Korea – Reise in eine andere Welt

Text: René Herndl

Fotos: René Herndl; rostock-studio - fotolia.com; sinopics - istockphoto.com

Warum reist man in ein so weit entferntes Land, dessen Sprache man nicht versteht, dessen Kultur so ganz anders ist als unsere? Einer der wichtigsten Gründe dürfte wohl ein geschäftlicher sein, der Sehenswürdigkeiten wegen sicher nicht. Und doch – Korea hat eine gewisse Faszination, der man sich besonders bei genauerer Betrachtung nicht entziehen kann.

Korea ist ganz einfach anders, als sich´s der Europäer aus der Ferne vorstellt. Das Sichtbare, die moderne Baukultur und der Verkehr, erinnert ziemlich stark an unsere Städte, Staus und die so offensichtliche technische Affinität sind vermeintliche Parallelen. Der große US-amerikanische Einfluss ist ebenfalls spürbar und wohl auch der Politik geschuldet, aber wenn man schon ein bisserl mehr ins koreanische Leben, in die Arbeitswelt eintaucht, dann wird das Fernöstlich-Fremdartige so stark, dass man als Fremder nur wenig versteht. Auch sollte man, wenn man Korea nur ansatzweise verstehen möchte, wissen, auf welcher Basis die koreanische Geisteswelt aufgebaut ist, nämlich auf Konfuzius, dessen Weisheiten das Denken und Streben der Koreaner stark beeinflusst. Strenge Hierarchien und der sprichwörtliche koreanische Fleiß haben aus dem ehemaligen Bauernstaat in nur 50 Jahren ein modernes Staatsgebilde gemacht, das sich zwar mitunter an westliche Gesellschaften anlehnt, aber nach gänzlich anderen Regeln lebt.

Wirtschaft und Gesellschaft
Die Grundlage für den koreanischen Erfolg in wirtschaftlicher Hinsicht liegt in mehreren Faktoren: Einerseits ist Bildung so wichtig, dass Familien dafür große finanzielle Opfer bringen (auch damit die Kinder später für die Eltern besser sorgen können), andererseits werden immer und überall Gruppen, Gemeinschaften gebildet, die gerne und oft in der Öffentlichkeit auftreten und ihren Gemeinschaftssinn demonstrieren – was auch in und für Firmen und besonders bei den großen Familienkonzernen gilt.
Samsung, LG, Hyundai-Kia, Daewoo und andere sind weltbekannte Beispiele dafür und sie sind auch gleichbedeutend für den wirtschaftlichen Aufschwung Koreas und dessen heutige Bedeutung. Die Koreaner sind stolz auf ihren Erfolg und sie versuchen ihn laufend zu bestätigen und zu perfektionieren – wie man etwa am schnellsten Internet weltweit messen kann. Einen dementsprechend hohen Stellenwert hat das Sozial- und Gesundheitssystem, auch wenn die Pensionen älterer Menschen vergleichsweise niedrig sind. So wie das Bildungsniveau ungemein hoch ist – bis 2020 rechnet man mit einem 80-prozentigen Akademisierungsgrad –, so problematisch wird die Versorgung mit Arbeitskräften, was wiederum zu einer extremen Automatisierung führt. Dabei hat in Korea der Arbeitstag oft mehr als 12 Stunden und der jährliche Urlaubsanspruch liegt bei nur 2 Wochen – der gemeinsame Erfolg steht über allem. Dieser gesellschaftliche Leistungsdruck äußert sich aber auch in einer sehr hohen Selbstmordrate und einer Demonstrationsdichte, die ihresgleichen sucht. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie mehrere Demonstrationen erleben – die sind Teil des koreanischen Selbstbewusstseins, das sich stark an der körperlichen Optik, noch stärker an der Wahrung des „Gesichts“ orientiert und das hier ein demokratisches Ventil gefunden hat.

Freizeitgestaltung und Feiertage
Die Einstellung der Koreaner, deren Lebens- und Arbeitsphilosophie, hat natürlich auch starke Auswirkungen auf Unterhaltungsmöglichkeiten und das Freizeitverhalten, die wiederum auch für Touristen interessant sind. Gutes Essen und Trinken haben einen hohen Stellenwert, weshalb vor allem in den Metropolen ein so reichhaltiges Angebot an Restaurants, Bars und oft recht schrägen (Themen-)Cafés besteht, dass man deren Potenzial kaum erforschen kann. Die Küche in Korea ist jedenfalls unglaublich gut und hat viel mehr als das Nationalgericht „Kimchi“ (fermentiertes Kraut, für das es ca. 160 Zubereitungsarten gibt) zu bieten. Alleine das Essen wäre ein Grund, etwas länger da zu bleiben. Auch das Reisen innerhalb Koreas hat so seine Vorteile, aber auch Schattenseiten. Da gibt es einerseits die KTX-High-Speed-Züge, die in zweieinhalb Stunden die 440 Kilometer von Seoul an die Südküste durchrasen, andererseits besonders an Wochenenden oder Feiertagen endlose Verkehrsstaus, weil die Koreaner es scheinbar als Freizeithobby betrachten, stundenlang in ihren Autos zu sitzen – entweder auf dem Weg ans Meer oder in die Berge zum Skifahren.

Sehenswürdigkeiten und Folklore
Die Frage nach Sehenswürdigkeiten in Korea, die man besichtigen sollte, ist schnell beantwortet: nicht viele. Die meisten alten Gebäude – wie die Königspaläste – wurden im Krieg zerstört und danach auf den Ruinen neu aufgebaut, selbstverständlich in originalem Stil. Bestes Beispiel dafür ist die Kleinstadt Suwon mit ihrer Stadtmauer und einem (neuen) alten Palast, wobei ein kulissenhafter Eindruck bleibend ist. Das ethnologische Museum bietet einen recht guten Einblick in die Geschichte, wenngleich diese auch einiges an Wissen erfordert. Da hier Traditionen eine starke Bedeutung haben, werden auch viele „Festivals“ mit traditionellen Abläufen veranstaltet, deren Sinn sich einem Fremden kaum erschließt, die aber schon wegen der Rituale und Kostüme interessant zu beobachten sind.
In koreanischen Reiseführern steht logischerweise das Großstadtflair Seouls an erster Stelle, dessen Charme sich nicht nur beim Essen von Streetfood eröffnet. „Dieses Feeling wird etwa im bekannten Geschäftsviertel Gangnam spürbar, das sich nach Sonnenuntergang zu einer riesigen Amüsiermeile wandelt – Gangnam Style eben“, ist in einem Reisebericht zu lesen. Stimmt. Vom Fernsehturm hat man eine grandiose Aussicht über die Stadt – besonders bei Sonnenuntergang. Und wer sich für Architektur interessiert, der findet hier reichlich Anschauungsobjekte, egal ob modern oder alt. Das moderne Korea lernt man aber am besten in seiner Arbeitswelt kennen, sogar als Tourist, wenn man Fabriken besichtigt, wo Autos von Robotern fast ohne menschliche Beteiligung zusammengebaut werden oder Werften in Busan, wo riesige Tanker zusammengeschweißt werden. In Daegu, das als Modehauptstadt Koreas gilt, sollen auch die schönsten Frauen des Landes leben – und die besten Äpfel kommen auch von dort, sagt man. Und ebenso charakteristisch für die koreanische Mentalität ist der Umgang mit der politischen Realität, die im Alltag geradezu ignoriert wird, als Faktum, dem kaum Bedeutung beigemessen wird. Weniger und unaufgeregter jedenfalls als durch die internationale Politik.