trotzdem noch ein kaltes Gefühl auf den Oberschenkeln.
Blade Batterie
Die BYD eigene Blade Battery ist eine der besten und sichersten Batterielösungen, die derzeit auf dem Markt erhältlich sind. Sie kommt gänzlich ohne Nickel, Cadium oder Kobalt aus und verfügt über eine besonders lange Lebensdauer. Zusätzlich fangen die Batterien bei Unfällen nur extrem schwer Feuer und sind somit auch sicherheitstechnisch State of the Art. Gespannt darf man auf den Seal sein, der die Batterie fix im Rahmen verbaut hat (Cell-to-Body Technologie).
Starkes Händlernetz
Bei neuen Anbietern steht immer die Frage nach Servicepartnern im Mittelpunkt, denn wenn es die nicht gibt, können Defekte nicht vor Ort repariert werden. Dass der Mechaniker ums Eck nicht an Ersatzteile kommt oder das Auto für Garantieansprüche erst mal in ein anderes Bundesland gebracht werden muss, ist eigentlich nicht Sinn der Sache. Hier hat BYD mit der Denzel Gruppe einen starken Partner. Mit Autohändlern und einem Werkstätten Netz in ganz Österreich kann man sich ganz beruhigt auf die neue E-Mobilität einlassen. Das Partnernetzwerk im Salzburgerland wird spätestens im Jänner ausgerollt, ab dann kann die Modellpalette auch hier Probe gefahren werden.
Absolut konkurrenzfähig
Was BYD hier nach Europa bringt, sind hochwertige Produkte, die gekommen sind, um zu bleiben. Die europäische Konkurrenz darf sich warm anziehen, wenn sie hier mithalten will, denn die Mittelklasse dürfte besonders hart umkämpft bleiben und gerade hier ist der Preis ein gewichtiges Argument für die Käufer. Für alle täglichen Erledigungen sind Atto und Dolphin die perfekten Begleiter für Menschen, die ein Auto möchten, das solide funktioniert und sich nicht in Spielereien verliert. Die BYD Mittelklasse ist sicher nichts, um die Faszination Motorsport auf der Straße zu erleben, ebenso wenig verfügt sie über beeindruckende Attitüde, aber ist ein unterhaltsamer und freundlicher Partner für jeden Tag, der seine Absatzzahlen in Europa erreichen und den etablierten Herstellern so manchen Kunden streitig machen wird.