Plädoyer für die Leselust
Text: Christa Gürtler, Literaturwissenschaftlerin, Mitbegründerin des Literaturfests Salzburg, das sie derzeit gemeinsam mit Valerie Besl leitet
Fotos: Eva trifft
Selbst wenn wir berücksichtigen, dass wissenschaftliche Studien verschieden interpretierbar sind, zeigen PISA und PIRLS, dass die Lesekompetenz sowohl bei den 10-jährigen als auch bei den 15-jährigen Schülerinnen und Schülern nicht besonders hoch ist, dass sie stagniert oder sogar zurückgeht. Positiv wird vermerkt, dass sich bei den 10-Jährigen beim außerschulischen Lesen zum Vergnügen der Anteil im Vergleich zu 2011 erhöht hat.
Lesen zum Vergnügen, das klingt doch vielversprechend, bedeutet es doch, dass Kinder in Büchern oder am Computer Spaß am Lesen haben und für Literatur zu begeistern sind. Leider hat sich aber der Deutschunterricht in den sogenannten Höheren Schulen, die mit einer „Zentralmatura“ abzuschließen sind, in letzter Zeit immer stärker in Richtung Beherrschung von Textsorten – u.a. das
Schreiben eines Leserbriefs – und Verwertbarkeit von Kompetenzen entwickelt. Die Literatur spielt dabei kaum mehr eine Rolle und das ist nicht nur bedauerlich, sondern sollte eigentlich auf Widerspruch stoßen. Lehrerinnen und Lehrer, Autorinnen und Autoren äußern sich kritisch, die Universitäten warnen, die politisch Verantwortlichen zeigen keine Reaktionen.
Warum wohl? Wissen sie nicht, dass die Literatur unverzichtbar für Bildung und Aufklärung ist oder – wie uns die Geschichte der Zensur und der verbotenen und verbrannten Bücher lehrt – halten sie die Folgen der Lesekompetenz für verzichtbar und gefährlich? Denn Literatur kann vieles: Literatur kann unterhalten und nachdenklich machen, kritisch die Gesellschaft durchleuchten und phantastische Welten erfinden, Grenzen überschreiten und buchstäblich unseren Horizont erweitern. Wer neugierig auf andere Lebenswelten ist und seine Wahrnehmung erweitern möchte, der- oder diejenige kann sich der Leselust hin-geben und die Welt neu und anders entdecken. Es geht nicht um Fakten und Wissen, sondern um Geschichten, die von Menschen erzählen, von Erinnerungen und Sehnsüchten, Erfahrungen und Träumen.
Doron Rabinovici, in diesem Jahr (2018) Gastdozent der Salzburger Stefan Zweig Poetikvorlesung, begeistert an der Literatur, dass sie Möglichkeiten aufzeigen kann: „Wie es gewesen sein wird, das ist es, was mich antreibt. Das literarische Schreiben vermag zur Sprache zu bringen, was noch ungesagt ist, vermag dem Unsagbaren und dem Unerhörten ein Wort zu verleihen.“
Literatur zu schreiben ist eine einsame Arbeit und die Leselust kann man in den eigenen vier Wänden genießen. Aber gemeinsam mit anderen Menschen Dichterinnen und Dichtern zuzuhören, sich in ihre Bücherwelten entführen zu lassen und miteinander ins Gespräch zu kommen, das kann man nur bei den vielen Literaturveranstaltungen in Stadt und Land Salzburg! Eine ganz besondere Gelegenheit dazu bietet das jährliche Literaturfest Salzburg, das diesmal vom 23. bis 27. Mai 2018 stattfindet und spannende Begegnungen mit Autorinnen und Autoren an verschiedenen Orten der Innenstadt ermöglicht. Versäumen Sie die Gelegenheit dazu nicht!