Spektakulär, spannend und faszinierend schön

Text: Nicola Seipp

Fotos: Louvre Abu Dhabi/Photography: Mohamed Somji; Nicola Seipp; Tomasz Czajkowski - fotolia.com

Der neue Louvre Abu Dhabi glänzt als Ort des Lichts und der Kultur zwischen Wüste und Wasser.

Schon aus der Ferne ist die gigantische, silbern glänzende Kuppelkonstruktion sichtbar, die sich elegant und schützend über das neue Louvre Museum auf Saadiyat Island wölbt. Die Fahrt vom internationalen Flughafen Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, zum Saadiyat Cultural District auf der Insel Saadiyat dauert nicht lang, vorbei geht’s an der modernen Skyline der City und neuen Bauprojekten im hellen Wüstensand. Auch ein neues Terminal wird derzeit am Flughafen Abu Dhabi gebaut; Fertigstellung soll rechtzeitig zur Weltausstellung EXPO 2020 im benachbarten Dubai sein. Weiter geht’s am Wasser entlang. Der Himmel ist blau, Luft und Sicht sind klar. Und da ist es: Sofort nimmt einen das Meisterwerk des französischen Star-Architekten Jean Nouvel – eine sagenhafte vom Meer umgebene Symbiose aus Kunst, Licht und Architektur – gefangen. Schnell verfängt sich der Blick des Besuchers in den unzähligen Reflexionen des Wassers, die sich auf den weißen Mauern spiegeln. Ebenso in den sich brechenden Sonnenstrahlen, die einem Lichtregen gleich durch die Kuppel fallen.
Jetzt, am späten Nachmittag, zaubert die tiefstehende Sonne besonders viele Highlights. 180 Meter breit ist das netzartig verwobene Dach aus fast 8.000 Metallsternen, das – wie riesige Palmenblätter eine Medina oder Oase – die Besucher mit Schatten und kühlen Lüftchen versorgt. Man mag den faszinierten Blick nur schwer wieder senken.

Doch statt ein arabisches Dorf oder eine Palmenoase überdacht die schillernde Kuppel den neuen Louvre und seine mehr als 23 Galerien mit Dauerausstellung, Wechselausstellungen, Kindermuseum, Auditorium, Restaurants, Café, Museumsshop. Lichtdurchflutet und luftig. Übersichtlich und klar.

Und auch hier wissen die Augen kaum, wohin zuerst mit dem Blick. Zuerst aber lässt es sich noch auf verschiedenen Wegen mit Blick auf das Wasser rund um die in 55 weißen Kuben angelegten Galerien flanieren. Faszinierend, welch’ große Ruhe die spannungsreiche Architektur des Museums ausstrahlt. Dann geht’s hinein in die Galerien, auf eine Reise durch die Geschichte der Menschheit…

Ein Magnet für kulturinteressierte Touristen
In dem bisher einmaligen Kooperationsprojekt zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Frankreich ist unter anderem vereinbart, dass der Louvre Abu Dhabi den Namen Louvre über einen Zeitraum von 30 Jahren und 6 Monaten führen darf und zudem über zehn Jahre hinweg Leihgaben von französischen Kunsteinrichtungen erhält.

Wurden die meisten Touristen Abu Dhabis bisher vor allem von der imposanten Scheich-Zayid-Moschee mit den riesigen Swarovski-Kronleuchtern, Wüstensafaris, weitläufigen Malls, Yas Marina Circuit mit Formel 1-Rennstrecke, Ferrari-World oder den feinsandigen Stränden angezogen, kann die Stadt am Persischen Golf heute noch mehr Spektakuläres in Sachen anspruchsvoller Kunst, Kultur und Architektur bieten. Denn so hat mit dem Museum Louvre Abu Dhabi im vergangenen November nach mehr als zehn Jahren Planungs- und Bauzeit die neueste Topattraktion des arabischen Emirates die Türen für Besucher aus aller Welt geöffnet und präsentiert auf über 6.000 Quadratmetern mehr als 600 Kunstwerke und Artefakte von der Antike bis zur Moderne. Zum Teil aus der eigenen Kunstsammlung, zum Teil aus Leihgaben von 13 französischen Museen. Werke aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte, allen Religionen und Kulturen der Welt, erzählen hier in zwölf Stationen die globale Geschichte – von der Urgeschichte bis heute, von der Entstehung erster Dörfer, den Weltreligionen über die Entwicklung der Handelsrouten bis zur modernen Welt. Schriften verschiedener Religionen sind ebenso zu sehen wie ein riesiges Werk des chinesischen Künstlers Ai Weiwei, das die Globalisierung thematisiert. Dazu gesellen sich Werke (Leihgaben französischer Museen) von Leonardo da Vinci, Vincent van Gogh, Auguste Rodin, ein Reliquienschrein aus dem 13. Jahrhundert, ein chinesischer Wasserkrug im persischen Stil oder Alberto Giacomettis „Stehende Frau II“. Übersichtlich gegliedert die verschiedenen Stationen, nichts lenkt vom Wesentlichen ab.

Auch nicht die Delfine, die sich bei Saadiyat Island nahe des weißen Strandes mit den Naturdünen gerne blicken lassen. Sie sind morgen sicher wieder da. Denn nun ist es draußen dunkel, und die schillernde Lichterpracht des Louvre verlangt wieder die volle Aufmerksamkeit der Besucher. Und die steht diesem spektakulären Gesamtkunstwerk auch uneingeschränkt zu.