„Ich brauche die Inspiration aus dem echten Leben“

Text: Doris Thallinger

Fotos: www.kaindl-hoenig.com, Chris Singer, Salzburger Festspiele Anne Zeuner

Mit 18 hat sie dem Salzburger Land den Rücken gekehrt und ist ausgezogen, um Schauspielerin zu werden.
Nun ist sie zurück: Als Buhlschaft wird die gebürtige Dorfgasteinerin Verena Altenberger dieses Jahr dem Jedermann einheizen.

 

Vor wenigen Tagen erst haben die Proben zum diesjährigen Jedermann begonnen, seit wenigen Tagen ist Verena Altenberger in der Stadt – und schon ist sie die wohl gefragteste Interviewpartnerin der Stunde. Jeder will sie sehen, die neue Buhlschaft mit den millimeterkurzen Haaren und dem herzlichen Lachen.

Das nämlich ist ihr trotz des Interview- und Foto-Marathons nicht vergangen, im Gegenteil, sichtlich gut gelaunt plaudert sie munter drauf los, erzählt von ihrem ersten Schock-Erlebnis des Tages: ein Screenshot mit der Headline ‚Verena Altenberger oben ohne‘. „Im ersten Moment dachte ich, das darf jetzt nicht wahr sein. Auf den zweiten Blick hat sich der Titel nur auf meine aktuelle Frisur bezogen“, lacht sie. Die Haare ließ sie für Dreharbeiten zum Film ‚Unter der Haut der Stadt‘, in dem sie eine krebskranke Frau mimt. Ein mutiger Schritt, doch Mut und Wandlungsfähigkeit beweist die 33-Jährige immer wieder bei den Vorbereitungen auf ihre Rollen. „Ich brauche die Inspiration aus dem echten Leben, ich möchte sehen, wie es wirklich ist. Ich brauch dieses echte Leben in der Vorbereitung, auch um meine Seele reicher zu machen“, erklärt sie. „Das liebe ich so sehr an meinem Beruf, dass ich in so unterschiedliche Welten eintauchen kann. Ich habe immer schon das Bedürfnis gehabt, viel von der Welt zu sehen, das meine ich nicht geografisch, sondern gesellschaftlich: nach oben und nach unten.“

Die intensive und oftmals harte Vorbereitung auf Rollen ist außerdem einer Angst geschuldet: „Ich hab relativ viel Schiss und bin sehr nervös. Man fühlt sich einfach besser, wenn man gut vorbereitet ist.“ Angst hat Verena Altenberger übrigens auch vor schlechten Kritiken: „Das tut mir weh und verunsichert mich. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, eine schlechte Kritik wäre mir vollkommen egal. Am besten kann ich mit Kritik umgehen, wenn meine Leistung sehr polarisiert, also die eine Kritik extrem positiv, die andere extrem negativ ist. Dann überwiegt das Interesse über den Schmerz. Aber ein Komplettverriss – das würde einfach weh tun.“

 

Heimspiel
Derzeit bereitet sich Verena Altenberger auf die Figur der Buhlschaft vor – und ist damit die erste Salzburgerin in der mehr als 100-jährigen Geschichte der Festspiele, die diese Rolle inne hat. „Von dieser Rolle hab ich schon als kleines Mädchen geträumt. Und ich hab mich schon sehr oft gefragt, wie wird man wohl Buhlschaft, das ist ja keine Rolle, um die man sich bewirbt! Jetzt weiß ich es: Man wird angerufen und gefragt, ob man die Buhlschaft spielen möchte“, freut sie sich ganz offensichtlich und die dunklen Augen strahlen gleich noch intensiver. Die Vorbereitung ist eine ganz andere Herausforderung an die Schauspielerin, die nach ihren Anfängen am Theater in den letzten Jahren ausschließlich Filme gedreht hatte: „Ich muss keinen neuen Akzent, keine neue Fähigkeit lernen, sondern darf mich von Anfang an mit dem Kern der Rolle auseinandersetzen und das ist: Frau-Sein. Darüber habe ich in letzter Zeit sehr viel nachgedacht.“

Welche Gedanken gehen einer Verena Altenberger nun durch den Kopf, welche Erwartungen hat sie an ihr erstes „Heimspiel“ bei den Salzburger Festspielen? „Ich versuche, die Erwartungen nicht zu groß werden zu lassen, obwohl man so viel im Vorfeld darüber redet. Dadurch baut sich ein Konstrukt auf, das in Wirklichkeit gar nicht existiert. Darum ist es angenehm, dass wir jetzt endlich daran arbeiten und ich damit die Erwartungen dekonstruieren kann, die ich vorher aufgebaut habe.“

Vagabundenleben
So stolz Salzburg auf seine berühmte Tochter auch ist, wieder in der alten Heimat sesshaft zu werden, ist für Verena Altenberger unvorstellbar, nachdem sie bereits mit 18 dem Landleben den Rücken gekehrt und in die Großstadt nach Wien „geflohen“ ist. „Mein Verhältnis zu Salzburg ist besser geworden, weil ich heute als Besucherin hier bin. Ich lebe nun seit 14 Jahren in Wien, Wien ist meine Home-Base. Allerdings – 2019 war ich insgesamt drei Wochen des Jahres dort. Ich bin generell nicht so gern lange und durchgängig an einem Ort“, gibt sie zu. „Dazu kommt, dass ich in Salzburg manchmal noch das Gefühl habe, mich nicht 100%ig frei zu fühlen. Heute noch überlege ich in Salzburg zum Beispiel, was ich anziehe, wenn ich vor die Tür gehe, während ich in Wien ganz selbstverständlich mit Jogginghose herumlaufe, in Berlin wäre mir sogar die Pyjamahose egal. Ich weiß selbst nicht, woran das liegt.“ Wer gerade mal drei Wochen im Jahr zuhause verbringt, hat offensichtlich auch nicht allzu viel Freizeit. In Verenas Fall ist diese gut gefüllt mit Sport. Beherrscht sie – auch beruflich bedingt – unzählige Sportarten (und übrigens auch sieben Sprachen), sind es dann aber doch die „ganz normalen“, die sie auch regelmäßig aktiv betreibt, wie Yoga, Laufen, Wandern und Schwimmen. Wofür Salzburg wiederum die perfekte Gegend ist.

 

https://www.youtube.com/watch?v=f3xsVP_5p1k
Verena Altenberger im Interview

 

Zukunftsmusik
Mit der Rolle der Buhlschaft ist ein großer Wunsch für Verena Altenberger in Erfüllung gegangen, viele weitere warten noch darauf, wahr zu werden: „Es sind so viele, dass ich sie gar nicht aufzählen oder auf wenige einschränken kann. Ich möchte wirklich noch viel mehr ausprobieren, auch andere Genres. Gerade merke ich, dass ich wieder mehr Theater spielen möchte. Es gibt noch so viele RegisseurInnen, KollegInnen mit denen, und Orte, an denen ich arbeiten möchte, so viele Themen, die mich interessieren, in die ich gern richtig eintauchen möchte.“ Und privat? „Nächstes Jahr Haus, verheiratet und drei Kinder“, antwortet Verena wie aus der Pistole geschossen und kann sich das Lachen nicht verkneifen. Zur Sicherheit fügt sie aber noch hinzu: „Das war jetzt ironisch gemeint!“ Eine Verena Altenberger macht halt keine Fünf-Jahres-Pläne, weder beruflich und schon gar nicht privat.