„Unser Familienleben ist alles andere als normal“

Text: Doris Thallinger

Fotos: Harald Eisenberger, www.kaindl-koenig.com

2007 war Christine Reiler Miss Austria und erreichte sogar das Halbfinale bei der Wahl zur Miss World. Heute lebt die Allgemeinmedizinerin, ORF-Moderatorin und Autorin mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern auf einem abgelegenen Bauernhof in Pfarrwerfen. Im Interview erzählt sie aus ihrem – manchmal recht turbulenten – Alltag.

Wir treffen uns heute hier auf deinem Bauernhof in Pfarrwerfen, du verbringst aber nach wie vor auch viel Zeit in Mödling, wo du herkommst. Was empfindest du heute als deine wahre Heimat?
Das ist eine schwierige Frage, die ich mir oft selber stelle. Ich bin nun seit vier Jahren hier im Pongau und es ist ein absoluter Teil von mir geworden. Meine Arbeit ist in Wien, meine Familie ist in Mödling und natürlich sind auch viele meiner Freunde in Mödling und Wien. Ich bin halt dort aufgewachsen, aber für mich ist das Hierher-Kommen auch immer ein Nachhause-Kommen.

Wie hat es dich in den Pongau verschlagen?
Mein Mann stammt aus Wagrain, er arbeitet aber unter der Woche in München. Wir brauchten einen zentralen Ort, an dem wir uns treffen können, ein gemeinsames Zuhause. So ist es der Pongau geworden, wo auch seine Eltern leben. Wir haben beide ein großes Faible für das Landleben und die Berge. So hat sich die Frage gar nicht gestellt, wo wir uns niederlassen wollen.

Du bist, genauso wie dein Mann, beruflich viel unterwegs. Wie gestaltet sich euer Familienleben?
Ich würde sagen, unser Familienleben ist alles andere als normal und das hat auch dementsprechend seine Tücken. Es ist nicht immer einfach, aber dafür ist es auch nie langweilig. Logistisch ist es ein ziemlicher Aufwand. Wir schauen, dass wir die Wochenenden und Ferien immer hier verbringen. Unter der Woche macht jeder so ein bisschen sein Ding, ich halt mit den Kindern. Es ist sicher eine eher außergewöhnliche Lebensform, aber für uns passt sie recht gut.

Miss Austria, Model, Werbefigur und Schauspielerin, daneben Ärztin, Moderatorin deiner eigenen Gesundheitssendungen und darüber hinaus auch noch Mutter und Ehefrau. Welche ist deine liebste Rolle?
Ich glaube, dass sich die Dinge im Laufe des Lebens ändern, mit 20 hätte ich wahrscheinlich ganz anders geantwortet als jetzt, mit fast 40. Man findet immer mehr zu sich selbst und definiert sich nicht mehr über Rollen. All das steckt in mir und alles, was ich gemacht hab, war auch gut so.
Aber ich würde nicht sagen, dass irgendeine Rolle die ausschlaggebende ist. Was mir sehr wichtig ist, das ist Familie, d. h. die Hauptrolle in meinem Leben ist sicher Mutter. Aber ich glaube, ich wäre keine gute Mutter, wenn ich nicht auch meinen Job machen könnte. Es ist immer die Kombination.

Im vergangenen Jahr bist du außerdem unter die Autoren gegangen, hast dein erstes Buch herausgebracht. Was war die Motivation dafür?
Ich wollte immer schon ein Buch schreiben. Dann sind mehrere Verlage – unabhängig von meinem Wunsch – an mich herangetreten; offensichtlich hat das irgendwer von da oben gesteuert. Nach meiner Ausbildung zur Phytotherapeutin war für mich klar, dass es in diese Richtung gehen soll.
Ich hab in der Praxis oft erlebt, dass viele zwar über ein schemenhaftes Grundwissen über Hausmittel verfügen, aber oft gar nicht wissen, wie sie das einsetzen können. Ich hab so oft über Essigpatscherl diskutiert – dabei ist es das Beste, was du machen kannst, wenn du ein krankes Kind zuhause hast. So dachte ich mir, dieses Wissen muss aufgefrischt werden, aber auf eine jüngere, persönliche Art.

Bist du auch im Privaten so umtriebig, eine, die immer wieder etwas Neues angeht, am Tun und Machen ist?
Ich glaub schon, aber ich versuche, es ein wenig herunterzuschrauben, weil es auf Dauer nicht gut ist, nur Vollgas zu geben. Ich bin schon jemand, der immer neue Herausforderungen braucht. Wir Widder, wir sind ja Leute, die immer gern was Neues anfangen. Ich habe schon das Gefühl, dass ich relativ viel Energie hab, den Tag gut nutze.

Wie findest du deinen Ausgleich, wenn du Zeit für dich hast?
Das kommt immer darauf an, wo ich bin. Hier in Salzburg ist es vor allem das Bergsteigen. Ich mache meine Touren auch gerne alleine, weil ich so die Gelegenheit habe, runterzukommen, einfach mal nur zu atmen. Bewegung tut mir gut. Sonst bin ich meistens in meinem Bauerngarten. Das klingt irgendwie sehr alt, aber es ist einfach so. Ich habe meinen Bauerngarten angelegt, hier kommt wieder mein Faible für Pflanzen zutage. Ich freu mich immer wahnsinnig, wenn was wächst und gedeiht.

Welche Werte prägen dein Leben? Was ist die wichtigste Botschaft, die du deinen Kindern mit auf den Weg geben möchtest?
Ich glaube, in diesen Zeiten merkt man es wieder: Respekt! Ich habe das Gefühl, dass sich die Gesellschaft gerade sehr entzweit. Insofern kann auch Toleranz nicht schaden. Loyalität finde ich persönlich sehr wichtig und Empathie sowie ein schönes Miteinander. Das versuche ich ihnen, weil sie ja zu zweit sind, mitzugeben: dass sie ein Team sind. Eine gewisse Bodenständigkeit, finde ich, ist ebenfalls wichtig. Aber die ergibt sich hier im Pongau von allein. Der Unterschied zwischen Wien oder Niederösterreich und hier ist schon ein eklatanter. Die Leute gehen anders miteinander um, sind geerdeter, das mag ich sehr gern. Ich bin hier auch sehr positiv aufgenommen worden, das ist nicht selbstverständlich und darüber bin ich sehr glücklich.

Wofür bist du dankbar im Leben?
Für meine Kinder und meine Familie natürlich. Ich bin dankbar dafür, dass bei mir immer alles gut gelaufen ist, ich bin schon ein Sonnenkind. Natürlich hat jeder seine Ups & Downs, schwere Phasen im Leben oder Dinge, die halt nicht so laufen, aber im Großen und Ganzen darf ich wirklich sehr dankbar dafür sein. Ich bin sicher bis jetzt reich beschenkt worden vom Universum.

Was wünschst du dir noch, was fehlt dir noch zum Glück?
Ich bin ein relativ glücklicher Mensch, mir macht das Leben Spaß und das ist schon die halbe Miete. Es gibt immer Dinge, die man noch haben kann. Ich freu mich zum Beispiel darauf, wieder zu verreisen. Das Reisen geht mir ein bisschen ab, das hat aber nicht nur mit Corona zu tun, sondern damit, dass jetzt das Mama-Dasein Hauptgewicht hat. Ich möchte auch beruflich noch mehr machen: Ich hätte gerne meine eigene Gesundheitssendung, ich möchte das nächste Buch schreiben und auch wieder am Patienten arbeiten. Aber das wird sich ergeben, ich hab keinen Stress.

Hast du die Vision, deine eigene Praxis zu gründen?
Definitiv! Im Moment möchte ich natürlich möglichst viel bei den Kindern sein, die Kleine ist erst 18 Monate alt. Aber wenn die beiden ein bisschen größer sind, hab ich schon große Lust darauf. Mir gehen die Menschen ab – so schön es natürlich auch ist, im Fernsehen noch mehr Menschen zu erreichen.

https://youtu.be/A-P2sDiu9_I

 

Zur Person

Geboren am 25. März 1982 in Mödling, gewinnt Christine Reiler 2007 die Wahl zur Miss Austria und arbeitet als Model, Schauspielerin und Werbe-Testimonial für unterschiedliche Unternehmen. 2011 schließt sie ihr Medizinstudium ab, 2016 ihre Ausbildung zur Allgemeinmedizinerin und 2017 zur Phytotherapeutin. Im ORF präsentiert sie u. a. das Gesundheitsmagazin „bewusst gesund“. 2020 erscheint ihr Buch „Meine besten Hausmittel aus Küche und Garten“.

Heute lebt sie mit ihrem Mann Markus und ihren Kindern (4 und 1 ½ Jahre) in Pfarrwerfen.