Aus heiterem Himmel
Kühles, nasses Herbst- und Winterwetter ist zugleich Hexenschuss-Zeit. Eine ruckartige Bewegung reicht – und mit einem stechenden Schmerz sitzt die Hexe im Kreuz. Welche Maßnahmen bringen erste Erleichterung? Wie kann man den Rücken präventiv stärken und so einer erneuten Attacke vorbeugen?
Wenn der Schmerz im Rücken derart intensiv einschießt, dass einem fast die Luft wegbleibt, spricht der Volksmund von einem „Hexenschuss“. Der medizinische Begriff für heftige stechende, bohrende oder ziehende Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule ist Lumbalgie (Lumbago). Diese Verspannungsschmerzen betreffen in der Regel den unteren Teil des Rückens und können bis in das Gesäß, die Leistenregion oder die Oberschenkelrückseite ziehen. Verursacht wird diese schmerzhafte Muskelverkrampfung meist durch ruckartige Bewegungen, ungewohnte Rumpfdrehungen oder Fehlbelastungen beim Heben schwerer Lasten. Zwischen dem Auslöser (falls vorhanden) und dem Auftreten der Schmerzen können Stunden oder Tage liegen, weshalb es den Patienten oft schwerfällt, die genaue Ursache zu bestimmen. Die gute Nachricht ist: Im Normalfall vergehen die Schmerzen innerhalb weniger Tage oder Wochen von selbst.
Schnelle Hilfe in der Akutphase
In der Akutphase eines Hexenschusses empfiehlt sich zur Entlastung der Lendenwirbelsäule das Hochlagern der Beine in Stufenbett-Lagerung, indem die Beine in einem 90-Grad-Winkel auf einen Stuhl abgelegt werden und der Rücken flach auf dem Fußboden aufliegt.
Aber auch Wärme fördert die Durchblutung und entspannt die Muskeln bei einem Hexenschuss. Neben warmer Kleidung kann Wärme auch von außen zugeführt werden, wie etwa in der Badewanne oder Sauna, mit einer Wärmflasche, durchblutungsfördernden Salben, Wärmepflastern, in Form von Moor- oder Fango-Packungen sowie über Rotlicht.
Leichte Dehnübungen oder langsames Spazierengehen helfen beim Hexenschuss besser als eine Schonhaltung und Bettruhe. Auch Massagen oder Akupunktur können verhärtete Muskeln wieder entspannen und so zu einer Erleichterung führen. Bei der transkutanen Nervenstimulation (TENS) werden schmerzende Bereiche mit sanften Stromreizen behandelt, was eine durchblutungsfördernde und muskelentspannende Wirkung mit sich bringt. Wenn das alles nichts hilft, können schmerzstillende Medikamente eingenommen werden. Nach wenigen Tagen sind in der Regel zwei Drittel aller Lumbago-Patienten ihre Symptome wieder los, nach wenigen Wochen sind neun von zehn Patienten wieder vollkommen beschwerdefrei.
Konsultiert der Patient mit Lumbago-Symptomen einen Arzt, lautet die Diagnose meist „unspezifischer akuter Kreuzschmerz“, in diesem Fall erübrigen sich weitere Diagnosemaßnahmen. Wenn Rückenschmerzen hingegen länger als vier Wochen anhalten, werden sie als spezifisch bezeichnet und machen weiterführende Diagnoseschritte, wie Röntgen-Aufnahmen, Kernspintomografie, andere bildgebende Verfahren oder Labortests erforderlich. Die Gefahr bei Rückenschmerzen liegt immer darin, dass ein akuter Bandscheibenvorfall ausgeschlossen werden muss – eine eindeutige Diagnose kann hier nur ein Facharzt stellen.
SOS bei Hexenschuss
Im Akutfall:
- Hochlagern der Beine in Stufenbett-Lagerung
- Wärme (Vollbad, Wärmflasche, warme Wickel)
- Durchblutungsfördernde Schmerzgels oder Pflaster
- Moor- und Fango-Packungen, Rotlicht
- Bewegung (langsames Spazierengehen)
- Leichte Dehnübungen
- Schmerzstillende Medikamente
- Massagen
- Akupunktur
- Reizstrombehandlung (TENS)
- Schmerzspritze beim Arzt
Präventive Maßnahmen:
- Kräftigung der Rücken- und Bauchmuskulatur
- Ergonomischer Arbeitsplatz
- Bewegung und Sport
- Normalgewicht
Bandscheibenvorfall oder Hexenschuss?
Unter dem Namen STURFDOC betreibt der Salzburger Orthopäde Dr. Christian Behrendt einen YouTube-Kanal, auf dem er als Ratgeber fachlich fundierte Informationen an Patienten weitergibt. In seinem Video „Bandscheibenvorfall oder Hexenschuss? – So kannst du es unterscheiden!“ informiert er anschaulich, wie man eine Lumbalgie von einem Bandscheibenvorfall unterscheidet: „Ein Hexenschuss ist oft sehr akut und hoch schmerzhaft, meist viel stärker als ein Bandscheibenvorfall, dafür aber eigentlich harmlos.“
Denn der Hexenschuss resultiert genau genommen aus einem muskulären Problem. Dr. Behrendt bezeichnet den Hexenschuss in seinem Video als eine Art Muskelfaserriss im Bereich des Beckenkamms, der durch ein Ungleichgewicht zwischen der Rücken- und Bauchmuskulatur entsteht. „Wenn das Gleichgewicht zwischen Anspannen und Nachlassen nicht gegeben ist, kann es passieren, dass es bei der Nachlassbewegung zu einer Muskelverletzung, in der Regel seitlich im unteren Rücken, kommt“, erläutert Dr. Behrendt die Entstehung einer Lumbalgie. Dieses muskuläre Problem ist auf keinem MRT-Bild zu sehen, wird jedoch nach längstens 6 bis 8 Wochen wieder von alleine besser.
Bewegungsfreiheit prüfen
Zur Unterscheidung prüfen Ärzte gerne die Bewegungsfreiheit des Schmerzpatienten. Kommt dieser in der Vorbeuge mit den Händen nicht mehr nach unten, liegt eher ein Hexenschuss vor. Kann der Patient im Liegen das Bein noch anheben, ist es wahrscheinlich auch kein Bandscheibenvorfall, sondern ein Hexenschuss. Ein Hexenschuss lässt sich normalerweise gut mit einer Spritze direkt in die Schmerzstelle verbessern. „Wenn ich bei einem Akutpatienten eine Spritze gebe und der Schmerz lässt innerhalb kurzer Zeit nach, war es meist ein Hexenschuss“, äußert sich Dr. Behrendt zur Spritze als Unterscheidungskriterium.
„Ein Bandscheibenvorfall ist eher ein Schmerz, der lange an einem zehrt, da kann man sich aber oft besser bewegen als bei einem Hexenschuss“, differenziert Dr. Behrendt die beiden Krankheitsbilder, „für einen Bandscheibenvorfall spricht hingegen, wenn der Patient eine schiefe Wirbelsäule hat, weil er versucht, dem Schmerz auszuweichen.“ Sofort zum Arzt sollte man immer, wenn eine Lähmung vorliegt oder der Schmerz in ein Bein ausstrahlt, denn hier besteht der Verdacht auf Bandscheibenvorfall oder Ischialgie.
Dr. Christian Behrendt, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in Salzburg und Freilassing, bedient sich modernster nicht operativer Verfahren zur Abklärung von Rückenbeschwerden, so mitunter einer multimodalen konservativen Schmerzbehandlung, Akupunktur, Axomera, Stoßwellenbehandlung, Bildwandlergezielte Infiltrationsbehandlung und der Schmerztherapie nach Liebscher und Bracht. Nach detaillierter Abklärung erfolgt die Einleitung eines bedarfsgerechten Therapieverfahrens.
Ergonomischer Arbeitsplatz
Vor allem Menschen mittleren Alters ohne chronische Rückenbeschwerden können jederzeit von einem Hexenschuss heimgesucht werden. Die Betroffenen sollten eine Lumbago dringend als Aufforderung verstehen, das eigene Bewegungsverhalten zu überdenken. Stundenlanges Sitzen vor dem PC und zu wenig Ausdauertraining schaden der Wirbelsäule generell. Sind die Arbeitsgeräte noch dazu falsch angeordnet, führt die fehlende Ergonomie am Arbeitsplatz zu Fehlhaltungen und Muskelverkürzungen. Was hilft, sind eine kritische Überprüfung des Arbeitsplatzes auf gute Ergonomie, regelmäßige Bewegungspausen und eine achtsame Haltung bei Alltags- und Haushaltstätigkeiten.
Auch die Anschaffung eines ergonomischen Bürostuhls kann hier Wunder bewirken. Auf der Orgatec in Köln, der größten Büromöbelmesse der Welt, stellte das Team von Dr. Christian Behrendt Ende Oktober eine Weltneuheit vor: den „Sturfer“. Mit diesem neuartigen, DIN zertifizierten Bürodrehstuhl werden sitzbedingte Rückenschmerzen verbessert und es kann eine stärkere und dauerhaftere Muskeldehnung als mit Training erzielt werden. Wenige Minuten täglich reichen dabei aus, um Rückenschmerzen vorzubeugen. „Der Sturfer ist ein neues, einzigartiges, weltweit patentiertes Lifestyleprodukt für die Nutzung am Büroarbeitsplatz, im Homeoffice oder beim Gamen. Gleichzeitig wird die Körperhaltung dauerhaft gestärkt und verbessert, sodass zusätzliche Übungen nicht mehr erforderlich sind“, erklärt der Erfinder Dr. Behrendt die Vorteile dieser hybriden Sitztechnologie durch Umwandlung des konventionellen Sitzens in den Sturfmodus. ‚Sturfen‘ beschreibt die neue Körperhaltung für digitales Arbeiten und ist ein Kunstwort aus Sitzen, Stehen und Surfen.
In seinem brandaktuellen Buch „Starker Rücken ohne Anstrengung. Schmerzfrei durch Überwindung der Sitzkrankheit“ (Verlag Braumüller) erklärt Dr. Christian Behrendt anhand anschaulicher Beispiele, weshalb Rücken- und Bandscheibenschäden, genauso wie Gelenkprobleme und Arthrose entstehen und erklärt das „Sturfen“, seine innovative Dehn-Methode. „Die derzeit am meisten erfolgversprechende Therapie zur Vermeidung sitzbedingter Rückenschmerzen ist eine Wiederherstellung der vollen Elastizität der Muskulatur“, erläutert Dr. Behrend das Wirkprinzip des Sturfens. „Durch das Sitzen in der Schulzeit haben sich der Hüftbeugemuskel und weitere Muskeln verkürzt, was die tiefen Rückenmuskeln schwächt. Durch Elastopressur kann dies wieder behoben werden, muss jedoch anschließend durch tägliche Dehnungsübungen gehalten werden.“
Rückenfreundlich leben
Um nach einem Hexenschuss fortan rückenfreundlicher zu leben und chronischen Rückenschmerzen vorzubeugen, empfiehlt sich regelmäßige körperliche Aktivität – denn Bewegung ist immer noch die beste Prävention. Während man früher bei Rückenschmerzen allgemein auf Schonung und Bettruhe setzte, vertraut man heute speziellen Therapieverfahren wie Rückenschule, Wirbelsäulengymnastik oder Physiotherapie. Denn eine trainierte, flexible Rückenmuskulatur sorgt langfristig dafür, dass der Hexenschuss kein Wiederholungstäter wird. Wurde das Kreuz durch gezieltes Training gestärkt, kann in weiterer Folge jede beliebige Sportart wieder unbedenklich ausgeübt werden.
Text: Susanne Rosenberger
Fotos: Helge Kirchberger, adobe.stock.com